In Zeiten, in welchen die Zahl der Burnout-Erkrankungen stetig zunimmt, ist das Schlagwort Work-Life-Balance in aller Munde. Und dass der Mensch den Planeten mit seiner Umweltverschmutzung langsam aber sicher zerstört, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Diese beiden Aspekte machen sich die Initianten des jährlichen, schweizerischen Home Office Day zunutze, der Mitte Juni zum vierten Mal über die Bühne ging. Dass an einem Tag, an welchem wie in diesem Jahr rund 100’000 Menschen weniger an ihren Arbeitsplatz pendeln, weniger CO2 ausgestossen wird, freut mich natürlich. Und dass man, wenn man sich die Zeit für den Arbeitsweg sparen kann, mehr Zeit für sein Privatleben hat, begeistert mich sogar. Zudem dürften sich die Menschen, die es trotz Home Office Day ins Büro zog, über weniger Verkehr oder einen Tag ohne Kampf um einen Sitzplatz im Zug gefreut haben – als langjährige ÖV-Nutzerin kann ich davon ein Lied singen.
Trotzdem stellt sich mir die Frage, wie nachhaltig ein einziger Tag der Heimarbeit pro Jahr effektiv ist und wieviel Unternehmen aufgrund dieses Projekts tatsächlich auf Home Office umstellen. Böse Zungen würden wohl behaupten, dass der Home Office Day primär gute PR für die Initianten ist. Swisscom, Microsoft und Witzig The Office Company erhalten so nämlich die Möglichkeit, sich als fortschrittliche, moderne Arbeitgeber zu positionieren, denen das Wohl ihrer Mitarbeiter am Herzen liegt.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin ein Fan von Heimarbeit, mehr Freizeit und davon, althergebrachte, starre Strukturen aufzubrechen. Gerade als Frau im sogenannt besten gebärfähigen Alter wäre alles andere ein Schuss ins eigene Knie. Denn sollte es einmal soweit sein, möchte ich trotz Kind nicht komplett auf meinen Beruf verzichten und bin spätestens dann auf einen flexiblen, modernen Arbeitgeber angewiesen.
Trotz aller Pluspunkte von Home Office sehe ich aber auch die Risiken, die dieses Konzept birgt. So bringt Home Office meiner Meinung nach nicht zwingend mehr Work-Life-Balance. Vielmehr besteht bei der Heimarbeit die Gefahr, dass die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit noch mehr verwischen, als sie es bereits jetzt tun. Die physische Abgrenzung zwischen Arbeitsplatz und dem Zuhause fällt weg und der Mitarbeiter ist dadurch eher geneigt, auch nach Feierabend oder am Wochenende in seine Geschäfts-Mailbox zu schauen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass dies ohnehin bereits vielerorts gang und gäbe ist. Mir allerdings sind meine Freizeit und mein Privatleben heilig und ich bin noch nie in Versuchung geraten, am Samstag meine Mails zu checken. Und das würde ich gerne auch so weiterführen.
Des weiteren würde mir bei stetiger Heimarbeit der Austausch von Angesicht zu Angesicht mit meinen Kollegen fehlen. Fällt dieser nämlich komplett weg, so leidet die Unternehmenskultur. Und keine Videokonferenz kann beispielsweise ein gemeinsames Mittagessen mit meinen «Gspönli» gleichwertig ersetzen. Doch nicht nur für die Angestellten, auch für den Arbeitgeber ist Home Office eine Herausforderung. So muss er schlicht und einfach darauf bauen, dass seine Mitarbeiter ihre Arbeit auch von Zuhause aus erledigen – und dies in gewohnter Qualität und Zeitdauer. Home Office ist also immer auch eine Frage des Vertrauens – ganz abgesehen von der Frage nach der Sicherheit, wenn plötzlich Firmendaten auf den privaten Rechnern landen.
Deshalb bin ich zwar für Home Office, aber mit klar definierten Regeln, die sich um Fragen der Sicherheit, der Arbeits- und Freizeit oder der Unternehmenskultur kümmern.
(abr)