Über drei Millionen Kundinnen und Kunden zählt Postfinance mittlerweile und gehört damit zu den grössten Finanzinstituten in der Schweiz. Ob es ums Zahlen, Sparen, Anlegen, Vorsorgen oder Finanzieren geht – das Tochterunternehmen der Schweizerischen Post bietet ein breites Angebot. Dabei versteht es sich von selbst, dass ohne IT kaum noch etwas laufen würde, insbesondere im Kundendienst.
Ein CRM, 1200 Anwender
Pro Woche erhält Postfinance rund 60’000 Anrufe und 30’000 E-Mails, insgesamt zählt man rund 100’000 Kundenkontakte. Darum überrascht es nicht, dass das CRM-System in der ganzen Applikationslandschaft eine wichtige, wenn nicht gar eine zentrale Rolle einnimmt. «Es ist das Kernelement, das Herzstück», wie Sylvie Meyer, Leiterin Vertrieb und Mitglied der Geschäftsleitung von Postfinance, erklärt. «Ohne wären wir verloren und hätten viele, viele unzufriedene Kunden.»
2005 wurde nach einer grösseren Evaluation darum, zuerst für die Geschäftskundenbetreuung und ein Jahr später dann auch für die Privatkundenabteilung, eine professionelle CRM-Lösung eingeführt. 2008 wurden die beiden Systeme dann miteinander vernetzt und konsolidiert und zwei Jahre später wurde schliesslich auch der gesamte, damalige Kundendienst integriert. Heute arbeiten unter anderem sämtliche Frontmitarbeiter von Postfinance damit, total rund 1200 Personen.
Als Hersteller und Partner fungiert das Schweizer Unternehmen Business Systems Integration (BSI). Man hat sich also für einen kleineren und keinen der ganz grossen Business-Softwarehersteller entschieden. Und das ganz bewusst. «Man kann viele gute CRM-Lösungen kaufen. Das Problem bei grösseren Herstellern ist jedoch, dass ihnen eine gewisse Flexibilität fehlt. Das schätzen wir an BSI, hier ist die Flexibilität gross», erläutert Meyer. Im Gegensatz zu grösseren Anbietern mit ihrer Standardsoftware und fixen Release-Zyklen habe BSI die Möglichkeit, viel flexibler auf Kundenbedürfnisse einzugehen und Kunden wirklich Lösungen anzubieten, die sich für ihre Landschaften eignen.
Echtzeit-Steuerungsinstrument
Flexibilität war und ist auch gefragt, wenn es um die Einbindung und Anpassung des BSI CRM an die anderen IT-Systeme von Postfinance geht. Zirka 30 Schnittstellen gibt es aktuell, unter anderem zu einer Lösung für das Personalmanagement, dem Data Warehouse, der Kernapplikation für den Zahlungsverkehr oder zu einem Customer Intelligence (CI) System. «Nicht zu vergessen ist natürlich unser Telefoniesystem», ergänzt Meyer. Zudem ist das CRM für die Terminplanung auch mit Outlook verknüpft. Und es gibt eine spezielle iPad-Lösung für Berater.
Besonders hervorzuheben ist dabei das CI-System, eine Lösung des Softwareherstellers SAS. Darüber werden, anhand der mit dem CRM gesammelten Daten, unter anderem Leads generiert, die dann im CRM der Verkäufer sowie auch der Contact-Center-Mitarbeiter angezeigt werden. Solche Leads sind beispielsweise, welche nächstbeste Aktion oder welches nächste Produkt sich für den jeweiligen Kunden gut eignen würde.
«Dank den Auswertungen aus unserem CRM und unserem CI-Sy-stem können wir beispielsweise relativ rasch zeigen, wie sich unsere Kunden bewegen oder welche Typen von Anfragen wir haben», erklärt Meyer weiter. So sehe man zum Beispiel, dass heute immer noch rund 20 Prozent der Kunden nur anrufen, um ihren Saldo abzufragen. «Es ist also ein gutes Steuerungsinstrument und ermöglicht uns, wie bereits erwähnt, einen aktiven Einfluss auf das Geschäft», so das Geschäftsleitungsmitglied von Postfinance.
Besonders geschätzt wird dabei, dass die Daten von der BSI-Lösung in Echtzeit erfasst werden und damit praktisch real-time in allen Kanälen zur Verfügung stehen.
Eine Eigenentwicklung kam, trotz der hohen und speziellen Anforderungen an das CRM-System, bei Postfinance übrigens nie in Frage. «Es ist nicht unser Kerngeschäft, und wir brauchen wirklich eine professionelle Lösung in jeder Hinsicht», erklärt Meyer, «zudem würde eine interne Lösung schlicht zu viele Ressourcen binden.» Momentan kümmern sich bei Postfinance rund 15 Leute um das CRM, allerdings nicht Vollzeit. Dazu gehören ein Betriebsteam, diverse Projektmitarbeiter sowie natürlich IT-Speziali-
sten, die vor allem dann zum Einsatz kommen, wenn es um neue Releases oder Erweiterungen geht. Zudem stellen sie auch den Support der Mitarbeiter an der Front, also den 2nd-Level, sicher.
Nur so gut wie die Anwender
Natürlich gab und gibt es im Zusammenhang mit einer so breit eingesetzten und integrierten Softwarelösung auch bei Postfinance laufend Herausforderungen, die es zu meistern gilt. In den ersten Jahren tauchten während der Skalierung und in der Zusammenarbeit mit den eigenen Systemen hie und da Probleme auf, «aber nichts Kritisches», wie sich Vertriebsleiterin Meyer erinnert. Zudem hat BSI laut ihr immer sehr schnell reagiert und Lösungen gefunden.
Eine weitere, wenn nicht sogar die grösste Herausforderung, stellt laut Meyer aber die Harmonisierung aller Informationen der verschiedenen Kontaktpunkte, ob Telefon, E-Mail oder persönlicher Kontakt, dar – und das in einem 24/7-Betrieb. Dazu braucht es ihrer Meinung nach ein sehr gutes CRM-System, aber auch geschulte und willige Mitarbeiter. «Ein CRM wird zu Beginn vor allem als Mehraufwand angesehen. Warum soll ich das machen, wenn ich meine Kunden und sowieso alles im Kopf habe?», weiss Meyer aus Erfahrung.
Für die Akzeptanz einer CRM-Lösung braucht es ihrer Meinung nach darum eine besonders hohe Aufmerksamkeit des Managements: «Das Projekt muss sehr hoch angesiedelt und wirklich gut begleitet werden. Den Mitarbeiter-
innen und Mitarbeitern muss der Nutzen klar aufgezeigt werden.» Was im eigenen Fall sehr gut gewesen sei, sei, dass die Einführung wellenweise erfolgte. Man habe so immer wieder kleine Erfolge zeigen können. «Trotzdem muss das CRM heute immer noch thematisiert und sichergestellt werden, dass die Daten auch wirklich sauber eingegeben werden.» Denn ein CRM ist ihrer Meinung nach nur so gut wie seine Anwender. «So strukturiert wie die Daten eingegeben werden, so strukturiert kommen sie am anderen Ende raus und können dementsprechend weiter genutzt werden.» Nicht zuletzt deshalb empfiehlt die Vertriebsspezialistin, die CRM-Pflege sogar als Kriterium in die Mitarbeiterziele aufzunehmen.
Zufriedenere Kunden
Die Einführung und die Pflege eines CRM-Systems bringen also einen grossen Aufwand mit sich. Allerdings lohnt er sich – zumindest im Falle von Postfinance. «Durch das CRM haben wir unwahrscheinlich viel an Effizienz gewonnen und damit letztlich auch einiges an Geld gespart», erklärt Meyer stolz. Als Beispiel nennt sie die First Contact Resolution, die deutlich gestiegen ist und heute bei 90 Prozent liegt. Das bedeutet, dass mehr Zeit für Verkaufsgespräche bleibt. «Zudem konnten wir damit personalmässig einige Stellen einsparen», so Meyer weiter, wobei das nicht etwa heisse, dass Leute entlassen wurden: «Durch die natürliche Fluktuation hat es Lücken gegeben, die wir gar nicht mehr füllen mussten. Oder wir konnten Mitarbeiter weiterbilden und in anderen Bereichen einsetzen, in denen sie benötigt wurden.» Nicht zuletzt sei Dank den Effizienzgewinnen aber auch die Erreichbarkeit besser geworden und damit die Kundenzufriedenheit insgesamt gestiegen.
Social, Mobile und Cloud
Trotz all dieser Erfolge gibt es laut Meyer noch Potential nach oben. Dabei denkt sich auch an die Weiterentwicklung des CRM-Systems. Doch in welche Richtung geht es? Welche Trends (siehe Artikel ab Seite 38) sind ein Thema? «Mobile CRM ist wichtig für uns und gewinnt an Bedeutung. Mit unserer Multikanalstrategie und dem Fokus auf die selbständigen Kunden kommen wir nicht daran vorbei», meint Meyer. Und wie sie erklärt, wurde bereits mit der Marktbearbeitung via Mobilgeräte begonnen. Der mobile Kanal ist allerdings noch nicht ins CRM eingebunden. Das sei aber der nächste Schritt. Denn das grosse Ziel der Vertriebsspezialistin ist eine komplette 360-Grad-Sicht über ihre Kunden.
Die Cloud ist bei Postfinance aus Sicherheitsüberlegungen derweil kein Thema. Der Grund ist einfach: «Als Finanzinstitut sind wir sehr vorsichtig, was den Umgang mit Kundendaten angeht.» Darum gibt es im CRM-System übrigens auch verschiedene Berechtigungsstufen und nicht jeder Mitarbeiter sieht gleich viel, sondern nur das, was er sehen muss.
Auch was Social CRM betrifft, ist man bei Postfinance sehr zurückhaltend. «Wir sind ein Finanzinstitut und müssen unsere Kundinnen und Kunden authentifizieren, um mit ihnen interagieren zu können. Darum nutzen wir Social Media im Kundenkontakt eher reaktiv und nicht aktiv», erklärt Meyer. Unter anderem gibt es ein Monitoring und man schaut, worüber sich die Kunden unterhalten. Aber ins CRM fliessen die Daten aus sozialen Netzwerken nicht. Was man sich jedoch vorstellen kann, ist eine Integration im Sinne eines Alarmings.
(mv)