«Frauen lassen sich sehr wohl für Informatik begeistern»
Quelle: swissICT

«Frauen lassen sich sehr wohl für Informatik begeistern»

Das Interview führte Barbara Jasch, Zürcher Lehrbetriebsverband ICT ZLI

Am Informatik-Studiengang «iCompetence» von Prof. Sarah Hauser nehmen 30% Frauen teil. Die Dozentin für Informatik und Leiterin iCompetence an der Fachhochschule Nordwestschweiz erklärt, warum.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/04

     

swissICT Magazin: In der Schweiz sind ca. 12 % Frauen in der Grundausbildung ICT. Wieso hat dieses Berufsfeld so wenig lernende Frauen?
Sarah Hauser:
In den Informatik-Studiengängen an Fachhochschulen liegt der Frauenanteil sogar tiefer, ca. 10% der Studierenden sind weiblich. Die Profilierung iCompetence – sie verbindet Informatik mit Design und Management – bildet da die Ausnahme. Hier liegt der Frauenanteil bei rund 30%. Fragt man die Studierenden, warum sie iCompetence wählen, dann betonen sie, dass sie diese Profilierung im Vergleich zu ‚traditionellen’ Informatikausbildungen durchaus als technisch, zugleich aber als ausgewogener erleben. Was sie besonders schätzen, sei, die Balance zwischen technischen und «kreativeren» Themen wie Interface Design, Usability oder IT-Projektmanagement. Frauen lassen sich sehr wohl für die technischen oder mathematischen Grundlagen der Informatik begeistern und sind hier auch sehr kompetent. Sie wollen sich aber nicht nur mit der Technik, sondern auch mit dem Anwendungskontext, den Menschen und der Wirtschaftlichkeit von Informatiklösungen auseinandersetzen.

Was müsste aus Ihrer Sicht gemacht werden, dass die jungen Frauen für den Beruf begeistert werden können?
Die heutige Informatik ist äusserst attraktiv für junge Frauen und Männer. Die Informatik durchdringt alle Lebensbereiche, wir alle sind ständig mit der Informatik in Kontakt. Sie bewirkt beispielsweise wie wir unsere sozialen Kontakte vernetzen, die Freizeit oder moderne Arbeitsprozesse gestalten. Informatikerinnen und Informatiker arbeiten zusammen mit Kundinnen und künftigen Usern, um die Anforderungen an Informatiklösungen zu ermitteln. Oder sie gestalten User Interfaces, bestimmen wie User mit der Software interagieren können und ob eine Anwendung nutzerfreundlich wird. Tätigkeitsfelder, die kreativ und kommunikativ sind. Diese Themen müssen in der Ausbildung nicht nur mehr Platz, sondern auch mehr Gewicht bekommen.
Die Veränderung, dass Informatik heute zwar technisch, aber ebenso kreativ und auf Kommunikation ausgerichtet ist, muss sich auch in den Anforderungen widerspiegeln. Wir müssen die Zugänge zu den Ausbildungen entsprechend offen und flexibel gestalten. Nicht nur wer in Mathematik und den Naturwissenschaften gute Noten hat, ist geeignet für eine Berufslehre oder ein Studium in Informatik.

Sind spezifische Massnahmen für Frauen überhaupt sinnvoll?
Wir müssen eine neue Zielgruppe von Frauen und Männern für die Informatik gewinnen. Und es ist notwendig sich damit auseinanderzusetzen, welches die Bildungsbedürfnisse der Industrie und dieser neuen Zielgruppe sind. Die Perspektive der Frau kann durchaus helfen diese zu erkennen.
Zum anderen ist es notwendig, dass die Informatik nicht nur von Männern gestaltet wird, während viele Informatik-User Frauen sind und die Informatik die Gesellschaft prägt und verändert.

Wäre eine Karrieren wie Ihre persönliche ein mögliches Musterbeispiel?
An Musterbeispiele glaube ich eigentlich nicht. Es sind Menschen, die einen für ein Thema motivieren oder neue Berufswege aufzeigen. Unsere Studentinnen widerspiegeln die Vielfalt der Wege. Sie haben sich für die Informatik entschieden mit einem Diplom als Übersetzerin, als Mediamatikerin, mit dem KV, der Informatiklehre, dem Master in Konservierung und Restauration oder als Politikwissenschaftlerin.
Ich habe nach der gymnasialen Matura mit Typus B an der ETH Informatik studiert (meine zweite Wahl wäre Germanistik gewesen). Bereits während dem Studium habe ich in der Informatik gearbeitet, als Programmiererin und Software Engineer. Nach dem Studium war ich als IT-Consultant tätig. Heute bin ich Professorin für Informatik an der Hochschule für Technik FHNW und leite die Profilierung iCompetence im Studiengang Informatik.

Was für Anstrengungen macht die FHNW um in den technischen Disziplinen mehr Frauen zu bekommen?
Die Hochschule für Technik hat im Jahre 2010 die Profilierung iCompetence im Studiengang Informatik lanciert und damit viele neue Studierende und insbesondere neue Frauen angesprochen. Die Gesamtzahl an Informatik-Studierenden hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt und der Frauenanteil in iCompetence ist heute überdurchschnittlich hoch. Die Hochschule für Technik engagiert sich auch stark in Projekten der Nachwuchsförderung wie beispielsweise «girls@science» und «boys@science», «Hack an app von Frauen» oder «Achtung, Technik Los».

Was braucht es neben den logisch-abstrakten Kompetenzen um in der ICT erfolgreich zu sein?
Sozial- und Kommunikationskompetenzen, Sinn für wirtschaftliche Zusammenhänge, gesellschaftliche Entwicklungen, Soziologie und vor allem Kreativität.






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