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Editorial

Editorial: Einem geschenkten Gaul…


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/03

     

Sie sind laut, alle die wechselwilligen Whatsapp-Nutzer, die ach so entsetzt darüber sind, dass Whatsapp jetzt Facebook gehört. Jetzt seien die Daten nicht mehr sicher, heisst es. Sie würden missbraucht, im Minimum für Werbung zweckentfremdet und aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch für die Jagd auf Sheikh Ach al Whazbinich-Sowichtich missbraucht. Doch jetzt mal ehrlich: Als die Daten noch «nur» Whatsapp gehörten, hat auch keiner gewusst, was damit angestellt wird. Es hat bloss niemanden gekratzt.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will die Datensammelwut von Regierungen und vor allem das, was mit diesen Daten angestellt wird, keinesfalls verharmlosen. Dass aber Internetriesen wie Facebook, Google und Co. all ihre Gratisdienste – und dazu zähle ich auch Whatsapp – nicht aus reiner Nächstenliebe anbieten, ist auch kein Geheimnis. Wir dürfen tolle Dienste wie Gmail, Blogger, Instagram, die Google-Suche, Twitter, Yahoo, Linkedin oder eben auch Facebook und Whatsapp zwar ohne Gebühr nutzen, bezahlen tun wir aber sehr wohl – mit unseren Daten, mit unserem Nutzerverhalten, mit unserer Empfänglichkeit für Werbung. Denn wie heisst es so schön: Gratis scheint nur die Sonne. Und darum: Entweder freuen Sie sich ob der personalisierten, auf sie zugeschnittenen Werbung und hoffen darauf, dass bei der NSA niemand Schweizerdeutsch kann oder sich dafür interessiert, mit wem Sie ein Bier trinken gehen. Oder aber Sie kehren nicht nur Whatsapp den Rücken, sondern gleich allen Gratis-Diensten der grossen Datenkraken. Doch dann können Sie zumindest Ihr Smartphone auch gleich in den nächsten See schmeissen.
Bleibt noch die Frage, warum Facebook Whatsapp für fast unverschämte 19 Milliarden Dollar gekauft hat. Unbestritten ist, dass Whatsapp auf ein enormes Wachstum zurückblicken kann. Whatsapp weist gut vier Jahre nach dem Start seines Dienstes 450 Millionen Nutzer aus. Facebook selbst schaffte in den ersten vier Jahren 145 Millionen, andere Dienste wie Gmail 123, Twitter 54 und Skype 52 Millionen User. Hinzu kommt, dass es sich bei den Whatsapp-Nutzern um eine äusserst aktive Nutzerschaft handelt. 70 Prozent benutzen den Dienst täglich. Ausserdem zählt Whatsapp aktuell eine Million neue User-Registrationen pro Tag und das Nachrichtenvolumen soll heute bereits in der Nähe des globalen SMS-Versands liegen. Doch ob das alles 19 Milliarden Dollar Wert ist?

Im Wesentlichen ist man sich einig, dass es Facebook mit der Übernahme unter anderem darum ging, dass niemand anderes Whatsapp schluckt – namentlich Google. Mark Zuckerberg kaufe sich mit Whatsapp zudem vor allem Wachstum, heisst es weiter, weil Facebook selbst bezüglich Wachstum langsam an gewisse Grenzen stosse. Angesichts der 450 Millionen Nutzer seien die 19 Milliarden zudem gar nicht so viel, denn der Preis von 42 Dollar pro User liege in etwa im Branchen-Mittelfeld.
Nicht vergessen darf man zudem, dass die 19 Milliarden Dollar vor allem ein Papierbetrag sind. «Nur» vier Milliarden werden in bar bezahlt, der Rest wird in Aktien beglichen, Facebooks «eigener Währung», wie es etwa auf dem deutschen Portal «Curved» heisst. Noch vor 18 Monaten war das 15-Milliarden-Dollar-Aktien-Paket 3,75 Milliarden Wert, und im Prinzip mache Facebook nichts anderes, als die Übernahme mit seinem phantastischen Börsenwert zu finanzieren. Oder wie «Curved» es ausdrückt: «Eine Blase finanziert die nächste».
(mw)


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