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Das Lob der Fährenfrau

Von Stefan Züger

Frauen sind für erfolgreiche Transformationsprojekte mehr als wichtig. Ein Essay.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/06

     

Gender Diversity» ist in aller Munde und dies ist kein Wunder. McKinsey weist nach, dass sie die Zielerreichungsschance von Unternehmen um 15% erhöht. Gleichzeitig beklagen wir uns, dass gerade in Technologieberufen zuwenig Frauen Fach- und Führungspositionen besetzen.1)
Nun sehen wir aber im Markt eine Verschiebung, die unsere klassischen Technikerprofile plötzlich viel weniger relevant machen – und die Anforderungen verschieben in Richtung von Qualitäten, die wir als eher weiblich besetzt bezeichnen würden.
Erinnern Sie sich noch, was ein «Obolos» ist? Das ist die Münze, die man im antiken Griechenland den Toten in den Mund legte, auf dass sie damit dem Fährmann Charon den Fährpreis über den Totenfluss entrichten mögen. Alle von uns haben mehr mit Charon gemein, als uns lieb ist. Genau wie er haben wir die Aufgabe gefasst, Kollegen und Kunden durch die Transformation zu begleiten, in die neue, schöne Welt der IT. Und genau wie sich Charons Passagiere von alten Gewohnheiten (u.a. dem Leben) lösen müssen, so geht es auch uns.

Dies das macht die Aufgabe für uns moderne Charons so unheimlich aufwändig: Wenn das Wetter grossartig, die Reise gut vorbereitet und das Ziel klar in Sicht ist, dann ist die Arbeit des Fährmannes nur mit kleinen Risiken verbunden. Aber was, wenn die Vorbereitungen spärlich sind, das Ziel sich fortwährend bewegt und starke Stürme unser Bötchen schütteln? Daniel Goleman schildert es in seinem Buch «Emotionale Intelligenz»: 2)
- Eine erste wichtige Eigenschaft ist die Empathie, die Fähigkeit, sich selbst in die Sichtweise des Mitmenschen zu versetzen. Lang nicht jeder in Ihrem Boot ist dort, weil er es wollte. Die Mehrheit wurde von der Notwendigkeit verschifft – und da Ziel und Route der Reise unklar bleiben, werden Ihre Passagiere mit Widerstand, Ablehnung und Ärger reagieren.
- Die nächste Kompetenz ist die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung. Wenn Sie das Boot übernehmen, müssen Sie sich sicher sein, welche Persönlichkeitszüge Sie zum Meistern der Reise befähigen – und welche Sie stören oder sogar behindern werden.

- Nicht schaden wird auch eine gesunde Dosis an Sozialkompetenz. Um den Kurs für Ihre Transformationsreise zu finden und zu halten, ist es nötig, mit Ihren Mitreisenden Rapport zu etablieren – denn es wird der Hilfe und Unterstützung eines jeden bedürfen.
- Weiter auf der Liste erstrebenswerter Eigenschaften: Selbstkontrolle, die Fähigkeit, mit dem eigenen emotionalen Ich vernünftig umgehen zu können.
All diese Eigenschaften sind gleichermassen wichtig, aber da gibt es eine fünfte, die herausragt: Motivation, der innere Antrieb, ein Ziel auch gegen Widerstand, und manchmal auch gegen alle Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Welche Anreize funktionieren für moderne Fährleute? Edward L. Deci, ein Psychologe, fand die Antwort bereits 1975. 3) Er identifizierte drei intrinsische Hauptmotivatoren:
- Autonomie bedient unser Bedürfnis nach Eigenverantwortung. Wenn unser Job das Navigieren eines Schiffes ist, dann wollen wir nicht unseren Vorgesetzten im Nacken sitzen haben.
- Meisterschaft beschreibt unser Verlangen, immer besser zu werden in dem, was wir tun.
- Sinn – unser Verlangen, Teil von etwas Grösserem zu sein und unser Handeln auf dieses Grössere abzustimmen.

Lassen Sie uns zusammenfassen.
1. Emotionale Intelligenz (EQ) wird in der nahen Zukunft noch wichtiger werden – ja wahrscheinlich unser primärer Differenzierungsfaktior in einer Welt, in der künstliche Intelligenz mit uns im Wettbewerb steht.
2. Das Begleiten von Menschen durch Transformationsprojekte bedarf emotionaler Fähigkeiten – egal, ob es sich um ein Kundenprojekt, eine Merger-Situation oder um ein Einzelschicksal handelt.
3. Unser Bauchgefühl sagt uns, dass Frauen kompetenter sind, wenn es um soziale Interaktion geht (interessanterweise gibt es kaum Studien, die dies belegen).
Am Ende des Tages spielt es eigentlich keine Rolle, ob Barbie oder Ken der EQ-Superhero ist. Wesentlich ist, dass unsere sehr technokratischen Jobs durch diesen Shift attraktiver werden für ein breiteres Publikum – eines, das in früher Jugend sogar von Technologiethemen weg sozialisiert worden ist.

Fussnoten:
1) Hunt, Vivian & Layton, Dennis & Prince, Sara: «Why diversity matters», London, January 2015


2) Goleman, Daniel: «Emotional Intelligence: Why It Can Matter More Than IQ» New York, 1995

3) Deci, Edward L.: «Intrinsic motivation» New York, 1975

Stefan Züger ist Mitglied der AG Redaktion swissICT Magazin und Presales Manager bei EMC



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