IT Management im Plug & Play Zeitalter
Quelle: ISG

IT Management im Plug & Play Zeitalter

Von Peter Bertschin

Aktuelle Trends wie Multi-Provider Sourcing und Cloud Computing bedeuten eine fundamentale Veränderung für das IT Management. Die Rolle der IT Abteilung verschiebt sich. Hohe Standardisierung und Automatisierung sind die wesentlichen Stellhebel. Die professionelle Service Integration und das Management der internen und externen Provider ist das zentrale Thema im Zeitalter der Cloud.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/05

     

Unternehmen betrachten die IT heute als einen Service, der bedarfsgerecht Funktionalitäten und Kapazitäten bereitstellen muss. Dementsprechend ist die Anforderung an das IT Management die geforderten Services zeitgerecht zur Verfügung zu stellen und möglichst kostengünstig und nahtlos in die bestehende Landschaft zu integrieren.

Multi-Sourcing als Möglichkeit zur flexiblen Service-Beschaffung
Sourcing-Verträge der aktuellen Generation beinhalten verbrauchsorientierte Abrechnungsmodelle. Unternehmen können die vom Service-Provider abgenommenen Mengen dem variablen Kapazitätsbedarf anpassen. Die IT kann dadurch je nach Geschäftsverlauf flexibel den Mengenbezug von IT-Services ändern. Auch kurze Vertragslaufzeiten schaffen mehr Flexibilität, da zusätzliche Service-Arten leichter dem Portfolio hinzugefügt oder daraus entfernt werden können.
Multi-Sourcing, wobei mehrere kleine Verträge abgeschlossen werden, ist eine Möglichkeit, um einer mangelnden Service-Standardisierung zu begegnen. Multi-Sourcing setzt sich immer mehr durch. Dies zum einen, weil sich spezialisierte Anbieter in einem wettbewerbsintensiven Markt etabliert haben. Zum anderen, weil die Vergabe von vielen Services an einen einzigen Anbieter eine unerwünschte Abhängigkeit schaffen kann.

Neue Anforderungen an das IT Management


Multi-Sourcing führt dazu, dass das IT Management die Geschäftsstrategien stärker als bisher unterstützt, wobei die Steuerung von Services gegenüber deren Erbringung an Bedeutung gewinnt. Erfolgsentscheidend ist die stärkere Fokussierung auf die beiden Organisationsbereiche «IT Demand», der die Anforderungen des Business für die IT übersetzt und den Bereich «IT Supply», der IT-Lösungen erzeugt und bereitstellt.
Dafür ist ein organisatorisches Konzept erforderlich, dass an der Demand-Supply-Schnittstelle Strukturen für Verantwortungsbereiche sowie neue Rollen und Tätigkeiten definiert. Der Fokus liegt dabei auf dem ganzheitlichen Management von Business- und IT-Prozessen und der Entwicklung, Steuerung und Koordination von IT-Services.
Im laufenden Betrieb müssen sich die Kunden von IT-Services nicht nur um die Leistung und Abrechnung der einzelnen Provider kümmern, sondern auch um den Erhalt der Servicequalität. Dies ist umso schwieriger, je fragmentierter die Servicekette in einer Multi-Provider-Umgebung ist.
Das Demand Management erfordert eine neue Perspektive. Nachdem Ressourcen-Engpässe (wie etwa ein fester Personalstand) nicht mehr bestehen, können erweiterte Service-Kapazitäten und Budgets einem erhöhten Leistungsbedarf entgegengesetzt werden. Wenn die Demand Seite allerdings nicht effektiv gesteuert wird, kann die Kosten-/Nutzenspirale ausser Kontrolle geraten. Deshalb müssen Führungskräfte in einer Multi-Sourcing-Umgebung in der Lage sein, die Korrelation zwischen Geschäftszyklen und Leistungsabnahme zu beurteilen, um eine solide Bedarfsplanung durchführen und auf eventuelle Spitzen reagieren zu können.

SIAM – Service Integration und Management


Im Zeitalter der Cloud ist die Bereitstellung von Services einfacher denn je. Eines der Kernprobleme liegt aber darin, die Services verschiedener Anbieter durchgängig bis hin zum Business zu steuern. Service Integration und Management (SIAM) wird dabei als passgenauer Lösungsansatz bei einer Vielzahl von eingesetzten Services zunehmend erfolgsentscheidend. Die wichtigste Aufgabe ist es, den kompletten Geschäftsprozess von der Businessanforderung bis zur Lieferung zu betrachten, sodann in der Vielzahl der IT-Services eine End-to-End-Sicht und somit eine Brücke zwischen der Governance und den operativen Betriebsprozessen herzustellen.
So können die IT-Services je nach Ausrichtung und Stärken des jeweiligen Providers vergeben werden. Durch Cloud Computing werden Innovationen schneller eingebunden und die verbrauchsabhängige Abrechnung wird forciert. Das Unternehmen ist flexibler bei neuen Anforderungen, kann durch Nutzung der Spezialkompetenzen verschiedener Provider den Standardisierungsgrad vorantreiben und durch den höheren Wettbewerb die Kosten senken.
Multiprovider-Umgebungen schaffen zugleich auch viele Risiken. Oft entstehen isolierte IT-Tower, von denen jeder für sich gemanagt wird. Da hier die technische Sicht dominiert, fehlt oft das Verständnis der Beziehung zwischen Business-Prozessen und IT-Services. Als Folge wird der Geschäftsprozess nicht vollständig abgedeckt.
Service Integration fungiert hier als zentrale Kontrollinstanz zwischen IT-Demand und -Supply, die alle Aktivitäten zusammenführt und sich dabei als Agent des Business versteht: Sie übersetzt die Business-Anforderungen in technische Services, verteilt sie an die verschiedenen Dienstleister, überwacht deren Einhaltung und orientiert so alle IT-Komponenten an den Geschäftsprozessen.

Fehler und Erfolgsfaktoren bei der Einführung von SIAM


ISG hat in den letzten Jahren viele Unternehmen beraten und ist dabei immer wieder auf folgende Fehler gestossen:
• Fehlende Ressourcen: Das IT Management definiert die Zuständigkeit für Service Integration, baut aber nicht das entsprechende Operating Modell mit den notwendigen Kapazitäten auf. Durch die zunehmende Komplexität des Multi-Sourcing werden die Kunden aber mehr und mehr überfordert.
• Unscharfe Rollen: Wie in jeder Organisation sind in SIAM Prozesse und Rollen zu definieren. Dabei wird die gegenwärtige Organisation als Massstab gesetzt und das IT Management versäumt es, Prozesse und Rollen zielgerichtet und klar zu definieren. Der Grund liegt häufig darin, dass dieses die Funktion von Service Integration missversteht. Das führt dann zu falschen Erwartungen auf Seiten des Kunden und der Provider.
• Fehlende Kompetenzen: Definierte Rollen müssen klare Kompetenzen erhalten, damit Services zielgerichtet entwickelt und die Performance des Providers gemanagt werden kann.

Die Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Einführung


• Target Operating Modell: Es spiegelt die Auswirkungen der Service Integration und des Provider Managements auf alle Beteiligten. Seine Kernelemente sind ein konsistenter Servicemanagement-Prozess über alle Services und Parteien hinweg, SLAs zum Messen der Kooperation zwischen den Partnern, effektive Governance-Foren, -Prozesse und -Kontrollgremien sowie ein Change Management zur Integration neuer Services.
• Klare Verträge: Die Positionierung sollte sich in vertraglichen Regelungen widerspiegeln. Dies gilt im Speziellen mit dem Service Integrator und auch in den – oft bereits bestehenden – Vereinbarungen mit Service Providern, die Beistellleistungen gegenüber dem Service Integrator erbringen müssen, wobei auch dessen Verpflichtungen aufgezeigt werden müssen.
• Gemeinsames Rollenverständnis: Es genügt nicht, die Rollen nur in Verträgen zu beschreiben. Um ein gemeinsames Rollenverständnis zu entwickeln und zu leben, bedarf es ausserdem entsprechender Kommunikation und Schulung.

• Zentrale Aufgabe des Service Desk: Als sehr erfolgreich hat sich erwiesen, den Service Desk in den Mittelpunkt der Integrationsstrategie zu stellen. Viele typische Service-Management-Prozesse wie Incident-, Change- und Request-Management werden hierüber abgewickelt. Diese Prozesse vereinen das Kernwissen, das ein Service Integrator braucht, um eine ganzheitliche Integrationsleistung liefern zu können.
• Durchgängige Motivation: SIAM kann nur funktionieren, wenn man Anreize für alle Beteiligten schafft, gemeinsam erfolgreicher zu sein.
Ansonsten werden die Parteien nicht miteinander kooperieren und sich immer wieder in Eskalationsprozessen verstricken. Skalierung spielt dabei sicherlich eine Rolle.

Die fünf Schritte einer effizienten Implementierung

In der Praxis hat sich ein Top-down-Vorgehensmodell für die Implementierung bewährt:
1. Die Sourcing-Strategie definieren: Die Ziele der Auslagerung sowie die Kompetenzen und Verantwortungsgebiete der wichtigsten IT-Provider werden erfasst und fliessen in die Planung ein.
2. Das Service-Integrations-Modell festlegen: Unter Berücksichtigung der verschiedenen Kompetenzen wird definiert, welche Aufgaben der Service Integration intern übernommen werden und welche extern.
3. Die Sourcing-Verträge abstimmen: Die Verträge der internen und externen Service-Provider werden entsprechend angepasst. Dabei sind die jeweiligen Zulieferpflichten für die Service Integration eindeutig zu definieren.
4. Integrierte Umgebungen managen: Zur Steuerung – und möglichst stetigen Optimierung – der laufenden Beziehungen bedarf es entsprechender Governance-Prozesse sowie der erforderlichen Skills (zum Beispiel für Projekt-, Programm- und Prozess-Management etc.). Die zuständigen Gremien haben auch die Aufgabe, Änderungen im Provider-Portfolio oder in der Aufgabenverteilung in das Integrationsmodell einzufügen.



Peter Bertschin ist Client Director Information Services Group


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