Swiss IT Magazine: Habegger realisiert Events im In- und Ausland, an denen auch viel IT zum Einsatz kommt. Inwieweit sind Sie und Ihr Team bei solchen Events involviert?
Rémy Schwarz: Für diese Frage muss ich etwas ausholen. Als ich im Jahr 2006 bei Habegger angefangen habe, kümmerte sich ein Team sowohl um die interne IT als auch um die Dispo-IT – sprich die IT, die als modulare Pakete in unserer Disposition für Veranstaltungen gebucht werden kann. Über die Jahre ist Habegger aber stark gewachsen, es sind mehr Grossaufträge und mehr fixe Venues dazugekommen. Dies hatte zur Folge, dass man die IT aufteilen musste. Entsprechend wurde eine Kerngruppe für die interne IT und eine für das Eventgeschäft geschaffen. Ich habe mich im Zuge dieser Änderung auf den internen Bereich konzentriert, hatte und habe aber immer noch Mandate bei einigen Projekten, bei denen ich stark involviert war und bin.
Wie spannend ist die IT-Tätigkeit im Eventumfeld?Sehr spannend, aber in vielen Belangen völlig anders als die herkömmliche Tätigkeit eines IT-Spezialisten. Projektpläne über mehrere Monate hinweg gibt es nicht, und Verschiebungen, wie sie in IT-Projekten häufig vorkommen, kann man sich im Eventgeschäft nicht leisten. Wenn der Event abends um 20:00 Uhr beginnen soll, dann beginnt er pünktlich um 20:00 Uhr. So entwickelt man sehr sportliche und kreative Lösungsansätze. Aber man baut niemals Lösungen in einer Tiefe, mit einer Qualität und einer Ausfallssicherheit, wie man das in einer herkömmlichen Umgebung tun würde. In der Regel sind die Lösungen nur temporär, nach einem Event wird alles wieder abgebrochen. Die Qualitätsansprüche sind ganz unterschiedlich, entsprechend ist auch die Arbeitsweise eine ganz andere. Das Motto lautet: «Wenn’s läuft, ist gut», was eigentlich der Natur des Informatikers widerspricht. Er ist geschult, alles möglichst genau zu planen, zu installieren und über eine gewisse Zeit zu prüfen und genauestens für spätere Ereignisse zu dokumentieren.
Obwohl das spannend war, haben Sie sich dazu entschieden, sich um die interne IT zu kümmern. Weshalb?Das kommt wohl daher, dass ich letztlich doch gelernter Informatiker bin und mich in dieser klassischen Definition der Rolle am wohlsten fühle. Zudem hatte ich zum Zeitpunkt der Aufteilung eine Vision, wie die Habegger-IT in den kommenden fünf Jahren funktionieren sollte, damit sie auf sicheren Pfeilern steht. Denn genauso wie das Unternehmen rasant gewachsen ist, so ist auch die IT gewachsen. Vieles wurde – wie im Eventgeschäft – einfach so konzipiert, dass es im Moment läuft. Ein langfristiges Konzept fehlte aber. Das Ziel war es, über fünf Jahre eine saubere IT aufzubauen, die für eine Firma dieser Grösse angemessen ist und auch über IT-spezifische Standards verfügt.
Und dieses Fünfjahresprojekt haben Sie inzwischen abgeschlossen?Ja, ein grosser Teil des Efforts wurde geleistet, wir haben viel umgesetzt und angepasst. Was wir zuletzt beispielsweise realisiert haben, ist der Ersatz unseres Mailservers, den wir lokal im Haus hatten, durch eine Office-365-Umgebung. Für den Anwender ändert sich dadurch zwar nicht viel, für die Betriebs- und Ausfallsicherheit aber war das ein grosser Schritt in die richtige Richtung.
Können Sie die Besonderheiten ihrer ICT-Infrastruktur erläutern?Eine Besonderheit ist sicher, dass wir fast ausschliesslich auf Mac OS X setzen. Wir sind im KMU-Umfeld einer der grössten Nutzer von OS X in der Schweiz. Bei den Endgeräten setzen wir vor allem auf Macbook Pro, was sich bewährt hat, weil unsere Mitarbeiter häufig dezentral arbeiten – sei dies an Events, im Home Office oder auf Reisen.
Wieso haben sich die Macbook Pro bewährt?Einerseits können die Anwender – salopp gesagt – bei einem Mac-System nicht viel falsch machen. Andererseits ist die Lebensdauer der Endgeräte höher – ein Macbook Pro ist bei uns gut drei bis vier Jahre in Betrieb. Hinzu kommt, dass die Plattform intuitiv ist und die eingesetzten Programme stabil laufen.
Ergeben sich auch Nachteile dadurch, dass Sie auf OS X setzen?Ein Nachteil ist sicher, das teilweise Lösungen Out of the Box fehlen oder man weniger Erfahrungswerte hat. Ein Beispiel: Bei uns kommt Open Directory zum Einsatz, Apples Umsetzung des LDAP-Verzeichnisdiensts in Mac OS X, über das wir die gesamten Benutzerberechtigungen und die Verwaltung steuern. Die Anbindung an Office 365 haben wir allerdings noch nicht gemacht. Diese wird zwar unterstützt, es gibt zurzeit aber erst wenige Erfahrungswerte, weshalb wir mit der Umsetzung noch etwas zuwarten.
Was ist sonst noch speziell in Ihrer IT?Wir haben bislang auch im Server-Umfeld stark auf Apple gesetzt, sind aktuell aber daran, diese zu ersetzen. Dabei möchten wir nicht auf Windows setzen, sondern bauen auf eine Vmware-ESX-Umgebung, auf der virtuelle Debian-Linux-Hosts laufen.
Kommen Sie komplett ohne Windows aus?Nein, nicht ganz. Die Buchhaltung, wo wir Abacus einsetzen, ist unsere Windows-Insel. Für Windows spricht unter anderem die Anbindung an die Bankensysteme oder die digitale Archivierung mit Scannern und dazugehörigen Treibern, was mit Windows letztlich einfacher ist.
Ist Ihnen das ein Dorn im Auge?Nicht unbedingt. Es macht einfach unsere Arbeit schwieriger, weil wir am Ende des Tages zwei Welten supporten müssen.
Habegger ist ein sehr Technologie-lastiges Unternehmen, mit einer eigenen Event- und Architekturabteilung, einem Venue Service und einer Content-Produktion. Was bedeutet das für Sie als IT-Leiter?
Gerade Letztgenanntes – die Content-Produktion – bedeutet für mich als IT-Leiter vor allem enorme Datenmengen. Die Abteilung generiert im Moment monatlich ein Backup-Volumen von rund 60 Terabyte – verglichen mit rund einem Terabyte an Daten, die die gesamte übrige IT für das monatliche Backup generiert. Zur Verarbeitung dieser Datenmengen haben wir eine Tape Library von Tandberg im Einsatz, die mit einem Fibre-SAN zusammenspielt, das wiederum direkt mit den Content-Produktion-Arbeitsplätzen verbunden ist. In diesem SAN können die Daten auch zentral angeliefert, gehalten und bearbeitet werden, bevor sie nach Abschluss der Arbeit dann auf Tape redundant gesichert werden.
Ich kann mir auch vorstellen, dass die Habegger-Mitarbeiter ziemlich IT-affin sind. Bringt das für Sie und Ihr Team besondere Herausforderungen mit sich?
Dadurch, dass wir eine sehr junge und dynamische Firma sind, ist bei den Mitarbeitern ein relativ hoher Wissenstand vorhanden, was Technologie betrifft. Es gibt bei uns wenige Mitarbeiter, die sich nicht trauen, etwas selbst zu konfigurieren. Natürlich gibt es auch Mitarbeiter, die dabei etwas übers Ziel hinausschiessen. Doch ich darf sagen, dass der Nutzen durch das, was die Mitarbeiter selber leisten, grösser ist als der Aufwand, den sie dadurch generieren. Entsprechend geben wir unseren Mitarbeitern auf allen Geräten Administratorenrechte, sie können also alles mit den Geräten machen. So erbringen sie sehr viel Eigenleistung und dadurch, dass man in OS X eigentlich kaum etwas falsch machen kann, funktioniert das eigentlich sehr gut. In einer Windows-Welt wäre eine solche Strategie wohl undenkbar.
Sie haben es angesprochen: Habegger-Mitarbeiter sind viel unterwegs. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Das bringt vor allem die Herausforderung mit sich, dass wir kaum IT ausschliesslich nur innerhalb der Firma anbieten können. Unsere Mitarbeiter können ortsunabhängig praktisch die gesamte Infrastruktur nutzen. Unser ERP und unsere Auftragsverwaltung sind via Browser und HTTPS zugänglich. Beim Ersatz unserer Telefonanlage haben wir bewusst auf VoIP anstelle von DECT gesetzt. Wir haben nun eine Anlage von Aastra im Einsatz, die mit Softphones arbeitet, ähnlich wie man das von Lync kennt. So können unsere Mitarbeiter auch von unterwegs über ihre Festnetznummer telefonieren, entweder via Rechner und Headset, oder über das eigene Smartphone.
Zum Thema Smartphone: Welche Strategie fährt Habegger hier?
Wir haben hier schon länger eine Bring-your-own-Device-Strategie eingeführt, die vorsieht, dass der Mitarbeiter sein eigenes Gerät für die Arbeit benutzt, Habegger aber die SIM-Karte bereitstellt und das Abo bezahlt. Hier sind wir aktuell gerade mit Swisscom an einem Pilot beteiligt, in dessen Rahmen wir ein neues Abo-System testen – quasi ein Infinity-Abo für Geschäftskunden.
Nebst dem Hauptsitz hier in Regensdorf hat Habegger nicht nur Filialen in der Schweiz, sondern auch in Österreich, Italien oder in Katar. Managen Sie die IT für all diese Standorte von hier aus?
Ja, wir betreuen unsere Aussenstandorte von Regensdorf aus. Eine Ausnahme bildet Österreich, wo wir über 60 Leute beschäftigen und wo vor Ort noch ein Supporter beschäftigt ist. Ausserdem haben wir in Österreich einen Dienstleistungspartner, der uns bei grösseren Installationen oder Problemen unterstützt.
Können Sie noch etwas zu aktuellen Projekten erzählen?
Ein Projekt, das wir eben abgeschlossen haben, war die erwähnte Office-365-Migration. Das nächste grössere Projekt betrifft den Austausch unserer Firewalls. Wir haben jüngst unseren Glasfaseranschluss auf synchrone 100 Mbit/s erhöht und zudem für eine redundante Leitung gesorgt, weil wir unter anderem unsere Dateiablage nach aussen öffnen werden. Es können neu Projekte durch unsere Mitarbeiter abonniert und auf ihre Devices synchronisiert werden. Dadurch wird erheblich mehr Traffic generiert werden, was Einfluss auf die Firewall und vor allem auf das Application Filtering haben wird. Wir sind aktuell daran, mit Hersteller Fortinet und mit Boll Engineering in Wettingen eine Lösung zu finden.
Gibt es allenfalls Projekte, die erst in der Pipeline stecken?
Ja, unsere Serverinfrastruktur in der Content-Produktion wird kommendes Jahr ersetzt. Wir sprechen hier von einer 100’000-Franken-Investition allein für die Server, die wir seit knapp fünf Jahren für das Daten-Handling im Einsatz haben. Durch das zunehmende Aufkommen von 4K-Video brauchen wir hier performantere Systeme, die Evaluation wird hier diesen Herbst noch beginnen.
Was würden Sie momentan als die grösste Herausforderung in Ihrem Job bezeichnen?
Die grösste Herausforderung für uns als IT-Team ist, dass wir quasi einen 20-Stunden-Betrieb aufrechterhalten müssen. Unsere Mitarbeiter arbeiten nicht nur zu Bürozeiten und einige Stunden darüber hinaus, sondern durch die Natur unseres Geschäfts auch bis spät in die Nacht, schichtweise und auch an Wochenenden. Anspruchsvoll wird es beispielsweise auch bei der Planung von Wartungsfenstern oder grösseren Umstellungen.
Wie steht es um Ihren Stellenwert als IT-Leiter innerhalb des Unternehmens?
Die Wahrnehmung ist sicher nicht dieselbe wie in einem Unternehmen, in der IT die Kernkompetenz ist und somit auch ein Faktor, der Umsatz bringt.
Aber IT ist doch ein sehr zentraler Aspekt in Ihrem Unternehmen?
Das ist schon so, aber gerade die interne IT ist vor allem auch ein Kostenblock. Ich kenne im Prinzip beide Seiten, wir vertreten ja wie eingangs erwähnt auch IT-Dienstleistungen im Rahmen von Eventprojekten. Wenn ich als IT-Dienstleiter unterwegs bin, ist es wesentlich einfacher, eine Investition zu rechtfertigen, da die Investition auf dem nächsten Projekt umgehend wieder für Einnahmen sorgt. Interne Investitionen hingegen generieren nur insofern Umsatz, als dass die Mitarbeiter effizienter arbeiten können. Und das ist manchmal schwierig zu argumentieren und aufzuzeigen.
Ist dies ein Umstand, mit dem Sie manchmal kämpfen, selbst in einer Technologie-lastigen Firma wie Habegger?
Auch bei uns ist wichtig, dass ich als Leiter IT aufzeigen kann, was eine IT-Investition der Firma bringt. Dabei muss ich gar nicht versuchen, eine Investition fachlich zu rechtfertigen. Die Geschäftsleitung soll hinter die technische Lösung sehen und den effektiven Nutzen der Investition wertschätzen können. Man muss die Lösung also soweit formulieren, dass der Nutzen für das Unternehmen klar ersichtlich wird. Das ist manchmal herausfordernd, aber der richtige Weg, um zum Ziel zu gelangen.
Rémy Schwarz
Rémy Schwarz (30) verantwortet als Leiter IT Services bei Habegger zusammen mit drei Mitarbeitern die interne IT für rund 160 Festangestellte. Habegger mit Sitz in Regensdorf gehört mit zu den bedeutendsten Eventdienstleistern in der Schweiz, setzt jährlich rund 1800 Projekte um und unterhält zudem Niederlassungen in Österreich, Italien und Katar. Seine Tätigkeit für Habegger begann Schwarz vor zehn Jahren als Event-IT-Supporter, die Leitung für die interne IT übernahm er 2011.
(mw)