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CIO-Interview: «Für Projekte haben wir einen IT-Reservefonds»
Quelle: Pro Senectute Schweiz

CIO-Interview: «Für Projekte haben wir einen IT-Reservefonds»

Die Hauptaufgabe von Bernd Lienberger ist es als Leiter des IT-Kompetenzcenters von Pro Senectute, gesamtschweizerische IT-Projekte zu koordinieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2015/04

     

Swiss IT Magazine: Können Sie zum Start ausführen, was Pro Senectute genau macht?
Bernd Lienberger:
Wir sind seit 1917 im Dienste der älteren Menschen tätig und haben heute über 130 Beratungsstellen. Damit sind wir die grösste Schweizer Organisation im Altersbereich. Insgesamt arbeiten rund 1000 Festangestellte bei uns, weitere rund 15’000 sind auf freiwilliger Basis für Pro Senectute tätig. Als Non-Profit-Organisation bieten wir unter anderem kostenlose Sozialberatung für ältere Menschen und deren Angehörige. Daneben können wir aber auch mit Dienstleistungen im Bereich «Hilfen zu Hause», wie beispielsweise dem Fahr- und Mahlzeitendienst, sowie Kursen in den Bereichen Sport und Bildung aufwarten. Unser Ziel ist es zudem, im Rahmen von Generationenprojekten die Kontakte zwischen Alt und Jung zu stimulieren.


Pro Senectute verfügt über eine föderale Struktur mit einem nationalen Gedanken. Das heisst, es gibt jeweils kantonale, rechtlich unabhängige Stiftungen oder Vereine. Die Koordination zwischen diesen einzelnen kantonalen Pro-Senectute-Organisationen und dem Bund obliegt derweil der Dachgesellschaft Pro Senectute Schweiz mit Sitz in Zürich.

Werden die kantonalen Pro-Senectute-Organisationen jeweils von einer eigenen IT-Abteilung betreut oder werden sämtliche IT-Belange von Pro Senectute über eine zentrale IT-Stelle abgewickelt?
Wir sind als IT-Abteilung von Pro Senectute Schweiz das zentrale Kompetenzcenter der Organisation. Unsere Aufgabe als Kompetenzzentrum ist es vor allem, gesamtschweizerische Informatikprojekte zu koordinieren. Weiter bieten wir im Sinne von Shared-Services IT-Dienstleistungen für angeschlossene Pro-Senectute-Organisationen an. Aufgrund von unterschiedlichen Bedürfnissen und Sprachregionen – deutscher, italienischer und französischer Raum – gibt es aber auch einige regionale Supportdienstleistungen. Diese werden in einigen Kantonen durch eine eigene IT-Abteilung abgedeckt, die in der Lage ist, Vor-Ort-Unterstützung anzubieten.

Wie ist das IT-Kompetenzzentrum aufgestellt, um diese Aufgaben wahrnehmen zu können?
Unser Team umfasst mich eingeschlossen vier Personen, die sich auf die Segmente ERP, CRM, Infrastruktur und Basis-Dienste fokussieren und rund 350 Systemnutzer betreuen. Dabei fungieren zwei Mitarbeitende als Engineers und verantworten damit vor allem die Bereiche Applikationen, Schnittstellen und Datenbank, während sich ein dritter Mitarbeitender um den First-Level-Support kümmert. Meine Aufgabe als IT-Leiter des Kompetenzcenters ist es derweil, die operativen Angelegenheiten sowie die Frage nach der strategischen Ausrichtung der Organisation zu klären. Ich bin direkt der Leiterin Finanzen, Marketing und IT unterstellt, welche Mitglied der Geschäftsleitung von Pro Senectute Schweiz ist.

Wie hat sich die Rolle des IT-Leiters in den vergangen Jahren verändert?
Ich stelle fest, dass sich der IT-Betrieb von Pro Senectute Schweiz früher vor allem auf die Erbringung von Dienstleistungen für angeschlossene Pro-Senectute-Organisationen fokussiert hat. In den eineinhalb Jahren, in denen ich nun für die Stiftung tätig bin, hat sich dies aber im Sinne einer gesamtheitlichen Organisation zu wandeln begonnen. Heute geht es darum, Synergien zu optimieren und Überschneidungen mit lokalen Dienstleistern zu eliminieren. Zu diesem Zweck haben wir vor eineinhalb Jahren eine IT-Kommission auf die Beine gestellt, die evaluiert, welche Bereiche sich aus gesamtschweizerischer Sicht optimieren lassen und die Arbeitsgruppen zur Realisation gewisser Projekte einsetzt.


In welchen Bereichen sind die angesprochenen Überschneidungen innerhalb der Gesamtorganisation am häufigsten anzutreffen?
Überschneidungen finden sich beispielsweise im Netzwerkbereich. So arbeiteten die kantonalen Pro-Senectute-Organisationen bislang jeweils mit verschiedenen Providern und Lösungen. Wir sind derzeit aber damit beschäftigt, diese Überlappungen bei der Standortvernetzung mittels einer gemeinsamen Lösung aufzuheben.
Daneben betreffen die Überschneidungen insbesondere ERP- und Finanzbuchhaltungssysteme sowie CRM- und Adressverwaltungslösungen. Die diesbezüglichen kantonalen Unterschiede sind zumeist historisch bedingt.

Welche Strategie verfolgt die IT-Abteilung von Pro Senectute neben der Vereinheitlichung der Dienste?
Wir bewegen uns je länger je mehr weg von der klassischen IT-Infrastruktur hin zu virtualisierten Umgebungen. Diese Entwicklung lässt sich unter anderem auf die Grösse unseres Teams zurückführen. Denn mit lediglich vier Mitarbeitenden ist es uns schlicht nicht mehr möglich, sämtliches Know-how zu vereinen, welche es in den Bereichen Server, Speicher und Netzwerk benötigen würde.
Aus diesem Grund haben wir letztes Jahr eine unabhängige Studie durch die Hochschule Rapperswil durchführen lassen, um zu sehen, in welchen Bereichen wir als interne Informatik einen wirklichen Mehrwert bieten können. Dabei haben wir uns ganz klar in den Segmenten Applikationen, Schnittstellen und Datenbank hervorgetan, da wir hier branchenspezifisches Know-how vorweisen können. Unsere Strategie sieht dementsprechend vor, dass wir die übrigen, für uns nicht oder weniger wirtschaftlichen Bereiche outsourcen. Wir arbeiten daher bereits seit einiger Zeit im Bereich von Hardware und Infrastruktur mit Partnern zusammen.

Welche Systeme hat Pro Senectute im Einsatz?
Wir haben uns Server- wie auch Desktop-seitig für eine virtualisierte Umgebung entschieden. Denn diesbezüglich profitiert Pro Senectute von den etwas geringeren Anforderungen an den Arbeitsplatz – wir haben weder gross grafische noch audio-technische Anwendungen im Einsatz. Wir sind daher in der Lage, bei rund 90 Prozent der Arbeitsplätze mit Thin Clients von HP zu arbeiten. Der Desktop wird anschliessend mithilfe von Citrix Xenapp zur Verfügung gestellt.
Diese Strategie ermöglicht es uns, die Arbeitsplatzkosten sehr tief zu halten und unsere IT-Organisation damit wirtschaftlich zu gestalten. So konnten wir durch die Umstellung auf die Thin Clients, welche uns mit günstigen Einkaufspreisen und langen Lebenszyklen zu überzeugen wussten, die Kosten massiv senken. Die Hardwarekosten konnten um rund einen Drittel und die Supportgebühren um gut die Hälfte reduziert werden. Da wir aber vor allem im Bereich unserer Zeitschrift «Zeitlupe» einige grafische Anwendungen benötigen, haben wir für diese anspruchsvolleren Applikationen auch Mac-Rechner im Einsatz.

Bring Your Own Device ist bei Ihnen kein Thema?
Das ist zwar ein Thema, allerdings haben wir bislang noch keine konkrete Strategie ausgearbeitet, dies da der Einsatz von eigenen Geräten bei Pro Senectute Schweiz derzeit noch sehr gering ist. Aber es ist klar, dass wir uns künftig damit auseinandersetzen müssen.

Sie haben erklärt, dass gewisse Aufgaben outgesourct werden. In welchen Bereichen sind Sie als Kompetenzcenter intern noch selbst zuständig und wo setzen Sie auf Partner?
Wir klinken uns auf der Stufe virtuelle Server ein, indem wir selbst noch einen eigenen Server inklusive Betriebssystem, Datenbank und Antivirensystem aufsetzen und betreiben. Des weiteren warten wir die Citrix-Xenapp-Umgebung selbst, haben aber Partner im Hintergrund, welche uns im Bereich Third-Level-Support unterstützen.
Daneben unterstützt uns unser Hauptpartner aber auch im Bereich Hardware. Diese haben wir zwar gekauft, eingemietet ist sie aber in einem Telehousing. Die Daten auf den dort betriebenen Servern werden wiederum an einen zweiten Standort repliziert, um die Redundanz sicherzustellen. Zusätzlich haben wir bei den grösseren ERP-Lösungen wie Abacus und Europa 3000 sowie Finanzsystemen wie Sage entsprechende Software-Partner, mit denen Wartungs- und Lizenzverträge abgeschlossen wurden. Im Netzwerkbereich arbeiten wir mit Swisscom zusammen.

Sämtliche Daten von Pro Senectute werden redundant abgelegt. Welche Erwartungen haben Sie dementsprechend an die Verfügbarkeit Ihrer Systeme?
Die sind moderat. Pro Senectute hat einen klassischen Bürobetrieb. Die Arbeitsplätze sind folglich von Montag bis Freitag von sieben Uhr morgens bis sechs Uhr abends besetzt. Wenn daher ein System während der Nacht oder an den Wochenenden ausfällt, wird das Geschäft dadurch nicht allzu stark beeinträchtigt. Wir verzichten daher bislang auch auf einen Bereitschaftsdienst. Dennoch ist die Verfügbarkeit unserer Dienste aufgrund der Redundanz der Systeme sowie Snapshots der virtuellen Server sehr hoch.


Welche Dienste wären bei einem Ausfall der Informatik während des Geschäftsbetriebs am stärksten betroffen?
Unsere 130 Büros für Sozialberatungen wären durch einen Systemausfall während der Arbeitszeiten vermutlich am stärksten tangiert, da sie in einem solchen Fall nicht auf die Fallführungssoftware (FIS) zugreifen könnten. Dort sind aber sämtliche Klientendaten hinterlegt. Diesem Szenario beugen die Kantone mit unterschiedlichen Notfallszenarien vor. So lagern die Pro-Senectute-Organisationen Listen ihrer Kundendaten zur Sicherung zusätzlich auf externe Speichermedien aus. Neben den Beratern wären aber auch die Mitarbeitenden im Bereich «Hilfen zu Hause» stark von einem Ausfall betroffen. Denn die gesamten Dienstpläne sind elektronisch abgespeichert. In diesem Bereich werden zur Absicherung Wochenpläne ausgedruckt, um den Service auch bei einem Ausfall der IT sicherstellen zu können.

Pro Senectute als Gesamtorganisation, aber auch das IT-Kompetenzzentrum selbst, arbeitet nicht gewinnorientiert. Wie gelingt es Ihnen dennoch, das Budget sowie die Kosten für Ihre Dienstleistungen korrekt aufzustellen?
Kosten entstehen bei uns vor allem durch die Entlöhnung des Personals und Infrastrukturgebühren sowie externe Dienstleistungen, die wir beziehen. Hier hilft es uns, dass wir als Non-Profit-Organisation im Bereich der Einkäufe, Dienstleistungen und Lizenzgebühren oftmals von starken Preisnachlässen profitieren. Unser IT-Kompetenzzentrum ist als Profitcenter organisiert und arbeitet kostendeckend. Hierzu haben wir für unsere Kunden klare Preispläne aufgestellt. Ausserdem haben wir in den Jahren 2012 und 2013 unsere Kosten und Einnahmen erhoben und verglichen, um einen Anhaltspunkt dafür zu erhalten, wie sich die Budgetplanung in etwa gestalten könnte.
Grundsätzlich gilt aber: Das Budget bleibt jedes Jahr plus minus gleich hoch. Dies bedeutet für mich, dass ich nicht beliebig ein Projekt zur Erneuerung der Infrastruktur oder zum Ausbau einer Anwendung lancieren kann. Stattdessen hängt der Zeitpunkt der Umsetzung eines Bedürfnisses stark damit zusammen, wie viele finanzielle Mittel uns jeweils zur Verfügung stehen. Damit überhaupt genügend finanzielle Ressourcen zusammen kommen, um Projekte einzuleiten, haben wir einen IT-Reservefonds eingerichtet, in welchem für jeden einzelnen Kunden eine jährliche Reserve auf die Seite gelegt wird. Damit können wir Investitionen tätigen.

Welche Projekte konnten Sie denn seit Ihrem Stellenantritt bereits umsetzen und welche stehen in absehbarer Zeit noch an?
Beim Eintritt bei Pro Senectute im August 2013 hatte ich als IT-Leiter des Kompetenzcenters die Aufgabe erhalten, die Infrastruktur auszubauen. Hierzu mussten zusätzliche Server und Speichereinheiten eingebaut werden. Ausserdem wurden im Zuge von Performance-Problemen im gleichen Zug auch alle Systeme aktualisiert. In einem weiteren Projekt war ich dafür verantwortlich, den Desktop-Client in Xenapp von Citrix neu aufzubauen und zu optimieren. Und last but not least haben wir letztes Jahr die Zentralisierung der Standortvernetzung in Angriff genommen, welche demnächst abgeschlossen werden sollte.
Aktuell sind wir damit beschäftigt, die Fallführungssoftware, deren Lebenszyklus demnächst abläuft, gesamtschweizerisch abzulösen. Nächstes Jahr wird es dann darum gehen, die Infrastruktur zu erneuern. Diese stammt noch aus dem Jahr 2010 und stösst langsam an ihre Grenzen. Wir prüfen derzeit, ob wir in diesem Bereich erneut den Weg des Outsourcings einschlagen wollen. Daneben wird, wie zuvor bereits angesprochen, Mobilität langsam zum Thema. So wird von Beraterseite das Bedürfnis laut, die Kundendaten per Tablet mit sich tragen zu können.

Was sehen Sie persönlich als momentan wie auch zukünftig grösste Herausforderung des IT-Kompetenzzentrums an?
Unsere grösste Herausforderung besteht darin, unsere Dienstleistungen schweizweit, sprich über die Sprachregionen hinweg, zentral bereitzustellen. Denn die Anforderungen und Bedürfnisse weichen je nach Kanton voneinander ab. So haben wir ganz kleine Kantone, welche vier Mitarbeitende stellen und damit ganz andere Voraussetzungen mitbringen als die grossen Institute, welche bisweilen bis zu rund 350 Mitarbeitende angestellt haben. Es geht diesbezüglich auch darum, die Kosten zu optimieren.

Was würden Sie abschliessend sagen, ist bezüglich der IT der grösste Unterschied zwischen Non-Profit-Organisationen und privaten Unternehmen?
Der grösste Unterschied, den ich persönlich wahrgenommen habe, betrifft die Anforderungen an die Verfügbarkeit und die zeitkritischen Anwendungen. Ich habe vor meinem Engagement für Pro Senectute während vielen Jahren für die SRG und davor für Radio 24 gearbeitet. Wenn dort die IT ausfällt und der Zuhörer zuhause lediglich ein Rauschen empfängt, kommt dies für das Unternehmen einem Reputationsschaden gleich. Diesen Druck haben wir bei Pro Senectute aufgrund der moderaten Anforderungen nicht. Daneben stellt bei Non-Profit-Organisationen die Finanzierung von Projekten in manchen Fällen sicherlich eine grössere Herausforderung dar als bei privaten Unternehmen.
(af)


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