Vor zehn Jahren wurde das erste Mal die Studie «Anwenderzufriedenheit ERP/Business Software» durchgeführt. Was ursprünglich in der Schweiz mit gut 350 Teilnehmenden begann, hat sich in zehn Jahren zu einer globalen Studie mit weit über 1500 Teilnehmenden entwickelt. Die kurz «ERP-Z» genannte Studie ist dabei zu einem festen Bestandteil in der Agenda geworden.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die bereits mit der ersten Durchführung gewonnen wurde, war die Tatsache, dass eine solche Studie den Anwenderunternehmen Gehör verschafft und sich die Ergebnisse zum Teil deutlich von den Portfolios und Quadranten der grossen Analysten unterscheiden. Diese Erkenntnis gilt auch für die Durchführung im Jahr 2013: Der ERP-Markt ist viel bunter und breiter, als es die bekannten Portfolios beispielsweise einer Firma Gartner vermuten lassen. Die ursprüngliche Erkenntnis war damals wie heute: Es gibt jede Menge lokaler Player, die sich sehr gut gegen die sogenannten Global Player behaupten können und in der Summe den Markt letztlich dominieren. Gleichzeitig gibt es immer wieder Global Player, die zwar auf den Gartner-Quadranten auftauchen, im globalen ERP-Markt aber keine so grosse Rolle spielen. So fehlen auch in diesem Jahr Namen wie Oracle, QAD, Exact oder Epicor auf den Auswertungen von i2s. Dies liegt letztlich an mehreren eng verzahnten Tatsachen: Erstens gibt es keinen wirklich «globalen» ERP-Markt.
ERP-Märkte sind immer lokal und werden von lokalen ERP-Anbietern oder den lokalen Partnern von globalen Anbietern beherrscht. Zweitens ist der ERP-Markt ein Mittelstandsmarkt. Im Mittelstand finden sich die grossen Kundenzahlen, aber auch die gesamte Marktbreite. Und drittens dominiert der deutschsprachige Raum den globalen ERP-Markt. Der dritte Punkt geht häufig vergessen, da ein Land wie die Schweiz ja Teil dieses deutschsprachigen Marktes ist. Es gibt aber keine Wirtschafts- und Sprachregion auf der Welt, wo so viele Unternehmen in Relation zur Wirtschaftsleistung ERP-Systeme nutzen und gleichzeitig eine so umfangreiche und detaillierte Nutzung von ERP-Systemen auch bei kleineren Unternehmen erfolgt. Die Folge dieses Umstandes ist, dass im deutschsprachigen Raum sehr, sehr hohe Kundenerwartungen auf eine hervorragende Leistungsdichte treffen. Gleichzeitig gilt der deutschsprachige Raum in der Folge bei den nicht-deutschsprachigen Managern und Strategen von grossen ERP-Anbietern als kompliziert und pedantisch.
(Quelle: i2s research, 2013)
(Quelle: i2s research, 2013)
Mischung von globalen und lokalen Playern
Dieser etwas komplizierte Umstand hat das Marktanalystenteam von i2s dieses Jahr dazu veranlasst, erstmals zwei eigenständige Portfolios zu veröffentlichen: Ein Portfolio mit den ERP-Anbietern, die sich klar als Global Player positioniert haben, und ein Portfolio mit Anbietern aus dem DACH-Raum. Bei den im globalen Portfolio aufgeführten Anbietern konnten im Rahmen der Erhebung Daten aus zahlreichen Ländern und nicht nur aus dem deutschsprachigen Raum gewonnen werden. Dabei handelt es sich um relativ wenige Systeme und die üblichen Verdächtigen: SAP, Microsoft, Infor und IFS. Als Aussenseiter konnte sich Abas platzieren, das in den letzten Jahren konsequent an seiner Globalisierungsstrategie gearbeitet hat und mittlerweile in zahlreichen Ländern Installationen und Lokalisierungen anbieten kann. Interessant ist, dass es Abas gelungen ist, seine immer gute Position im traditionellen lokalen Markt auch auf dem globalen Markt zu halten. Hier ist klar ein gewisser Aussenseiter-Vorteil auszumachen. Interessant ist auch die Positionierung der beiden Microsoft-Produkte AX (vormals Axapta) und NAV (vormals Navision), die sich durchaus konträr zu den Marketingaussagen platzieren: NAV bekommt als Produkt von den Anwendern die besseren Noten, während sich bei AX vor allem die Partner besser positionieren.
(Quelle: i2s research, 2013)
In beiden Bewertungen zeigen sich aber klar die zahlreichen Initiativen der vergangenen Jahre. Im Sog von Microsoft hat sich insbesondere IFS als weitere Alternative am globalen ERP-Markt positioniert. IFS hat hier in den letzten Jahren viel Selbständigkeit bewiesen und baut seine Kundenbasis beharrlich aus. Der etablierte Marktführer SAP leidet gerade im Kontext der ERP-Zufriedenheitsstudie an seiner eigenen, sehr grossen Kundenbasis. Dabei zeigt sich die SAP-Kundenbasis als durchaus wertkonservativ und SAP fällt es schwer, mit den zahlreichen und attraktiven technologischen Neuerungen an der breiten Kundenfront wirklich Fuss zu fassen. Hier zeigt sich zudem natürlich auch klar, dass die ERP-Z letztlich eine Vergangenheitsbetrachtung ist: Untersucht werden nur abgeschlossene Projekte und Installationen, die schon mindestens sechs Monate produktiv sind. Die ursprünglichen Investitionsentscheide und häufig auch die Einführungsprojekte liegen dann im Mittel schon um Jahre in der Vergangenheit.
Deutschsprachiger Markt wächst zusammen
Erstmals verzichten die Macher der ERP-Zufriedenheitsstudie auf die Publikation von länderspezifischen Portfolios für die langjährigen Kernländer der Studie, Schweiz, Deutschland und Österreich. Der Grund liegt darin, dass sich der Markt von einem spezifisch schweizerischen, deutschen und österreichischen Markt immer mehr zu einem gemeinsamen DACH-Markt entwickelt hat, in dem die Verteilung der Industrieballungsräume wichtiger für die lokale Marktpräsenz ist, als die eigentlichen Ländergrenzen.
Schweizer Anwenderunternehmen kennen diesen Effekt allein schon daher, dass in nahezu jedem ERP-Beraterteam der Schweiz einer oder mehrere deutsche Berater tätig sind. Vergleicht man das nun vorliegende DACH-Portfolio mit den verschiedenen Länderportfolios aus den Ursprungsjahren der ERP-Z in 2003 bis 2005 kann man zwei Effekte feststellen: Einerseits gibt es langjährige Marktführer in Sachen Kundenzufriedenheit, die ihre Positionierung auch nach so vielen Jahren tapfer behaupten können. Dazu gehören etwa Tosca, Profinance, Proffix und Opacc One aus der Schweiz sowie Rs2 aus Österreich. Andererseits sind viele Beteiligte regelrecht verschwunden und haben heute keine Marktrelevanz mehr. Neue Player sind so gut wie keine hinzugekommen. Auffällig ist auch der Effekt, dass sich Besitz- und Managementwechsel in der Vergangenheit durchaus in der jeweiligen Positionierung nachvollziehen lassen.
Konstanter Funktionalitätszuwachs
Im Rahmen der ERP-Zufriedenheitsstudie wird traditionell auch die Installationsbasis bezüglich Modulen und Funktionsumfang untersucht. Hier zeigen sich letztlich die grössten Unterschiede zwischen 2003 und 2013. Während im Jahr 2003 noch zwölf Module und Funktionsbereiche untersucht wurden, sind es mittlerweile 32. Die Studie differenziert hier seit Jahren immer deutlicher nach Art der Realisierung und zeigt auf, wo neben originären ERP-Modulen Drittsoftware oder Lösungen aus dem Reich der Schatten-IT zum Einsatz kommen.
Gerade der Bereich der Dritt- beziehungsweise Add-on-Software hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem unüberblickbaren Markt entwickelt, in dem sich ständig neue Player mit wechselnden Namen und wechselnden Besitzverhältnissen bewegen. Gerade die grossen ERP-Anbieter, die vor zehn Jahren noch alles eigenständig, selbstentwickelt und aus einer Hand anbieten konnten, mussten beim Wettlauf um die funktionalen Erweiterungen umstellen und setzen heute vermehrt auf Partnerschaften, aber auch auf Akquisitionen. So verdienen viele Nischenplayer im Bereich der ERP-Add-On-Software ihr Geld nicht über die lizenzierten Kunden, sondern einmalig beim Aufkauf ihres Unternehmens. In der Folge ist das All-in-One-Ideal, das 2003 noch nahezu unumstösslich den Ideenmarkt beherrschte, einer Allmost-in-One-Realität gewichen. Gleichzeitig haben ERP-Ökosysteme massiv an Bedeutung gewonnen und gerade kleine Anbieter zu klaren Richtungsentscheiden gezwungen.