Microsoft war gefürchtet. Was der Software-Riese aus Redmond machte, konnte Schockwellen im Markt auslösen. Nachdem man in den 90er IBM vom Thron stürzte, regierte Microsoft die IT-Welt nach Belieben. Word Perfect? Weggefegt. Netscape? Vom Markt ausradiert. Apple? Das Motto lautete: «Den lieben Leuten helfen wir mit einem Notgroschen.» Microsoft diktierte den Hardware-Herstellern die Preise, zeigte, wo es in der Software-Entwicklung lang geht und baute eine unglaubliche Geldmaschine. Ein Monster, das jeden Mitbewerber frass, der sich ihm in den Weg stellte. Und heute? Microsoft verdient zwar massig Geld, aber Angst hat niemand mehr vor dem Riesen aus Redmond. Den Takt geben heute Firmen wie Apple, Google, Facebook und Amazon an.
Schaut man sich den aus Redmond schön geredeten Flop rund um Windows 8 an, könnte man Mitleid mit der einst unangefochtenen Nummer 1 bekommen. Microsoft ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Von allen Seiten wird das Unternehmen unter Druck gesetzt. Ob Open-Source-Alternativen Microsoft Marktanteile abjagt oder Google auf dem Handy der Betriebssystem-König ist: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Doch halt. In der Computerwelt findet erneut ein Wechsel statt. Unter dem Schlagwort IaaS (Infrastructure as a Service) buhlen Anbieter darum, in Zukunft nicht mehr Festplatten, CPUs, Rechner und Betriebssysteme zu verkaufen, sondern Infrastruktur als Service anzubieten. Abgerechnet wird nicht mehr, was man kauft, sondern was man braucht. Wer am Wochenende keine Rechen-Power benötigt, bezahlt keine, und wer in Spitzenzeiten kurzfristig 10 Mal mehr Leistung benötigt, schaltet diese per Knopfdruck dazu.
In diesem Markt hat sich Amazon einen Namen gemacht. Unter Amazon EC2 bietet der Online-Händler seit Jahren Computerleistung nach Bedarf an. Einige der erfolgreichsten Start-ups wie Airbnb, Instagram und Pinterest bauen heute keine eigene Infrastruktur mehr auf. Stattdessen nutzen sie Services on Demand. Und vermehrt setzen auch kleinere Firmen auf diesen Trend. Nicht Windows-Server werden gekauft, sondern nur die effektive Leistung wird aus der Cloud bezogen. Für Microsoft eine gefährliche Entwicklung, denn was bleibt von Microsoft noch übrig, wenn sie nicht einmal mehr Exchange, SQL Server und Windows verkaufen können?
Die Redmonder scheinen sich daran zu erinnern, wie sich IBM in den 90ern erholte, als sie vom Thron gestürzt wurden. IBM erfand sich kurzerhand neu und entwickelte sich unter dem Motto «Wer sagt, Elefanten können nicht tanzen?» zum globalen IT-Dienstleister. So scheint es nun auch Microsoft zu machen. Statt Server-Software zu verkaufen, gehen sie unter dem Namen Azure und mit einem aggressivem Preisangebot in den neu entstehenden Markt für Infrastructure as a Service. Verkauft wird Rechenleistung und Bandbreite statt Betriebssystem und Software. Dies ist in mehrerer Hinsicht eine Herausforderung. Ist Microsoft damit erfolgreich, werden die Umsätze im klassischen Lizenzgeschäft einbrechen. Bis jetzt zeigte sich Microsoft wenig mutig, alte Ertragsbringer mit neuen Cloud-Lösungen zu kannibalisieren. Lange hoffte Microsoft wohl, dass dieses «blöde Ding» – Software über das Internet – wieder verschwindet und man irgendwann wieder zum alten Geschäft zurückkehren darf. Doch dieser Zug ist endgültig abgefahren. Die Frage bleibt: Werden es die Redmonder dieses Mal trotzdem mit allen Konsequenzen durchziehen? Und wie gehen sie mit ihren Partnern um? Eine der grossen Stärken von Microsoft war es immer, Partner am eigenen Erfolg mitverdienen zu lassen. Aber wie wird Microsoft in Zukunft mit seinen Partnern wie Swisscom umgehen, die unter Dynamic Computing Service Microsoft Software einsetzen? Geht man mit seinen Partnern in den Preiskampf, wenn andere IaaS-Anbieter wie Amazon EC2 Druck machen?
Man darf gespannt sein, wie sich Microsoft auf dem neuen Tanzparkett macht. Eines darf man schon jetzt mit Bestimmtheit sagen: Ein gemütlicher Walzer wird es nicht.