Nach der für viele überraschenden, jedoch für viele auch längst überfälligen Rücktrittsankündigung von Steve Ballmer im vergangenen Sommer, ist einige Zeit ins Land gegangen. Nun, an einem ganz gewöhnlichen, nicht sonderlich speziellen Tag anfangs Februar, hat Microsoft ohne grosses Tamtam seinen neuen CEO vorgestellt. Er heisst Satya Nadella, ist 46 Jahre alt, in Indien geboren und aufgewachsen und arbeitet bereits sein halbes Leben für Microsoft.
Ich hatte bereits die Gelegenheit, ihn live auf der Bühne zu erleben und kann sagen, dass die Art und Weise, wie der neue Chef vorgestellt wurde, zu ihm passt. Auch eines der ersten offiziellen Pressefotos von ihm als CEO, das ihn in einem Kaputzenpulli lässig an eine Wand gelehnt zeigt, ist stimmig. Er ist im Vergleich zu Ballmer deutlich ruhiger und gibt leisere und bescheidenere Töne von sich. Trotz oder gerade deswegen kommt er gut an. Auch in der riesigen und wichtigen Entwicklergemeinde von Microsoft ist Nadella beliebt, nicht zuletzt, weil er selber ein Techie ist – im Gegensatz zu Ballmer, dem Geschäftsmann und zuweilen auch Showman.
Hier ein Beispiel: An der letzten Build-Entwicklerkonferenz, an der ich teilnahm – notabene am Microsoft-Hauptsitz in Redmond – hielten sowohl Ballmer als auch Nadella eine Keynote. Während Ballmer etwas tollpatschig, aber irgendwie halt doch authentisch und fesselnd, neue Windows-8-Produkte präsentierte, referierte Nadella als Chef der Enterprise- und Cloud-Gruppe relativ nüchtern, aber doch mit einem gewissen Witz und Charisma über Visual Studio, Azure und andere, deutlich weniger attraktive Produkte.
Nadella versteht etwas von Software, von Microsoft. Und wie er in einem Webcast kurz nach der Ernennung zum CEO deutlich durchblicken liess, weiss er auch, was er tun muss. Immer wieder und fast schon gebetsmühlenartig waren aus seinem Mund die Worte «mobile first, cloud first» zu hören und dass Software in dieser neuen Welt eine grosse und wichtige Rolle spielt. Er erwähnte aber auch, dass es die richtige Hardware braucht – und hier versucht sich Microsoft ja spätestens seit der Nokia-Übernahme wirklich ein neues Standbein aufzubauen.
Ich bin gespannt, wie sich Microsoft unter der Führung von Nadella entwickelt und verändert. Ich erwarte allerdings keinen grossen Strategiewechsel oder grosse Überraschungen – etwas, das mit der Wahl eines externen Kandidaten durchaus möglich gewesen wäre. Der zuletzt eingeschlagene Weg wird also ziemlich sicher weiter gegangen. Und Kontinuität ist momentan sicher nicht schlecht, schliesslich befindet sich das Unternehmen derzeit gerade in einem Totalumbau und wird in absehbarer Zeit auch noch Nokia zu integrieren haben.
Neugierig bin ich aber noch auf etwas anderes. Was im Rahmen der Bekanntgabe meiner Meinung nach nämlich etwas unterging: Bill Gates ist zurück im operativen Geschäft und wird ab sofort wieder viel häufiger in den Microsoft-Büros in Redmond anzutreffen sein. Drei Tage in der Woche wird er dem neuen CEO angeblich ab sofort zur Seite stehen und ihn in Fragen rund um die Produktentwicklung und Technologietrends beraten. Dafür steckt er etwas weniger Zeit in seine Stiftung. Was hat Gates vor? Was hat er für neue Ideen und Pläne im Köcher? Und bringt er nun endlich das Startmenü zurück? Die Zukunft wird’s weisen.
(mv)