Swiss IT Magazine: Herr Moser, Sie betreuen bereits seit vielen Jahren die IT von Itten+Brechbühl, sind aber nicht im Unternehmen selbst angestellt. Können Sie das kurz erklären?
Beat Moser: Ich arbeite für Finitia, eine «Schwester» von Itten+Brechbühl. Finitia wurde im Sinn einer strategischen Massnahme 2006 mit Teilen der Belegschaft des Backoffices von Itten+Brechbühl in Betrieb genommen. Sinn und Zweck dieser Massnahme war, dass die früher auch bereits ausserhalb von Itten+Brechbühl erbrachten Dienstleistungen ab diesem Zeitpunkt durch ein neutrales «Label» geleistet werden konnten.
Welche Leistungen erbringt Finitia und für welche Kunden?Finitia beschäftigt aktuell rund 20 Personen. Wir bieten Dienstleistungen in den Bereichen Finanzen und Controlling, IT sowie Personalwesen an und das für sieben Firmen an zehn Standorten in der Schweiz. Über alle Kunden hinweg betreuen wir via ein zentrales IT-System aktuell rund 550 Arbeitsplätze. Itten+Brechbühl selbst zählt hierzulande sechs Standorte und ist mit 350 Arbeitsplätzen unser grösster Kunde. Gleichzeitig ist Itten+Brechbühl auch die Firma, die die höchsten Anforderungen an das zentrale IT-System vorgibt. Aufgrund des firmenübergreifenden IT-Systems kann die installierte und betriebene Technik jedoch durch alle Firmen genutzt werden.
Mit täglich 120’000 Fahrgästen zählt der Bahnhof Genf Cornavin zu den grössten Bahnhöfen der Schweiz. Für die Sanierung des 1931 erbauten Gebäudes beauftragten die SBB das Gecor-Konsortium unter der architektonischen Leitung von Itten+Brechbühl. (Quelle: zVg)
Beat Moser (63), seit 1973 bei Itten+Brechbühl angestellt, arbeitete als Hochbauzeichner, Bauleiter und Projektleiter. (Quelle: zVg)
Wie ist die IT organisiert?Unser Team umfasst vier Mitarbeiter. Zwei IT-Mitarbeiter kümmern sich schwerpunktmässig um die Hard- und Software. Wenn es darum geht, neue und zentrale Systeme wie Server oder Storage aufzusetzen, können wir auf eine sehr enge Zusammenarbeit mit einem externen Systemintegrator, Johner+Partner in Bern, zählen, der uns bereits seit unseren ersten IT-Installationen (Netware286) begleitet. Die beiden anderen IT-Mitarbeiter kümmern sich vorwiegend um die Bereiche CAD-, Daten- und Qualitätsmanagement. Weiter widmen wir uns auch dem Bereich Building Information Modeling (BIM). Neben dem Aufbau von eigenen Projekten analog BIM-Anforderungen beteiligen wir uns bei verschiedensten externen Anlässen, Forums beziehungsweise Arbeitsgruppen zu diesen Themen.
Würden Sie den Stellenwert der IT als hoch einstufen?Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wenn wir einmal einen kleineren Systemausfall haben, was zum Glück nicht oft vorkommt, könnte man zum Schluss kommen, dass ohne IT überhaupt nicht mehr gearbeitet werden kann.
Sie unterscheiden sich also nicht von anderen Unternehmen. Oder doch?Das ist für mich schwierig zu beurteilen. Ein Unterschied ist vermutlich, dass es in einem kreativen Umfeld viel schwieriger ist, Leitplanken und Vorgaben durchzusetzen. Es ist nicht wie auf einer Verwaltung, wo Vorgaben so sind wie sie sind. Kommt hinzu, dass der wesentliche Teil der Arbeitsplätze CAD-Arbeitsplätze sind. Zudem werden sicher viel mehr Spezialapplikationen eingesetzt als in einem Umfeld mit vorwiegend administrativen Arbeitsplätzen. Nicht zu vergessen sind zudem allfällige Erwartungshaltungen von neuen Mitarbeitern – also Architekten – im Bereich Hard- und Software, welche häufig nicht dem bisher genutzten oder gewohnten entsprechen.
Wie viele CAD-Arbeitsplätze zählen Sie?Wir haben rund 150 CAD-Lizenzen im Einsatz. Bei den Programmen, welche wir einsetzen, handelt es sich um Vectorworks und Microstation. Zur Visualisierung wird mit Speziallösungen gearbeitet. Zudem wird im grafischen Umfeld das Softwarepaket Adobe Design Standard mit Photoshop und Indesign genutzt.
Sind das alles Workstations? Oder ganz normale PCs?Es sind Standard-PCs. Wir haben zwei, drei Mal den Einsatz von Workstations getestet und dabei festgestellt, dass sich die höheren Anschaffungskosten nicht lohnen. Zudem sind Leistungsvorteile der Workstations bedingt durch die rasante Entwicklung von Standard-PCs, erst recht wenn wir die Komponenten selber festlegen, relativ rasch eliminiert. Aus diesem Grund definieren wir zusammen mit unserem Systemintegrator jährlich einen Prototyp, der in Bezug auf Leistungsfähigkeit –abgestimmt auf die Anforderungen der bei uns eingesetzten Programme – und Kosten einen optimalen PC-Arbeitsplatz ergibt. Mit diesem Vorgehen sind wir den grossen Herstellern, was die Komponenten unserer Rechner betrifft, meistens etwas voraus.
Sie lassen also speziell für sich PCs assemblieren, wenn ich das richtig verstehe? Lohnt sich das?
Ja, wir lassen unsere PCs assemblieren. Damit bestimmen wir zum einen, zu welchem Zeitpunkt wir Bauteile wechseln und somit Anpassungen in unserem Client-Management-System vornehmen müssen. Zum anderen können wir durch die Wahl der Gehäuse eine einheitliche Gerätelandschaft erzeugen und Leistungsunterschiede bei den Geräten – es können ja nicht immer alle neue Geräte erhalten – sind nicht mit dem Design der Geräte verbunden. Gleichzeitig versuchen wir für einen möglichsten langen Zeitraum dieselben Komponenten zu nutzen. Das vereinfacht die Arbeit mit unserem Client-Management-System, mit dem wir heute alle Software automatisch ausrollen. Wie erwähnt sind wir nur vier Leute in der IT und müssen so ökonomisch wie möglich arbeiten.
Findet man bei Ihren Kunden auch noch Macs?
Vor einigen Jahren arbeitete ein Büro, welches neu in unser IT-System integriert wurde, mit Macs. Es wurde dann eine gewisse Zeit lang versucht, mit Macs und Windows-PCs gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Dabei tauchten viele technische Hürden auf und der Aufwand für eine integre Datenhaltung war dementsprechend gross. Aufgrund der unbefriedigenden Situation und unter Berücksichtigung der eingesetzten Programme wurde dann beschlossen, die Macs durch PCs zu ersetzen.
Mit welcher Windows-Version arbeiten Sie aktuell? 8/8.1?
Aktuell wird Windows 7 Enterprise eingesetzt. Die im letzten Herbst vorgesehene Migration auf Windows 8.1 haben wir aufgrund der Ankündigungen von Microsoft – Startmenü erst in Windows 10, Entwicklungszyklus 8.1 wird gestoppt – nicht ausgerollt. Wir beginnen nun mit den Vorbereitungsarbeiten für eine Migration auf Windows 10, welche unter optimalen Umständen im November, gleichzeitig mit dem jährlichen Ersatzrollout von abgeschriebenen Geräten, beginnen soll.
Wir haben bis jetzt nur über Rechner und Software gesprochen. Zu einem Arbeitsplatz bei Ihnen im Architekturbüro gehört aber sicher auch noch ein grosser und hochwertiger Monitor.
Ja, jeder Arbeitsplatz ist mit einem qualitativ hochwertigen 24-Zoll-Monitor ausgerüstet. Teilweise werden ältere, noch funktionsfähige 20-Zoll-Monitore als Zusatzschirm eingesetzt. Die Diskussion bezüglich einem grösseren 27-Zoll-Monitor beziehungsweisem einem Zusatzschirm mit 24 Zoll wird anlässlich der Budget- gespräche für 2016 aufgenommen.
Wie sieht es mit mobilen Arbeitsplätzen aus, beispielsweise auf Baustellen?
Natürlich haben wir auch viele Mitarbeitende mit Notebooks ausgerüstet. Die sind vor allem zwischen den Büros unterwegs. Und wie sie richtig vermutet haben, haben wir noch Baustellen, mit in der Regel zwei bis drei Arbeitsplätzen. Das sind meistens mobile Arbeitsplätze, weil das schon rein lizenzpolitisch Sinn macht. Es würde sich nicht lohnen, zwei Geräte pro Mitarbeiter einzusetzen. Unsere «Baubüros» verfügen über einen Internetzugang und haben via einen VPN-Tunnel Zugriff auf das zentrale System. Gezeichnet wird an solchen Aussenstellen nicht.
Sie sprechen von Notebooks. Tablets gibt es bei Ihnen nicht?
Wir haben lange darüber diskutiert, aktuell sind sie aber noch kein Thema. Wie Sie vielleicht bereits bemerkt haben, sind wir eher konservativ ausgerichtet. Handys können bei uns zusätzlich zum Management von Fotos, beispielsweise auf Baustellen, oder für das Abgleichen der Mails vom Exchange Server genutzt werden. Der Einsatz von privaten Tabletts ist gestattet, ein Datenaustausch findet jedoch nur via Cloud statt. Wir haben auch noch kein BYOD-Konzept im Einsatz. Davon haben wir bis jetzt abgesehen.
Über was für Themen diskutieren Sie aktuell sonst noch? Was für Herausforderungen gibt es?
Ganz viele und ganz verschiedene. Kurzfristig ist die bereits angesprochene Migration auf Windows 10 die grösste Herausforderung. Wir werden bestrebt sein, diese im Labor soweit abzusichern, dass ein auf die Firmen abgestimmtes schrittweises Rollout, Standort- und Firmen-getrennt, erfolgreich abgewickelt werden kann.
Planen Sie auch Schulungen für Windows 10?
Wir werden das mit den Firmen noch anschauen. Es wäre eigentlich angebracht, denn seit der Einführung von Windows 7 vor vier Jahren, als wir eine eintägige Rundumschulung für alle Mitarbeitenden durchgeführt haben, inklusive Office 2010, sind doch einige neue Mitarbeitende dazu gekommen.
Bleiben Sie bei Office 2010?
Wir haben vorgesehen, mit der Migration auf Windows 10 auch gleich auf Office 2013 oder eventuell sogar Office 2016 zu migrieren. Der Wechsel von 2010 auf 2013 oder 2016 ist jedoch sehr minim und da braucht es vermutlich keine Schulung. Aber es ist auch hier noch nichts entschieden. In einem Umfeld mit unterschiedlichen Voraussetzungen beziehungsweise Anforderungen ist eine optimale Bestimmung des Inhalts einer Schulung sehr wichtig.
Können Sie das noch etwas ausführen?
Der IT-Level unserer Anwender ist unterschiedlich. Die Personen, die ursprünglich nur von Hand gearbeitet haben, gibt es immer weniger, aber es gibt sie noch. Dazu kommen immer mehr junge Mitarbeitende, die mit Informatik aufgewachsen sind beziehungsweise ihre Ausbildung oder ihr Studiums voll «informatisiert» abgeschlossen haben. Unabhängig davon gibt es, wie überall, Power- und Weniger-Power-User.
Was ist nach der Migration auf Windows 10? Welche strategischen Herausforderungen stehen danach an?
Wir machen uns laufend Gedanken über das Gesamtkonzept der IT und ob unser IT-System auf die Zukunft ausgerichtet ist. Wir betreiben heute eigentlich an mehreren Standorten ein lokales Datacenter, mit Servern, Festplattenspeicher und so weiter. Das führt zu einer grossen Menge an physischen wie virtuellen Servern und Lizenzen und dementsprechendem Betreuungsaufwand. Unter Berücksichtigung verschiedenster Aspekte wie Vergrösserung von Bandbreiten im WAN, Optimierung des Backups sowie zukünftigem Ersatz von den NAS-Systemen, immer verbunden mit allfällig laufenden Dienstleistungsverträgen, prüfen wir mögliche Optionen für eine Ergänzung, einen Ausbau beziehungsweise einen Umbau des bestehenden Systems. Die grosse Herausforderung besteht darin, dass alle Massnahmen eine Überführung des Bestehenden in das Neue unterstützen müssen beziehungsweise dass keine unnötigen Investitionen ausgelöst werden. Die Finanzen müssen immer im Auge behalten werden.
Ist die Cloud ein Thema?
Durchaus. Im Rahmen unseres Volumenlizenzvertrags mit Microsoft überlegen wir uns, ob das Lizenzmodell, das wir haben – wir lizenzieren im Moment noch per Device – das richtige ist oder ob es sich eventuell lohnen würde, zum Beispiel auf Office 365 zu wechseln. Wir stellen uns momentan auch die Frage, ob es ein Thema wäre, Exchange aus der Cloud zu beziehen und falls ja, aus einer eigenen oder aus der eines Dienstleisters, wie zum Beispiel Microsoft selber. Hier geht es dann vor allem um Datenschutzaspekte.
Die Datenhaltung im Ausland ist also ein Problem?
Ja. In vielen Projekten, die wir für Bauherren durchführen, müssen wir gewisse Datenschutzbestimmungen erfüllen. Darin heisst es dann zum Beispiel, dass die Daten die Schweiz nicht verlassen dürfen. Das war mit ein Grund, warum wir auch relativ lange gesucht haben, bis wir einen Anbieter gefunden haben, der uns eine E-Mail-Archivierung als Software as a Service inklusive Garantie, dass die Daten nur in der Schweiz gespeichert werden, anbieten konnte. Anlässlich der Evaluation haben wir übrigens festgestellt, dass nicht immer das drin ist, was drauf steht.
Wie steht es um Ihr Budget?
Das ist immer etwa gleichbleibend, jedoch mit Wellen nach oben oder unten, analog unseren Erneuerungszyklen. Wir versuchen permanent zu schrauben, um unsere Kosten möglichst tief zu halten, trotzdem sind sie immer wieder ein Thema. Die Vorstellung und die Erwartungshaltung, die man an die IT hat, nämlich dass sie immer und möglichst unterbruchsfrei funktioniert, hat allerdings einfach ihren Preis.
Zum Glück haben Sie keinen 7x24-Stunden-Betrieb.
Das denken Sie, wir sind unterdessen effektiv fast ein 7x24-Stunden-Betrieb. Wir haben heute Schwierigkeiten überhaupt noch Zeitfenster für Systemwartungen zu kriegen. Fast immer sind an irgendeinem Standort Arbeiten im Gange, zum Beispiel ein Wettbewerb, wo eine Abgabe erfolgen muss und deshalb auch bis tief in die Nacht gearbeitet wird. Sogar am Sonntagvormittag oder -abend ist häufig jemand am Arbeiten.
Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft: Was halten Sie von Microsofts Virtual-Reality-Brille Hololens?
Ich muss gestehen, dass ich mich damit bis jetzt nicht beschäftigt habe. Es ist so, dass in den letzten Jahren viele Programme aufgekommen sind, mit denen man mit einfachsten Mittel virtuelle Modelle erstellen kann. Mit speziellen Visualisierungen ist es auch bereits möglich, den Bauherrn virtuell durch sein Gebäude wandern zu lassen oder Kunden von etwas zu überzeugen, was sie sich vielleicht noch nicht genau vorstellen können – einfach am Bildschirm. In diesem Zusammenhang könnte so eine Brille, die man den Interessenten aufsetzen und sie dann noch realer durch ein Modell laufen lassen kann, allenfalls ein interessantes Thema werden.
(mv)