swissICT Magazin: Was freut oder ärgert Sie am meisten in der IT?
Damir Bogdan: Die meisten CEOs haben verstanden, dass Technologie-Know-how der Differenzierungs- und teilweise Überlebensfaktor für Unternehmen geworden ist. Die Zusammenarbeit in solch offenen Kulturen macht Spass.
Was mir Sorgen bereitet sind Führungskräfte, welche sich gegen Neuerungen wehren, auf keinen sozialen Netzwerken vertreten sind und von EDV reden. Gegen diese Unbeweglichkeit muss zuerst enorm viel Aufbauarbeit investiert werden, bevor man sich vielleicht einmal Technologie-Innovationen, Big Data usw. widmen kann.
Was sind für Sie aktuell die grössten Herausforderungen innerhalb der Finanzbranche?
1. Finanzdienstleister verwenden einen Grossteil ihrer Budgets für System-Erneuerungen, der Abbildung von Regulatorien, der Anpassung an neue Standards und all das trotz sinkender Margen. Bei all dem haben sie noch keine Innovationen für die wachsenden Kundenansprüche geschaffen.
2. In wenigen Jahren werden ein Drittel unserer Mitarbeitenden «Millennials» sein. Leute, welche in einer digitalen, kollaborativen Welt aufgewachsen sind und sich nicht in organisatorischen Silos verwirklichen wollen. Welche Arbeitsformen und -instrumente stellen wir ihnen zur Verfügung. Wie helfen wir Ihnen?
3. Fintech-Unternehmen filetieren die Dienstleistungen von Finanz-Unternehmen und versuchen die Kunden an sich zu reissen. Wie wird die künftige Bank aussehen? Werden Google und Apple die Banken der Zukunft? Oder werden es die Challenger Banken sein – neu gegründete Institute ohne Altlasten und mit wesentlichen Dienstleistungen wie sie traditionelle Banken erbringen, einfach schneller, intelligenter, günstiger? Wie können Banken mit Fintechs zusammenarbeiten? Wie können Banken mit Fintechs zusammenarbeiten?
Diese Fragen gilt es zu beantworten – individuell für jedes Institut. Um für das Kommende gewappnet zu sein, verbringe ich rund ein Viertel meiner Zeit im Silicon Valley und bringe das Gelernte zurück in den Schweizer Kontext.
Wie wird Informatik künftig das Leben der Schweizer Finanzkunden verändern?
Ich hoffe positiv natürlich! Bereits vor einigen Jahren hat eine Machtverschiebung vom Unternehmen zum Kunden stattgefunden. Der einzelne Kunde ist mit seiner Online-Vernetzung viel mächtiger, aber auch wissender geworden. Und er kann seine Geschäfte auf dem Kanal seiner Wahl tätigen. Viele Finanzunternehmen haben das erkannt und werden ihre Dienstleistungen individualisiert, pro-aktiv und intelligent anbieten. Die Finanzdienstleistungen werden künftig auch viel mehr integriert und automatisiert ablaufen. Weshalb wickelt mein Auto heute nicht bereits selber mit der Parkschranke bei der Ausfahrt den Bezahlprozess ab – sei es über mein iPhone, meine AppleWatch oder meine Wallet mit Crypto Currencies (Bitcoin, Ether …)?
Der Informatikmarkt Schweiz ist stark vom Wohlergehen der Finanzbranche abhängig. Ist die Transformation der Branche Chance oder Bedrohung für IT-Spezialisten?
Eine Riesen-Chance! Ein Drittel der Berufe, welche heutige Schulkinder einmal ausüben werden, existiert heute noch gar nicht. Die Digitalisierung entwickelt immer neue Berufsbilder. Schon nur rund um Big Data entstehen viele neue Funktionen. Hierfür müssen auch Lehrstellen und Ausbildungen geschaffen werden. Jedes Unternehmen in der Schweiz ist in der Verantwortung dabei. Auch IT-Spezialisten können sich nicht zurücklehnen. Nur wer Agilität beweist und sich ständig weiterbildet – nur der wird künftig auch gesucht. Wir alle müssen vorleben, was wir von Seiten Business auch erwarten.
Damir Bogdan
Der frühere Raiffeisen-CIO ist heute als Gründer von Actvide und als Berater für Digitalisierung und Innovation tätig sowie als Mentor für Fintech-Startups. Er ist auch «European Ambassador» für den Accelerator Plug and Play Tech Center in Kalifornien aktiv.