Viel Flexibilität gefordert
Quelle: Swiss ICT Magazin

Viel Flexibilität gefordert

Von Roland Schubert

Frauen in der ICT-Branche gelten noch immer als Exotinnen. Wir spüren junge Frauen auf, die sich in dieser Branche an verantwortlicher Stelle behaupten. Wir zeigen Berufsbilder auf und zeichnen den Werdegang der Spezialistinnen nach.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/11

     

Ursprünglich sprach nichts dafür, dass Annette Osswald in der Informations- und Telekommunikationsbranche landen würde. Ein Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Tourismus zog vielfältige Auslandaufenthalte nach sich. Annette war als Rezeptionistin in Frankreich tätig und als Reiseleiterin für Abenteuertouren in Kleingruppen im Van in Amerika unterwegs. Auf diesen Touren mit bunt zusammengewürfelten Gruppen trug sie grosse Verantwortung für eine Rundumversorgung der Reisenden und musste unter manchmal heiklen Bedingungen mit viel Fingerspitzengefühl die Gruppendynamik austarieren. Eine Lebensschule, wie sie sagt.
Mit dem Entscheid für mehr Sesshaftigkeit und der Suche nach einer festen Stelle sollte es doch auch wieder ein dynamisches Umfeld sein. Die Branche, in die sie rund um den Technologie-Hype der frühen Nullerjahre einstieg, liess in der Tat an Dynamik nichts zu wünschen übrig: Nach dem Start im Telekom-Sales wurde ihre Firma Multilink alsbald der T-Systems einverleibt und Annette Osswald, damals noch Meschede, wechselte in die Abteilung Bid Management der ICT-Dienstleisterin.

Aus dem ersten Eindruck, in einem abwechslungsreichen und steten Veränderungen unterworfenen Umfeld gelandet zu sein, wurde rasch Gewissheit: In den 11 Jahren, die Annette mittlerweile für das Unternehmen tätig ist, kamen unternehmensintern immer zur rechten Zeit neue Herausforderungen auf sie zu.
Ein Highlight war ihr berufsbegleitender EMBA mit der Fachrichtung IT/Telco am iimt in Fribourg: Zugelassen für dieses Weiterbildungsprogramm waren nur Manager aus dem ICT-Umfeld. Annette startete als Jüngste und zudem als einzige Frau – und schloss als Jahrgangsbeste und mit einem Award für die beste Masterarbeit ab. Auch privat gab es in dieser Zeit grosse Veränderungen: Ihr Sohn wurde 2008 und ihre Tochter 2011 geboren. Nach einer Auszeit von jeweils ca. acht Monaten kehrte sie an ihren Arbeitsplatz zurück.
Nach ihrer ersten Auszeit nahm sie die Tätigkeit als Bid bzw. Engagement Manager mit einem 60-Prozent-Pensum wieder auf. Die Herausforderungen in dieser Funktion liegen vor allem in der Verantwortung für Qualität, Vollständigkeit und Richtigkeit von Kundenangeboten und der Leitung der dafür zusammengestellten Projektteams. Annette selbst beschreibt es so: «Ich weiss, wo ich für alle Aspekte der Offerte jeweils die richtige Person finde und welche Schritte ich mit dem Team durchlaufen muss, um die Erwartungen des Kunden verständlich und konsistent abzubilden.»

2012, nach der zweiten Auszeit, folgte der nächste Karriereschritt: Annette erhielt den Auftrag, die Position eines Pricing Managers in der hiesigen Niederlassung der international tätigen ICT-Dienstleisterin aufzubauen. Diese Spezialisierung in die Tiefe, der Umgang mit KPIs und Kennzahlen, der Brückenschlag zwischen dem Angebots-Costing, der Finanzabteilung und den Sales-Kollegen und letztendlich das Zuschneiden individueller Preismodelle für jeden einzelnen Kunden machen ihren Job spannend.
Natürlich verlangt die Funktion ihr viel Flexibilität ab; gerade in heiklen Projektphasen muss sie aufpassen, den Druck vom Geschäft nicht ins Familienleben zu tragen. Andererseits sieht sie sich auch als Vorbild für ihre Kinder, dass sie erleben, wie wichtig es für beide Elternteile ist, sich für ihre Arbeit einzusetzen und gleichzeitig die Balance zwischen Familie und Beruf zu halten. Sie bedauert, dass es für Männer oft noch schwieriger sei, Auszeiten zu nehmen oder die Arbeitszeit zu reduzieren.

Seitens ihres Arbeitsgebers geniesst sie volles Vertrauen und kann sich ihre Arbeitszeit im Einklang mit dem operativen Business frei einteilen. Und wenn die eingespielte Maschinerie reibungslos läuft, bleibt sogar Zeit für ihr Hobby als Bratschistin im Orchester. Annettes Fazit: Die ICT-Branche ist nicht mehr so männerbestimmt wie vor einigen Jahren. Frauen mit Willen, Humor, Leistung und Authentizität tun den Teams gut und werden auch anerkannt. Wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte, würde sie sich überlegen, zuerst eine technische Fachrichtung zu studieren und mit ersten Arbeitserfahrungen die Betriebswirtschaft folgen zu lassen.



https://www.xing.com/profiles/Annette_Osswald



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