Grossbritannien bietet Chancen

Von Sandra Tobler

Grossbritannien investiert in neue Technologien wie kein anderes Land. Auch Schweizer ICT-Firmen, vor allem aus dem Bereich Sicherheit, können profitieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/09

     

Der ICT-Markt Grossbritanniens ist einer der bedeutendsten Europas – nirgends geben Konsumenten pro Kopf mehr aus für ICT. Die britische Aussenhandelsförderung UKTI gibt an, pro Jahr beliefen sich die ICT-Aufwendungen im Land auf rund 215 Milliarden Franken. Grossbritannien und insbesondere London hat sich als Fintech- (Financial Technology)-Kompetenzzentrum innerhalb von Europa etabliert und ist Vorreiter der Digitalisierung der Branche.
Wie in der Schweiz kommt auch in Grossbritannien dem Finanzsektor eine besondere wirtschaftliche Rolle und öffentliche Aufmerksamkeit zu. Herausforderungen für diese Branche aus der digitalen Welt, seien es Cyberattacken oder neue Technologien, werden entsprechend realistisch wahrgenommen. Cyberattacken werden in ihrer Bedeutung von der Regierung auf die gleiche Stufe wie Terrorismus gestellt. Die Notwendigkeit zur Digitalisierung wurde in Grossbritannien früh und breit verstanden, und der Sektor ist stark bemüht, sich mit internationalen Kooperationen für die Zukunft aufzustellen.

Operation Waking Shark II

Viele Finanzinstitutionen arbeiten mit älteren, komplexeren IT-Systemen, sind stark voneinander abhängig und stützen sich auf eine zentralisierte Infrastruktur, etwa Zahlungssysteme und Clearingstellen, was eine besondere Angreifbarkeit schafft. Im vergangenen November mussten sich daher mehr als 200 britische und US-amerikanische Banken mit Sitz in London, gemeinsam mit den wichtigsten Branchenakteuren, einem Stresstest unterziehen. Das Financial Policy Committee der Bank of England verlangte von den Instituten daraufhin, bis Herbst 2014 Strategien und Massnahmenpläne gegen die aufgedeckten Schwachstellen vorzulegen.
Vor dem Hintergrund des hohen Gefahrenbewusstseins und diesen aktuellen Anstrengungen verspricht das Vereinigte Königreich also einiges an Potential für Schweizer ICT-Unternehmen, insbesondere bei Sicherheitsprodukten. Britische Finanzinstitutionen suchen aktiv und international nach neuen Fintech-Produkten und investieren in Start-up-Accelerators.
Schweizer Firmen sind dank ihres guten Rufes betreffend Verlässlichkeit, Sicherheit und Innovation gut aufgestellt. Doch ist es zu empfehlen, einen Eintritt in den wichtigen und grössten ICT-Markt Europas gut zu durchdenken und sich allgemein interna­tional aufzustellen und zu vernetzen. Hier besteht bei einigen im Inland erfolgreichen Firmen noch Nachholbedarf, wenn sich gleichzeitig auch vielversprechende Ansätze beobachten lassen. So hat sich um Unterstützer wie Knip, Contovisa oder Cashsentinel ein neuer Verband «Swiss Finance Start Ups» formiert, der Innovation, die Digitalisierung der Finanzindustrie und die internationale Vernetzung fördert.

Einen Fuss in die Tür stellen

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Internationalisierung besteht immer in einer genauen Kenntnis des Marktes sowie der Auswahl der richtigen Mitarbeiter oder des richtigen Partners mit einem belastbaren Netzwerk. Grundsätzlich spielen persönliche Beziehungen in Grossbritannien eine bedeutende Rolle. Insbesondere zu Führungskräften findet häufig nur Zugang, wer bereits mit ihnen gearbeitet hat.
Viele Schweizer Softwarefirmen vertreiben ihre Produkte in Grossbritannien dabei über die Vergabe von Lizenzen. Dabei ist rechtlicher Beistand unerlässlich, um sich umfassend abzusichern. Alle Optionen sollten mit einem Experten für britisches Recht gründlich geprüft werden, damit – falls die Beziehung zu einem Partner beendet wird – die Kontrolle über das Kerngeschäft aufrecht erhalten werden kann. So sollte die lokale Domain co.uk immer für die Schweizer Firma registriert werden.
Gut durchdacht und gründlich vorbereitet bietet Grossbritannien mit seiner bedeutsamen Finanzindustrie für Schweizer ICT-Unternehmen mehr als nur realistische Chancen zur Expansion; der gut zugäng­liche Markt stellt den ersten Schritt hin zu einer breiten Internationalisierung dar.


Sandra Tobler ist Consultant Northern Europe & Subject Matter Expert ICT bei Switzerland Global Enterprise.

B2B-Reise im November

Switzerland Global Enterprise und der Swiss Business Hub in London organisieren im November 2014 eine Unternehmer- und R&D-Reise für Schweizer Firmen im Fintech- und Cyber-Security-Bereich und bieten diesen damit die Möglichkeit, Kontakte, Marktinformationen und Markenbekanntheit in Grossbritannien aufzubauen. Interessierte Firmen können vor Ort B2B-Kontakte bei potentiellen Endkunden in der Finanzwelt schliessen. Ebenso wird mit Branchenkennern die Bank der Zukunft thematisiert. Anlässlich der Unternehmerreise wird auch eine Britisch-Schweize­rische Eurostars-Ausschreibung für finanzielle Unterstützung von bilateralen Recherche-Projekten lanciert. Die Reise findet in Zusammenarbeit mit den Branchenorganisationen Swiss Made Software, AlpICT, ICT Switzerland sowie dem SBFI und UKTI statt.


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