cnt
Social Media: Dabei sein ist nicht alles
Quelle: Istockphoto

Social Media: Dabei sein ist nicht alles

von Michael Beier und Kerstin Wagner Social Media gelten heute als Allheilmittel für Unternehmen. Auf den ersten Blick erscheinen sie als günstig und einfach zu bedienen, und die Zielgruppen können direkt erreicht werden. Ganz so einfach sieht es in der Realität leider nicht aus, und nur wenige KMU ziehen einen echten Nutzen aus der Anwendung.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/11

     

Genau wie private Nutzer können Vertreter von Unternehmen und anderen Organisationen leicht ein eigenes Profil in einem sozialen Netzwerk erstellen, Beiträge verfassen, andere Beiträge kommentieren und auf diese Weise mit anderen Menschen kommunizieren. Allerdings tun sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Mitarbeitenden in der Schweiz immer noch schwer mit dem Einsatz von Social Media für konkrete Unternehmenszwecke. So zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Erhebung der HTW Chur bei KMU in der Ostschweiz, dass lediglich in 35 Prozent der Unternehmen mindestens ein Mitarbeiter im Namen des Unternehmens Social Media für bestimmte ­Zwecke (z.B. Marketing, Recruiting, Kontaktanbahnung, Werbung) nutzt. Dabei kommen vor allem Facebook und Xing zum Einsatz.

Aktuelle Herausforderungen

Diese bei den Geschäftsführern von Schweizer KMU repräsentativ erhobene Quote der Social-Media-Nutzung ist bemerkenswert niedrig. Zudem dürfte dieses Resultat auch von erheblicher Strahlkraft auf die gesamte Schweizer Wirtschaft sein, denn 70,1 Prozent aller Beschäftigten in der Schweiz sind in KMU angestellt, die gemäss aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik wiederum 99,8 Prozent aller Unternehmen ausmachen.

Doch woran liegt diese niedrige Nutzerquote? Greift man bei der Beantwortung dieser Fragestellung auf neuere Varianten des klassischen «Technology Adoption»-Ansatzes zurück, gilt es zu klären, inwieweit die Nutzung von Social Media den potentiellen Anwendern erstens nützlich, zweitens einfach und drittens risikolos erscheint. Anhand der oben beschriebenen Daten kann damit weiterführend untersucht werden, was genau Schweizer KMU von der Anwendung von Social Media abhält.


Dabei zeigt sich, dass Nutzer vor allem bestimmte Risiken mit der Nutzung assoziieren (z.B. die Angst vor Shitstorms oder Datenschutzrisiken), die sie vom Einsatz abhalten. Zudem ist den meisten KMU-Vertretern nicht klar, wie die Nutzung von Social Media konkret positive Effekte auf ihr Geschäft haben soll. Demgegenüber spielt es keine Rolle, dass die Anwendung von Social Media als kostengünstig beziehungsweise einfach wahrgenommen wird.

Niedrige Erwartungen

Um zu identifizieren, welchen Nutzen KMU von Social Media erwarten, hat die HTW Chur bei den Social-Media-aktiven KMU untersucht, welche Erwartungen sie an Social Media hatten, und in wieweit diese erfüllt wurden. Über alle Social-­Media-Kanäle hinweg wurden dazu für insgesamt 16 verschiedene Zwecke die Einschätzungen der Unternehmen hinsichtlich der Erwartungen bei den verfolgten Zielen und dem Ausmass der erreichten Wirkungen gegenübergestellt.


In der Abbildung wurden die Durchschnittswerte für die verfolgten Ziele (schwarz) mit denen der erreichten Wirkungen (grau) abgeglichen. Die Einschätzungen erfolgten von «gar nicht» (1) bis «sehr stark» (4). Entsprechend liegt die Mitte zwischen niedrigen und hohen Bewertungen bei 2,5. Übersteigen die verfolgten Ziele die erreichten Wirkungen, so wurde dieser «Minus-Saldo» mit einem orangen Balken dargestellt. Zudem wurden die Zwecke nach Outbound-, Inbound- und interner Kommunikation strukturiert und diese nach Höhe der Ausprägung sortiert.
Es zeigt sich, dass die Erwartungen insgesamt schon recht niedrig angesetzt sind, wenn auch im Outbound-Bereich noch höher als in den anderen beiden Bereichen. Die gesteckten Erwartungen werden allerdings bei keinem einzigen der abgefragten Zwecke erfüllt. Würde man dabei nur die niedrigen Werte bei den erreichten Wirkungen anschauen, könnte man zu dem Schluss kommen, dass alles nur eine Frage der besseren Umsetzung ist. Erfolg wäre dann vornehmlich durch Verbesserungen in der operativen Umsetzung bei den Social-­Media-Aktivitäten zu erzielen. Dies ist eine weit verbreitete Ansicht. Bezieht man allerdings auch die niedrigen Werte für die verfolgten Ziele mit ein, so wird ersichtlich, dass viele Schweizer KMU sich mit weit grundlegenderen Herausforderungen im Umgang mit sozialen Medien konfrontiert sehen. Letztlich ist vielen nicht klar, warum sie sich überhaupt engagieren beziehungsweise engagieren sollten.

Symbolische Teilnahme

Bezeichnenderweise liegt lediglich bei genau einer Zieldimension, dem «Zeitgerechten Umgang mit Kommunikation und Technik signalisieren», der Wert sowohl für das verfolgte Ziel als auch für die erreichte Wirkung im tendenziell hohen Bereich grösser 2,5 (wenn auch nur knapp). Zur Realisierung dieses Zweckes reicht es allerdings bereits aus, einen Account für das eigene Unternehmen auf einer Social-Media-Plattform anzulegen. Damit ist dann das Signal, dass man auch «dabei» ist, schon gesetzt und damit das Ziel auch schon erreicht. Eine Anbindung der Social-Media-Aktivitäten an die Geschäftslogik des Unternehmens ist dabei gar nicht notwendig.

Diese Form der Anwendung von Social Media muss man als «symbolisch» bezeichnen, da sie vollkommen entkoppelt von jeglichen weiterführenden Zwecken ist. Für viele Unternehmen ist es durchaus nachvollziehbar, so zu agieren. Das ist dann der Fall, wenn die Nichtteilnahme an Social Media bei den Zielgruppen als Signal für mangelnde Innovationsfähigkeit oder mangelnden Fortschritt verstanden wird.


Wenn noch dazu die echten, weiterführenden Mehrwerte nicht klar sind, erscheint es nur logisch, den finanziellen und zeitlichen Aufwand tief zu halten. So gab keines der befragten Unternehmen an, eine Stelle beziehungsweise Abteilung geschaffen zu haben, die den Umfang von einem Vollzeitäquivalent überschreitet. Diese symbolische Teilnahme kann günstig ausgeführt werden, sie erzielt aber eben auch kaum einen Effekt auf das tatsächliche Geschäft des Unternehmens. So geht es bei dieser Vorgehensweise nur um eine einfache Risikovermeidung, nicht aber um die Suche und Verfolgung von unternehmerischen Möglichkeiten.

Echte Effekte erzeugen

Hier stellt sich die Frage, was Schweizer KMU denn tun können, um aus dem Einsatz von Social Media echte Effekte für ihr Geschäft zu generieren. Ausgangspunkt dazu müssen strategische Überlegungen auf Basis des Geschäftsmodells sein. Social Media ist kein Selbstzweck. Entsprechend muss vorab strategisch geplant werden, wie Social-Media-Aktivitäten tatsächlich dabei helfen können, betriebswirtschaftliche Ziele (mehr Umsatz, tiefere Kosten, schnellere Prozesse und geringere Risiken) zu erreichen. Dazu muss ein Unternehmen anhand seines Geschäftsmodells klären, an welchen Stellen Social-Media-Aktivitäten konkret Mehrwerte bringen können. So sind auf Grundlage des Geschäftsmodells die folgenden vier Fragen bezüglich möglicher Social Media Aktivitäten zu beantworten:

1. Wer? Es ist von zentraler Bedeutung, dass spezifische Zielgruppen sehr konkret angesprochen werden können und ihnen aufgezeigt wird, was genau für sie die Mehrwerte einer Social-Media-Beziehung mit dem Unternehmen sind. Daher ist es erforderlich, dass genau definiert wird, wer die Zielgruppe ist beziehungsweise die Zielgruppen sind.


2. Wozu? Es muss klar definiert werden, welche ­Zwecke mit den jeweiligen Zielgruppen verfolgt werden sollen. Diese lassen sich bei unternehmens­externen Zielgruppen grob in Outbound-Zwecke (Kommunikation nach aussen zur Gewinnung von Neukunden oder zur Verbesserung der Kundenbindung) und Inbound-Zwecke (Informationen generieren, die dazu dienen, Produkte und Leistungen zu verbessern oder Marktforschung und Marktbeobachtung zu betreiben) einteilen. Insgesamt gilt, dass es in jedem Kanal meist um mehrere Arten von ­Zwecken geht, die ineinandergreifen.

3. Wie? Es muss vorab konzipiert werden, wie die Beziehungen und Interaktionen ausgestaltet werden sollen, damit die adressierten Zwecke erreicht werden können. Hier ist vor allem zu beachten, dass Beziehungen nur nachhaltig aufgebaut und unterhalten werden können, wenn beide Seiten etwas bekommen, was ihnen wichtig ist. Entsprechend muss eine Balance gesucht werden zwischen Inhalten für die Zielgruppen und der Verfolgung der eigenen Zwecke mit diesen.

4. Wo? Wenn die ersten drei Fragen geklärt sind, dann ist abschliessend zu entscheiden, wo beziehungsweise mit welchen Social-Media-Plattformen die einzelnen Zielgruppen am besten erreicht werden können und Beziehungen unterhalten werden können, die die definierten Zwecke der Social-Media-Aktivitäten unterstützen.

Social Media ist Chefsache

Die aufgezeigte Situation der Nutzung von Social Media in Schweizer KMU verdeutlicht auch, an welcher Stelle KMU durch Dienstleister und Beratungsunternehmen abgeholt werden müssen. Rein operative Unterstützung bei Infrastruktur, Content-Erstellung sowie Bewirtschaftung und Auswertung beziehungsweise Monitoring von Kanälen reicht allein nicht aus. Vielen KMU fehlt es an Konzepten und Vorstellungen darüber, wie förderliche Social-Media-Aktivitäten aus ihrem bestehenden Geschäftsmodell hergeleitet werden können. Ebenso ist vielen Unternehmen unklar, inwieweit ihr bestehendes Geschäftsmodell aufgrund von externen Veränderungen mit Social Media weiterentwickelt werden kann beziehungsweise müsste.

Soll sich der Social-Media-Einsatz bei KMU umfangreich weiterentwickeln, so sind in naher Zukunft drei Schritte erforderlich: Erstens müssen Risiken von Social Media transparent und konstruktiv vermittelt werden, indem mögliche Szenarien aufgezeigt und Lösungen angeboten werden. Zweitens muss individuell aufgearbeitet werden, wie Social-Media-Aktivitäten strategisch an das Geschäftsmodell des Unternehmens gekoppelt werden können, um nachvollziehbar betriebswirtschaftliche Effekte im besten Sinne eines Return on Investment zu generieren. Drittens müssen operative Aktivitäten konsequent auf die entwickelte Social-Media-Strategie ausgerichtet werden. Dazu müssen Dienstleister und Infrastruktur-Unternehmen wie auch KMU sowohl auf strategischer als auch operativer Ebene wohlkoordiniert zusammen arbeiten. Dies beinhaltet auch, dass aufgrund operativer Erfahrungen strategische Anpassungen vorgenommen werden können.


Insgesamt ist festzuhalten, dass auch Social Media notwendigerweise Chefsache ist in KMU. Die aufgezeigten Forschungsergebnisse zeigen es klar und deutlich: Bei Social Media in KMU geht es definitiv nicht um eine operative Erweiterung bestehender Kommunikation, es geht dabei um die Entwicklung und Umsetzung von digitalen Strategien in Schweizer KMU.

Die Autoren

Michael Beier ist Senior Researcher am Schweizerischen Institut für Entrepreneurship SIFE an der HTW Chur, Kerstin Wagner ist Leiterin des Schwerpunkts Gründung und Wachstum am SIFE und Professorin an der HTW Chur.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welche Farbe hatte Rotkäppchens Kappe?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER