Swiss IT Magazine: Herr D’Ambrosio, beginnen wir mit etwas ganz Aktuellem: Im April hat Quickline Business das gemäss eigenen Angaben modernste Datacenter der Schweiz eröffnet. Inwieweit waren und sind Sie in das Projekt involviert?
Igor D’Ambrosio: Mein Team und ich zeichnen bis heute für den Betrieb und den Unterhalt des neuen Rechenzentrums verantwortlich. Wir haben das Projekt Datacube vor zwei Jahren ausgearbeitet und die Rahmenbedingungen erstellt, dann jedoch bewusst einen externen Projektleiter gesucht, weil wir innerbetrieblich bereits genug zu tun hatten. Schliesslich konnten wir André Opermann, eine Koryphäe auf diesem Gebiet, verpflichten. Wir erklärten ihm, wie wir uns alles vorstellen, und ab diesem Moment haben wir dann nicht mehr direkt auf das Projekt Einfluss genommen – auch weil wir eine relativ kurze Bauzeit einhalten mussten. Alle Anforderungen und Ideen, die während dem Projekt aufgetaucht sind, haben wir versucht zu sammeln und werden wir nun nach und nach umsetzen.
War das das erste Rechenzentrum, das sie gebaut haben?
Nein, wir haben bereits als EBM Telecom damit begonnen, hier in Münchenstein Datacenter aufzubauen und gesehen, dass dadurch eine tolle Konvergenz mit unserem restlichen Service-Angebot entsteht.
Gab es spezielle Anforderungen? Oder auf was haben Sie speziell geachtet beim neuen Datacenter?
Da ich dafür sorgen musste, dass der ganze Betrieb möglichst effizient gewährleistet werden kann, habe ich darauf geachtet, dass ich möglichst viele Informa-
tionen aus dem Gebäude herausziehen kann – und das möglichst in Echtzeit. Denn je früher wir etwas erkennen, desto schneller können wir reagieren. Wir haben heute die Möglichkeit, das Gebäude praktisch ohne Personal aus der Ferne zu führen, also inklusive allen Kameras und der Video-Überwachung. Wir können via die Kameras sogar bidirektional mit den Leuten vor Ort sprechen. Natürlich gibt es aber gewisse Einschränkungen, also Dinge, die auch wir aus Sicherheitsgründen nicht dürfen.
Wer hat sich um die Sicherheit im neuen Datacenter gekümmert?
Die ganzen Prozesse rund um die Sicherheit wurden von uns gezeichnet, da sie sehr zentral sind. Bei einem Datacenter geht es nicht in erster Linie um die Effizienz, die Sicherheit ist hier das A und O.
Inwieweit haben Sie von den Datacenter-Projekten profitiert?
Als wir 2008 mit dem Datacenter-Bau begonnen haben, war das für uns eine grosse Herausforderung, da völlig andere Disziplinen gefragt waren als die, die wir kannten. Themen wie HLK, also Heizung, Lüftung und Klimatechnik, aber auch die ganzen Stromgeschichten waren für uns Neuland. In der Zwischenzeit haben wir in diesen und vielen weiteren Bereichen viel Know-how gewonnen. Die ganze Datacenter-Welt hat uns in der Professionalität und der Effizienz unserer Abläufe insgesamt sehr nach oben gehoben.
Können Sie das etwas ausführen?Quickline Business ist von einem Viermannunternehmen im Jahr 2007 auf mittlerweile 40 Mitarbeitende gewachsen. Am Anfang gingen wir sehr pragmatisch vor, auch weil wir nicht viel Geld hatten. Wir haben uns beispielweise weniger um Dinge wie das Change Management gekümmert. Im Zusammenhang mit dem Bau des Datacube haben wir vor anderthalb Jahren nun damit begonnen, eine effiziente Prozesslandschaft aufzubauen. Wir sind aber nicht nur technisch oder organisatorisch, sondern bestimmt auch menschlich gewachsen, wenn ich zurückblicke.
Sie haben eingangs die Worte «bis heute» gewählt. Wird sich am Betrieb der Datacenter von Quickline Business also bald etwas ändern? Wir haben feststgestellt, dass wir neben uns IT-Spezialisten parallel noch eine spezielle Organisation mit HLK- und Elektrotechnikern aufbauen müssen, um unsere Rechenzentren in den Dimensionen, in denen wir uns aktuell bewegen, weiterhin professionell betreiben zu können. Dank unseren Ausbildungen konnten wir bis jetzt alles selber abdecken, aber wir müssen uns nun auch wieder verstärkt auf das ISP-Geschäft konzentrieren.
Inwieweit unterscheidet sich denn das Datacenter- vom ISP-Geschäft?
Im Datacenter-Business geht es in meinen Augen um Dinge wie Stabilität, Langfristigkeit und Nachhaltigkeit. Das ISP-Geschäft ist viel schnelllebiger. Hier gilt es, dynamisch zu sein und möglichst schnell mit neuen Produkten auf den Markt zu kommen. Man muss sich hier ständig mit der Konkurrenz messen. Das erfordert eine unterschiedliche Mentalität.
Welchen Stellenwert hat die IT in Ihrem Unternehmen?
Der Stellenwert ist sehr hoch, denn die IT ist die Basis dafür, dass die Leute hier ihren Job machen können. Aber die IT soll nicht spürbar sein, sondern die User einfach bei der Arbeit unterstützen.
Es sieht bei einem Internet-Provider also nicht anders aus als in anderen Unternehmen.
Nein, ich glaube nicht. IT ist an und für sich IT, egal wo. Aber bei der Art und Weise, wie man die IT einsetzt, da gibt es vermutlich schon Unterschiede. Ein Internet-Provider ist bestimmt näher am aktuellsten Stand der Technik als andere Unternehmen – zumindest gilt das für mich und mein Team. Wenn wir Technologien sehen, die uns die Arbeit erleichtern können, dann nehmen wir die sehr schnell an und entwickeln rasch einen grossen Enthusiasmus dafür. Der daraus entstehende Nutzen beziehungsweise die Effizienzsteigerung versuchen wir dann den Usern zugutekommen zu lassen.
Bleiben wir bei Ihrem Team. Wie sieht die IT-Abteilung von Quickline Business aus?
Wir haben keine klassische IT-Abteilung mit Betriebstechnikern, die typische Routinejobs machen, wie das in anderen Unternehmen der Fall ist. Wir haben viel mehr ein Team aus Engineers, also Architekten, die Lösungen auf den Kundenbedarf zuschneiden. Die neun Mitarbeitenden stellen ausserdem auch den Kunden-
Support sicher. Die ganze Organisation ist also stark nach aussen hin zum Kunden ausgerichtet.
Sie kümmern sich aber auch noch um die interne IT?
Das ist richtig, aber eigentlich nur nebenbei. Früher, als wir noch zu EBM gehörten, hatten wir eine Abteilung Betriebsinformatik, die sich darum kümmerte. Das war einerseits ganz schön, andererseits hat es aber auch zu vielen Spannungen geführt, weil dieses Team oft nicht mit unseren Anforderungen Schritt halten konnte. Wenn man zwei Techniker-Teams hat und die einen gerne möchten und auch könnten, aber nicht dürfen und warten müssen, dann ist das nicht optimal. Als wir an Quickline verkauft wurden, war das insofern schon eine gewisse Erleichterung. Aber gleichzeitig haben wir unterschätzt, wie viel Zeit der Betrieb benötigt.
Das heisst, Sie ändern jetzt etwas daran?
Wir haben uns entschieden, dass wir die interne IT auch in Zukunft noch selber definieren, Ideen einbringen und Konzepte schreiben wollen, die Ausführung aber auslagern. Es gibt viele Firmen, die genau darauf spezialisiert sind und das effizienter können als wir. Grundsätzlich muss die interne IT einfach funktionieren – und in unserem speziellen Fall zusätzlich auf dem neuesten Stand sein.
Haben Sie bereits einen Partner dafür gefunden?
Ja, wir haben uns für Bison IT Services entschieden. Sie haben unsere Bedürfnisse verstanden und wir haben zusammen eine Lösung gefunden, die für beide Seiten passt. Wir mussten dabei zwar ein paar Eingeständnisse machen, konnten jedoch auch ein paar spezielle Dinge durchsetzen. Unsere Wireless-Lösung, die wir auch unseren Kunden anbieten, werden wir zum Beispiel auch in Zukunft selber betreiben, ganz getreu dem Motto «eat your own dog food». Alle Technologien, die wir unseren Kunden anbieten, nutzen wir auch selber und zwar nicht nur im Lab, sondern auch im Tagesgeschäft.
Wie sieht ein typischer Arbeitsplatz bei Quickline Business heute aus?
Man findet bei uns ganz unterschiedliche Arbeitsplätze. Standardmässig gibt es aktuell zwei Monitore und ein Notebook oder eine Workstation. Ab einem gewissen Grad gibt es auch beides. Sonst schreiben wir nichts vor. Jede Abteilung hat ihren eigenen Geschmack, aber auch die Leute arbeiten individuell ganz unterschiedlich. Es gibt solche, die brauchen zum Beispiel gar kein Festtelefon mehr und arbeiten nur noch mit dem Handy, bei anderen ist es genau umgekehrt. Wir bieten alles an, zwar keine Customized-Lösungen, aber eine grosse Palette. Ich weiss nicht, ob das sonst ebenfalls üblich ist, aber mir war das immer wichtig. Ich sehe eine IT-Abteilung als Dienstleister für den User. Wir sind die, die ihm das Leben einfacher machen können und müssen. Und da jeder Mensch ein Individuum ist, muss man ihm auch eine gewisse Individualität zugestehen – soweit das natürlich möglich ist.
Gibt es überhaupt keine Einschränkungen, auch nicht bezüglich der Software, die genutzt wird?
Nein, bei uns hat jeder User Admin-Rechte und kann machen, was er will. Wir haben ein Grund-Image, das wir verteilen und jeder kann darauf installieren, was er möchte. Logischerweise darf niemand einen Blödsinn machen, aber das unterschreibt er, wenn er bei uns beginnt. Wir haben dafür ein IT-Datenschutzblatt, auf dem genau erläutert wird, was man darf und was nicht. Damit haben wir bis jetzt eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht. Natürlich kann trotzdem etwas passieren. Dafür haben wir aber vorgesorgt.
Was für Herausforderungen warten neben dem Outsourcing an Bison sonst noch auf Sie?
Da gibt es ganz viele, in ganz verschiedenen Bereichen. Wir sind unternehmensintern, also mit unserem Schwesterunternehmen Quickline in Nidau, aktuell zum Beispiel gerade daran das Thema Collaboration und Lösungen zu prüfen, dank denen die beiden Firmen in Zukunft noch besser zusammenarbeiten können. Auch wenn wir gesetzlich zwar zwei getrennte AGs sind und sich die eine eigentlich auf das B2C- und die andere auf das B2B-Geschäft fokussiert, läuft sehr viel ineinander. Das muss es auch.
Um was für Lösungen geht es konkret?
Es geht hier zum Beispiel um eine gemeinsame AD-Infrastruktur und Office 365. Auch die Videokonferenzlösungen von Lifesize sind momentan Produkte, die wir einerseits vertreiben, und andererseits auch selber einsetzen wollen. Wie bei unseren Kunden versuchen wir auch intern die Kommunikation des Menschen anhand von Technik effizienter und natürlicher zu gestalten.
Das mag bei Ihnen vielleicht gelingen. Aber gelingt das auch bei Ihren Kunden? Gerade Videokonferenzlösungen sind vielerorts noch immer ein rotes Tuch.
Wir stellen fest, dass viele Unternehmen tatsächlich noch gar nicht erkannt haben, was technisch überhaupt möglich ist. Viele fahren für ein Meeting nach wie vor von A nach B, unter Umständen quer durch die Schweiz, obwohl es heutzutage eigentlich Lösungen gäbe, um diesen Leerlauf zu vermeiden. Die Akzeptanz ist natürlich noch einmal etwas anderes. Wir, die eventuell eher affin dafür sind, springen vielleicht tatsächlich schneller auf. Bei unseren Kunden müssen wir hingegen meistens mit dem Geld, also Effizienzsteigerungen oder Ersparnissen argumentieren – dann steigen aber auch sie fast immer ein.
Gibt es weitere Projekte? Vielleicht etwas weiter in der Zukunft?
Ich habe ganz viele Ideen, die ich in Zukunft vorantreiben möchte. Für mich sind zum Beispiel die Input-Interfaces, die wir heute nutzen, also Maus und Tastatur, viel zu langsam. Da gibt es mittlerweile viel bessere Lösungen. Wenn wir einmal ein bisschen weniger Stress haben, werde ich diesbezüglich sicher ein paar Projekte lancieren.
Können Sie uns schon etwas mehr verraten? In welche Richtung soll es gehen?
Ich habe mir vor kurzem Gedanken darüber gemacht, dass wir im Datacenter eine Augmented-Reality-Brille einsetzen könnten. Stellen Sie sich vor, sie stehen im Rechenzentrum vor einem Schaltschrank und sehen live was darin geschieht. Ich möchte sogar so weit gehen, dass wir im Datacenter alleine mit Bewegungen und Spracheingabe alles steuern können, also dass der Techniker quasi zu einem Teil des Datacenters wird, sobald er die Brille aufsetzt. Ich denke das ist machbar mit der Technologie, die es heute gibt, man hat es in diesem Kontext einfach noch nie zusammengeführt.
Fällt es Ihnen dank so spannenden Projekten wie dem eben beschriebenen einfach, qualifizierte Informatiker zu finden? Oder ist der Fachkräftemangel auch bei Ihnen ein grosses Thema?
Ouh, ja, der Fachkräftemangel ist sogar ein sehr grosses Thema. Das spüren wir ganz extrem. Ich kann ein ganz aktuelles Beispiel machen: Ich hatte kürzlich eine Stelle für einen System Engineer ausgeschrieben und 25 Bewerbungen erhalten. Davon konnten wir nur eine Person zu einem Gespräch einladen. Ok, die Anforderungen, die wir stellen, sind auch extrem hoch. Ein normal ausgebildeter Informatiker hat in dem Bereich, in dem wir uns bewegen, fast keine Chance. Er muss im wahrsten Sinne des Wortes ein Bastler und wirklich ein Crack sein. Man muss ausserdem ein ganzheitliches Verständnis für die IT haben. Techniker werden bei uns nicht so eingesetzt, dass sie nur für einen bestimmten Bereich zuständig sind. Wir haben zwar Netzwerker und Systemler, erwarten aber, dass sie im Notfall auch Probleme des jeweils anderen lösen können. Die Schere der Spezialisierung wird jedoch auch bei uns immer grösser.
Was machen Sie gegen den Fachkräftemangel?
Die Ausbildung ist sehr wichtig. Wir werden diesen Sommer darum erstmals selber einen Informatiklehrling ausbilden. Das ist in unseren Augen der einzige Weg, wie wir unseren Nachwuchs sicherstellen können. Auf dem Markt muss man schon sehr viel Glück haben, dass man jemanden findet, der passt und dann auch noch bezahlbar ist. Internet-Provider bezahlen in der Regel nämlich nicht die Löhne wie sie Banken oder Pharma-Unternehmen zahlen können – darum haben wir auch viele jüngere Leute bei uns, die übrigens sehr profitieren können. Die Berufserfahrung, die man bei uns kriegt, ist sehr wertvoll. Wenn jemand von hier weggeht, dann stehen ihm als rundum ausgebildetem Ingenieur alle Türen offen.