Bildgeheimnisse entschlüsseln
Quelle: sms

Bildgeheimnisse entschlüsseln

Die wachsenden Datenmengen bieten auch in der Medizin eine Chance für Big Data. Doch gerade im Bereich Bilddaten steckt die Medizin noch in den Kinderschuhen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/01

     

Radiologen ertrinken förmlich in Bilddaten immer höherer Auflösung. Mehr als 90 Prozent der in MRI- und CT-Scans versteckten Informationen liegen brach, da die Zeit für die Auswertung beschränkt ist und sich die Analyse im klinischen Alltag auf die Beantwortung der akutesten Fragen beschränkt. Etwa: «Ist das Krebsgeschwür gewachsen oder nicht?». 4Quant will das stark erweitern.
Das Start-up will die Radiologen aus ihrer Small-Data-Welt in die luftigen Höhen des Big Data führen. Keinesfalls soll so der Radiologe ersetzt, sondern durch den Einsatz spezialisierter Algorithmen entlastet werden. Diese unterstützen nicht nur die Diagnose - vielmehr versorgen sie den Mediziner mit einem umfassenden Bild des Patienten. Mit Hilfe einer Torso-CT beantwortet das Start-up Fragen wie «Wie ist die Dichte der Knochen?», «Gibt es Anzeichen von Osteoporose?», «Entsprechen die Herzkammervolumina der Norm?». Dem Arzt stehen so mehr Daten für akkuratere Diagnosen und präzisere Behandlungspläne zur Verfügung.

Mit der Cloud Grenzen verschieben

Im Einzelfall ist das schon heute möglich. Bilddaten werden mit Hilfe von Algorithmen im Batchprocessing ausgewertet. Zum Einsatz kommen mit zahlreichen Grafikkarten bestückte Computer. Dieser Ansatz stösst allerdings schnell an Grenzen, denn Menge und Qualität der Bilddaten nehmen schneller zu als die Performance der einzelnen Rechner. Darüber hinaus ist diese Vorgehensweise nicht gerade günstig, da die Algorithmen von hochspezialisiertem Personal geschrieben werden müssen. Diese müssen nicht nur die Hardware der Grafikkarten bis ins Detail kennen, sondern gleichzeitig Programmiersprachen beherrschen, die nicht sehr gebräuchlich sind.
4Quant knackt diese Nuss mittels Big-Data-Technologie. Statt auf einzelnen Rechnern werden die Daten in eine Private Cloud verschoben. „Die Performance der Algorithmen ist hier weniger wichtig, denn Cloudcomputing ist einfach sehr billig. Entscheidend ist die hohe Skalierbarkeit“, so 4Quant-Mitgründer Flavio Trolese. Für die Auswertung wird einfach ein Cluster angeworfen, für dessen Rechenleistung nur die tatsächlichen Nutzungskosten anfallen.

Der eigentliche Clou dabei ist die Adaption der Algorithmen fürs Clustercomputing. Die Grundlage dafür ist die Doktorarbeit von Mitgründer Kevin Mader, Medizintechnologe und Dozent an der ETH. Im Rahmen seiner Doktorarbeit und eines anschliessenden Post-Docs am Paul Scherrer Institut entwickelte er die Grundlagen für die Anwendung. 2014 gewann er einen ETH-Pioneers-Fellowship-Preis und konnte die Idee weiter vertiefen. 2015 gründete er zusammen mit Flavio Trolese und Joachim Hagger das Startup 4Quant. Letztere haben bereits Erfahrung als Unternehmensgründer: Trolese half, das Unternehmen Panter und das Colab Zurich aufzubauen, und Hagger ist bekannt als Mitgründer der Netcetera.

Fokus auf Medizinalsektor

Zwei Pilotprojekte wurden erfolgreich umgesetzt. Am Universitätsspital Basel erlaubt 4Quant das Ausmessen und quantifizieren der Lungenschädigung bei COPD-Patienten auf Knopfdruck. Und im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen dem Unispital Basel und dem chinesischen Sun Yat-Sen Cancer Center erlaubt 4Quant Diagnose und Verlaufsprognose bestimmter Formen von Kopf- und Hals-
tumoren. Allein anhand der anfänglichen Bilddaten kann so der langfristige Krankheitsverlaufs vorhergesagt werden.
Theoretisch ist die Software auch ausserhalb der Medizin einsetzbar. Für einen Nahrungsmittelmulti wurde die Beschaffenheit von Schokolade analysiert. „Wir legen den Fokus aber klar auf den Medizinalsektor“, meint Trolese. 2016 will sich das Unternehmen auf den Go-to-Market konzentrieren. Die Zielgruppe sind Universitätsspitäler und Contract Research Organizations, die auf klinische Studien für die Pharmawelt spezialisiert sind.


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