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CIO-Interview: «Die Schweizer Verwurzelung spielt eine Rolle»
Quelle: zVg

CIO-Interview: «Die Schweizer Verwurzelung spielt eine Rolle»

Beat Hermann ist seit 2012 Head of IT beim Sportfachhändler Athleticum. Im Interview erklärt er, wie die EM Einfluss auf die Infrastruktur haben wird.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/06

     

Swiss IT Magazine: Mit der Fussball-EM und den olympischen Spielen steht ein sportlicher Sommer an. Wird er dadurch auch für Ihre IT sportlich?
Beat Hermann:
Bei Athleticum sind wir generell sportlich unterwegs (lacht). Aber es hat auf unsere interne Infrastruktur und unsere Prozesse keinen direkten Einfluss. Ausser vielleicht, dass wir beachten müssen, dass die ganzen Livestreams an den Arbeitsplätzen nicht unsere Infrastruktur in die Knie zwingen.

Demnach dürfen Athleticum-Mitarbeiter in gewissen Fällen ein Fussballspiel während der Arbeitszeit streamen?
In einem gewissen Rahmen ist das sicher erlaubt, denke ich. Athleticum ist schliesslich noch bis zur EM Sponsor der Schweizer Fussballnationalmannschaft.




Wie sieht die IT-Infrastruktur bei Athleticum aus?
Wir haben zwei redundante Rechenzentren an unserem Hauptsitz in Hochdorf und auch jede Filiale verfügt über eine eigene, umfangreiche Infrastruktur mit je einem Server, der auch von unserer Warenwirtschaft benötigt wird. Die Warenwirtschaft ist momentan noch dezentral stationiert, was einen lokalen Windows-Server voraussetzt. Die alte Architektur wird aber demnächst durch ein aktuelleres System abgelöst. Insgesamt sind es 24 physische Server, die wir momentan noch zusätzlich betreuen müssen. Prinzipiell nutzen wir bei uns Windows-Infrastruktur – also SSCM für Staging und Deployment, SCOM für das Monitoring sowie Office 365 mit sämtlichen Cloud-Services und neu werden wir auch im ERP-Bereich auf ein Microsoft-Produkt setzen. Im Bereich Telematik setzen wir auf Cisco-Router und -Switches und Hardware-seitig grösstenteils auf HP-Infrastruktur.


Wie viele Arbeitsplätze betreuen Sie?
Insgesamt sind bei Athleticum 620 Mitarbeiter angestellt. Davon arbeiten 70 Personen hier am Hauptsitz in Hochdorf, wovon wiederum vier Personen der internen IT angegliedert sind. Insgesamt betreuen wir rund 400 Clients, 150 Druckersysteme, 80 Kassensysteme, die auch Windows-Clients sind, sowie 80 Server, inklusive VMs.

Für was ist das Informatik-Team bei Athleticum verantwortlich?
Wir sind mit vier internen Mitarbeitern relativ schlank aufgestellt. Wir stellen die Verfügbarkeit der Services das ganze Jahr hindurch rund um die Uhr sicher und übernehmen Support-Aufgaben, Pikett-Dienst, Arbeiten in den Bereichen ERP und POS sowie die Operations sämtlicher Services. Weiter haben wir 200 Stellenprozente im Bereich Netzwerk und Server an Techlan ausgelagert.

Das Viererteam dürfte mit dieser Aufgabenbreite sehr ausgelastet sein.
Das ist wahr. Die Aufgabendichte verlangt oft sehr viel Flexibilität von meinen Mitarbeitern. Ohne ein zu 100 Prozent motiviertes Team wäre das nicht möglich. Gerade unser altes, Batch-basiertes Warenwirtschaftssystem verlangt oft einen grossen Effort zu nächtlichen Stunden.


Wie finden Sie ein topmotiviertes Mitarbeiterteam, welches den ganzen Effort mitmacht?
Innerhalb der letzten Jahre hat sich die Informatikabteilung entsprechend entwickelt und es ist ein super Team mit einem hervorragenden Geist entstanden. Zudem ist es in der Informatikabteilung von Athleticum ein wenig ein Geben und Nehmen. Wenn jemand in der Nacht einen Einsatz hatte, dann kann er das auch wieder kompensieren. Diese Flexibilität steht jedem aus unserem Team zu.

Was sind die Besonderheiten der IT von Athleticum?
Der Detailhandel steht heutzutage unter einem sehr grossen Kosten- und auch Zeitdruck. So muss man im Detailhandel immer schnell reagieren können, da sich die Branche in einem stetigen und sehr schnellen Wandel befindet. Das ist bei uns nicht anders. Wir haben häufig nicht so ausgeprägte Strukturen, so dass man schnell und dynamisch reagieren muss. Dementsprechend sollte man Projekte mit einem gewissen Pragmatismus, aber auch einer gewissen Qualität angehen. Es ist eine Gratwanderung zwischen Struktur, Qualität, Nachhaltigkeit und Kostendynamik. Das ist das A und O unserer Branche. Andererseits bringen diese Strukturen auch Vorteile. So haben wir relativ kurze Kommunikationswege und die Entscheidungen werden dadurch nicht gelähmt.


Mit welchen Projekten beschäftigen Sie sich im Moment?
Wir haben einige Projekte in der Pipeline und auch schon diverse Evaluationen abgeschlossen. Zu den evaluierten Themen gehört beispielsweise die Erneuerung des ERP-Systems, bei dem wir wie gesagt auf eine Microsoft-Lösung setzen wollen. Dann haben wir ein paralleles Projekt im Bereich Point of Sale, bei dem wir uns für eine neue Kassensoftware entschieden haben. Heute ist der Backoffice-Bereich zusammen mit der Kasse eine Lösung, was wir für die Zukunft aber aufsplitten wollen. Beide Projekte sind inzwischen in der Implementierungsphase. Obwohl die beiden Implementierungen unabhängig voneinander sind, haben wir geschaut, dass sie relativ zeitnah in den Filialen eingeführt werden. So können wir die unausweichlich entstehenden Problemchen, die es bei jeder Neueinführung gibt, konsolidiert angehen. Im Notfall schauen wir, dass man in den Filialen jederzeit auf das alte System zurückgreifen kann. Das ist zwar ein Mehraufwand für uns in der IT, beruhigt aber die Nutzer vor Ort. Darüber hinaus implementieren wir seit einiger Zeit schon ein PIM-System und zusammen mit Swisscom und Cisco sind wir momentan an der Ausarbeitung eines WLAN-Infrastruktur-Projekts für die Stores. Das ist sicherlich auch im Bezug auf die Multi-Channel-Thematik ein wichtiges Thema und ermöglicht in Zukunft unter anderem Neartime-Prozesse. Und wir planen die Verlagerung des ganzen firmeninternen Office 365 in die Cloud.

Spüren Sie neben dem Projekt- auch einen Kostendruck?
Generell lässt sich sicherlich sagen, dass wir einen Kostendruck haben. Jedoch ist es nicht ein Druck bezüglich Kostenreduktion, sondern vielmehr eine Nachfrage nach mehr Services für die gleichen Ressourcen und finanziellen Aufwände. Man ist zwar bereit, die Kosten aufrecht zu erhalten, aber man möchte dafür mehr Dienste und mehr Verfügbarkeit.


Athleticum befindet sich in einem harten Wettbewerb mit anderen hiesigen und ausländischen Sportartikelhändlern und Anbietern. Welchen Anteil hat Ihre IT daran, dass Athleticum einen Wettbewerbsvorteil hat?
Wir sind sicherlich schlagkräftiger und können schneller reagieren als die internationale Konkurrenz. Wie schon gesagt, wir haben kurze Entscheidungswege und können deswegen innerhalb von kürzester Zeit auf Probleme oder Wünsche eingehen. Die inländische und ausländisch-geprägte Konkurrenz ist oftmals an sehr starre Strukturen gebunden. Zumal spielt sicher die Schweizer Verwurzelung – wir sind eine Tochtergesellschaft von Manor – eine wichtige Rolle.

Wie steht es um die Wertschätzung der IT in Ihrem Unternehmen?
Prinzipiell lässt sich sagen, dass die Wertschätzung der IT innerhalb der Firma in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Das war im Detailhandel nicht immer so. Bis vor einiger Zeit nahm man die Informatik im Detailhandel als ein notwendiges Übel wahr. Sie war nicht wirklich in die Struktur miteingebunden und wurde kaum in die Entscheidungsfindung involviert.


Sie sind seit zwölf Jahren in der Informatik von Athleticum und seit knapp vier Jahren Head of IT: Was war die grösste Herausforderung in dieser Zeit?
Ich habe sicherlich mehr Professionalität in die IT gebracht und die Prozesse effizienter gemacht. Zudem behaupte ich, dass ich mit meinem kleinen Team einen sehr grossen Business-Nutzen generiere. Und als persönlichen Erfolg werte ich, dass ich Projekte so aufzeigen kann, damit deren Nutzen für die Firma und das Geschäft auch erkannt wird. Ich denke dazu habe ich auch ein sauberes Projekt-Marketing ausgearbeitet, welches den Mitgliedern der Geschäftsleitung die Möglichkeiten von neuen Implementierungen klar aufzeigt und sie dann auch entsprechende Systeme oder Geräte haben wollen.

Welche IT-Trends herrschen im Retail-Bereich im Moment vor?
Im Retail kommt man immer mehr weg von der klassischen IT und es geht in Richtung Business Solutions. Zudem denke ich, dass die Multi- und Omni-Channel-Geschichte sicherlich Einzug halten wird, also die Verschmelzung von Offline und Online. In unserem Fall müssen wir unsere Stärke am Markt ausspielen, nämlich unsere Flächen, das Sortiment, den Service und die Kompetenz in den Stores. So können wir uns einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen und dies in unsere Strategie miteinbauen. Es ist in der Branche nach einer relativ langen Phase der «Erkenntnis» ein regelrechter Wettlauf losgetreten worden und alle wollen diese Multi- und Omni-Channel-Geschichten plötzlich lieber gestern als erst morgen. Zudem werden die flexible, mobile Beratung sowie der Verkauf auch innerhalb des Stores mithilfe von Tablets immer mehr zum Thema werden. Dies ist mitunter ein Grund, warum wir am Aufbau von WLAN in den Stores sind.


Woher kommt der plötzliche Sinneswandel im Business bezüglich IT im Detailhandel?
Ich denke, da spielen verschiedene Faktoren mit. Einerseits die Online-Konkurrenz, die stetig wächst und einen Druck aufsetzt. Die Frankenstärke ist auch ein Grund, der den Detailhandel zum Handeln zwingt, und die Dynamik, die sich in der Branche exponentiell entwickelt hat. Inzwischen sind möglichst schnelle Lösungen gefragt und zwar in einem Ausmass, wie ich es zuvor noch nie erlebt habe. (asp)


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