SwissICT Magazin: Bob, Sie wollen durch ihren «Rightshifting»-Ansatz Organisationen – nicht nur Software-Entwicklungsteams – helfen, effektiver zu werden. Glauben Sie, wir haben in dieser Hinsicht Fortschritte erzielt?
Bob Marshall: Nicht wirklich. Einige Praktiker haben von der Idee gehört, aber ich sehe wenig Akzeptanz bei Entscheidungsträgern. Ich komme zum Schluss, dass für die grosse Mehrheit der Top-Manager «Verbesserung» – besonders kontinuierliche Verbesserung – keine Strategie ist, die sie zum Befriedigen ihrer Bedürfnisse einsetzen wollen.
Was hindert die meisten Unternehmen daran, ihre Mitarbeiter effektiv arbeiten zu lassen?Immer wieder sehe ich Firmen, die die besonderen Bedürfnisse von Wissensarbeitern nicht erkennen und deshalb keine Umgebung schaffen, die Zusammenarbeit fördert. Wo diese Umgebung fehlt, haben weder Manager noch Mitarbeiter einen Anreiz, effektiv zu sein.
Können Sie uns eine Strategie nennen, die Unternehmen hilft, sich einzugestehen, dass sie gar nicht effektiv arbeiten?Ich glaube nicht, dass es DIE Strategie gibt. Jedes Unternehmen ist anders und so müssen auch andere Mittel eingesetzt werden. Ich finde es essentiell, keine persönliche Agenda zu verfolgen. Einfache, bedingungslose und positive Rücksichtnahme sowie geduldiges Einfühlungsvermögen bringen einen sehr weit. Unternehmen, die ihre Position auf der «Rightshifting»-Kurve selbst feststellen, sind eher geneigt, sich diesbezüglich zu verbessern. Weil sie ihre Probleme erkennen und eigene Lösungen finden, steigt die Wahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Verbesserung.
Wenn Sie über Ihr «Marshall Model» der organisatorischen Effektivität sprechen, dann stellen Sie fest, dass es sehr schwierig sei, «die vorherrschende Denkweise zu ändern». Kennen Sie Unternehmen, denen dies gelungen ist?Persönlich habe ich das noch nie beobachtet. Es gibt einige publizierte Fälle von wenigen Unternehmen, die dabei erfolgreich waren. Ich habe viele Organisationen gesehen, die unbewusst stolperten, weil sie ihre Denkweise ändern wollten, ohne genau zu wissen, worauf sie sich einlassen. Sie kamen in ihren Bemühungen deshalb nicht sehr weit, weil sie, als Folge davon, von unvorhergesehenen Schwierigkeiten übermannt wurden.
Aus ihrer Sicht: Wie sieht die Zukunft der agilen Bewegung aus? Wird sie einen dauerhaften Einfluss auf unser Zusammenarbeiten haben?Persönlich denke ich, dass es keine Zukunft für die agile Bewegung unter diesem Label gibt, wenn man betrachtet wie viele Gruppen es für ihre Zwecke missbrauchen. Mitarbeiter von Unternehmen werden immer versuchen, ihre Bedürfnisse abzudecken und einige der Werkzeuge, die die agile Bewegung hervorgebracht hat, werden in ihren Werzeugkasten übergehen. Wenn nichts weiter übrig bleiben sollte, werden wir die agile Ära rückblickend als die Zeit shen, als der «humane Weg» in Technologieunternehmen Einzug hielt.
Jiri Lundak ist Mitglied der Fachgruppe Lean, Agile & Scrum und des OK der LAS.
Über Bob Marshall
Marshall ist der Begründer des Terms «Rightshifting» und des «Marshall Model». Der einstige Senior Java Architect von Sun Microsystems will heute die Wirksamkeit von Wissensarbeits-Unternehmen erhöhen. Er gilt als Vorreiter in der Anwendung von Psychologie- und Psychotherapie-Techniken in der Software-Entwicklung und bezeichnet sich als «Organisations-Psychotherapeut». An der LAS spricht er über «The Different Worlds of Software Development».
Mehr:
http://flowchainsensei.wordpress.com/rightshifting/
6. Lean, Agile, Scrum-Konferenz
9.9.2014, Zürich, HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich
Kosten: swissICT Mitglieder CHF 280.–, Studenten CHF 100.–, regulär CHF 360.–
Detailprogramm mit Abstracts: www.lean-agile-scrum.ch