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Mit 50+ zum alten Eisen?
Quelle: swiss ICT

Mit 50+ zum alten Eisen?

Von Barbara Jasch

Die junge ICT-Branche ist sehr gefordert in Bezug auf Mitarbeitende. Vor allem bei Informatikern 50+, deren Markfähigkeit erhalten bleiben soll.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/12

     

Ist es wirklich so, dass die Firmen in der Schweiz lieber junges Personal haben und die Älteren los werden wollen? So jedenfalls wurde es in den Medien vor kurzem dargestellt. Haben die Firmen nicht etwas vergessen? Dass auch Vorgesetzte – die jetzigen Entscheidungsträger – älter werden und ausgewechselt werden könnten?

Fakten
Eine neue Studie im Auftrag von ICT Berufsbildung Schweiz 1) ergab:
• Erwerbslosenquote in der ICT ist mit 3.8 % niedriger als der Schweizer Durchschnitt (4.4 %) (im Verhältnis zu Arbeitnehmenden)


• Arbeitslosenquote in der ICT liegt im Schnitt bei 2.4 % (CH Durchschnitt bei 2.9 %)

1) ICT-Fachkräftesituation | Bedarfsprognose 2022, Econlab i.A. ICT-Berufsbildung Schweiz, Sept. 2014
• Risiko der Arbeitslosigkeit im Alter nimmt in der ICT-Branche tendenziell zu, in allen anderen Branchen eher ab

• Im ICT-Berufsfeld sind nur 40 % qualifizierte Fachkräfte und 60 % sogenannte Quereinsteiger (gelernter Beruf ist ICT fremd)

• Das ICT-Berufsfeld wächst sehr stark, es gibt zu wenige Fachkräfte.

• ICT ist in allen Branchen anzutreffen, ICT-Anwender-Unternehmen haben Ausbildungs-
Fokus nicht auf ICT

• Bis 2024 werden ca. 17‘300 der ICT Beschäftigten (9 % ) pensioniert, sind also älter als 55

• Jeder fünfte ICT-Beschäftigte bezeichnet sich als überbeschäftigt

• Am meisten gesucht sind ICT-Führungskräfte (rekrutieren sich v.a. über Fachpersonal)

• Qualifikationen Stellensuchender passen oft nicht zu verlangten Qualifikationen in offenen Stellen

• Im Kanton Zürich ist jede 12. Arbeitsstunde eine ICT-Arbeitsstunde
• Ohne zusätzliche Ausbildungsmassnahmen werden gewisse Dienstleistungen nicht in der Schweiz erbracht werden können. Dies vernichtet Wachstumschancen und macht die Schweiz potentiell weniger wettbewerbsfähig, da sich in allen Branchen ICT-Beschäftigte finden und die ICT zentraler Treiber der technologischen Innovation ist.


Handlungsfelder


Diese Fakten führen dazu, dass die Unternehmen in der Personalentwicklung und -förderung sehr gefordert sind. Der Arbeitsmarkt für gut ausgebildete ICT-Fachleute wird austrocknen und der Wirtschaftszweig ICT muss aufpassen, dass diese Wertschöpfung nicht wegen mangelnder Fachkräfte abwandert.
Man müsste also zur Einsicht kommen, dass Fachkräfte nicht mehr über Stellenausschreibungen oder Personalvermittlungen gefunden werden, sondern dass die Ausbildung von jungem Personal und die ständige Weiterentwicklung aller ICT-Mitarbeitenden zu den Aufgaben eines Betriebes gehören. Wenn die eigenen Mitarbeiter in einem langfristigen Entwicklungsprogramm sind, dann bleiben sie dem Betrieb in der Tendenz auch länger erhalten.
Lebenslanges Lernen ist in der ICT Pflicht, um à jour zu bleiben, Entwicklungen nicht zu verpassen und sich den stetigen Veränderungen anpassen zu können.

Personalentwicklung und Förderung ist im Personalbereich angesiedelt. Dieser arbeitet immer eng mit den Fachabteilungen zusammen. Dieser Arbeitsbereich kostet auf den ersten Blick Geld, auf den zweiten Blick sind dies Investitionen, die sich mittel- bis langfristig auszahlen. Das gilt auch für die «klassische Informatik», welche erst kostet und dann das Business erst ermöglicht. Ein Mitarbeiter, welcher persönlich und fachlich weitergebildet wird, kostet wohl langfristig weniger, als die ständige Einarbeitung neuer Mitarbeitender.
Obwohl sich die Gesellschaft im digitalen Zeitalter immer mehr beschleunigt, obwohl alle kurzfristigen Zielen hinterherrennen, bleiben wir Menschen. Menschen mit Zielen und Träumen, welche auch mit einer erfüllten Arbeit zusammenhängen können. Hat der Egoismus wirklich die Überhand gewonnen und ist das Wohlergehen einer arbeitenden Gesellschaft nur noch eine hohles Wort? Können Firmen mit einer sorgsamen Personalpolitik nicht auch viel zu diesem gesellschaftlichen Wohl beitragen? Zum Beispiel Gesundheitskosten sparen (Stichwort «Überbelastungskrankheiten» vermeiden)? Oder mit den richtigen Instrumenten (Ausbildung, Teilzeitarbeit, Unterstützungen) zu einer Life Balance beitragen, welche alle Mitarbeitenden befähigt, bis zur Pensionierung Leistung zu bringen und ICT-Projekte zum Erfolg zu führen?

Grosse Vorteile

Was hat das mit Menschen über 50 zu tun? Dasselbe wie beim 20- oder 30-jährigen. Bei richtiger Personalentwicklung ist auch der Mitarbeiter ab 50 in seinem Metier topfit und hat zudem den grossen Vorteil einer langjährigen Berufspraxis. Dies ist ideal, um die Nachwuchsleute zu begleiten auf ihrem Weg. Bringen wir also die ICT-Betriebe dazu, nicht nur personelle «Ressourcen» einzukaufen, sondern diese auch lebenslang zu fördern und zu entwickeln.
Schauen wir doch einfach bei der Natur ab: Ein ausgewachsener Baum trotzt einem Sturm genauso gut wie ein Keimling. Die Natur braucht in ihrem Zyklus beide.

Barbara Jasch ist Geschäftsführerin Zürcher Lehrbetriebsverband ICT (ZLI)




Kommentare
Wieder einmal schöne Worte. Was kenne ich Leute in der ICT Branche die arbeitslos sind und topfit. Alle ü50'er. Keiner ist bereit, nur ein paar 1000 Franken in deren Ausbildung in eine modernere Entwicklung zu Sponsoren. Dann holt man lieber gleich jemanden aus dem hohen Norden. Schöner Artikel, leider sieht die Realität ganz anders aus.
Freitag, 20. Februar 2015, hans



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