Entsprechend dem Leitsatz «Die duale Berufsbildung ist darum so stark, weil sie regelmässig mit den Betrieben überprüft und auf die künftigen Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet wird» hat ICT-Berufsbildung Schweiz die Grundlagen der Informatiklehre überarbeitet.
Dazu schrieb ICT-Berufsbildung Schweiz alle Lehrbetriebe an, um deren Meinung zu befragen. Die Vernehmlassung brachte eine unerwartet hohe Beteiligung von 507 Firmen, die 4244 Lernende oder 70 Prozent aller Informatiklehrlinge beschäftigen Die Antworten fielen völlig klar aus, ICT-Berufsbildung Schweiz kann nun die Revision zielstrebig umsetzen.
Die heutige Ausbildung ist gut, aber die Anforderungen haben sich verändert. Ziel der Revision war die Ausrichtung auf die künftigen Bedürfnisse und die Erstellung von Bildungsplänen, die den Einsatz in betrieblicher Praxis sowie den schulischen Teil für alle Kantone verbindlich regeln. Es war bekannt, dass eine schweizweit identische Ausbildung nötig ist. Heute nämlich ist die Informatiklehre im Gegensatz zu allen anderen Berufen von Kanton zu Kanton völlig unterschiedlich.
Auch die Stundenpläne der Berufsschule sollen vereinheitlicht werden. Bisher hatte man beispielsweise in Bern 800 Informatik-Lektionen, 1700 wurden für andere Fächer (Physik, Chemie, Mathematik etc.) verwendet. Andere Kantone hatten 1300 Informatik-Lektionen und dafür weniger in den anderen Fächern. Das bedeutete, dass zwar jeder Lehrabgänger ein Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis erhielt, jedoch völlig andere Kompetenzen mitbrachte. Was dazu führte, dass niemand weiss, was die Abgänger/-innen können. Daraus entstanden unzählige Missverständnisse und Fehlanstellungen.
Die schweizerische ICT-Branche muss ihre Nachwuchskräfte selber ausbilden. (Quelle: Swiss ICT Magazin)
Die heutige Ausbildung ist gut, aber die Anforderungen haben sich verändert. (Quelle: Swiss ICT Magazin)
Unterschiedliche Rezepte für die Berufslehre
Es ist wohl der mit knapp 20 Jahren noch recht jungen Lehre zuzuschreiben, dass dermassen unterschiedliche Ansichten über den erfolgreichen Weg zur Informatik-Fachperson bestehen und mit einer unbeschreiblichen Vehemenz vertreten werden. Für die einen muss eine Lehre völlig breit gestaltet werden: Die Lernenden sollen in Systemtechnik, Support bis Programmieren ausgebildet werden. Dies führt zu oberflächlichen Kompetenzen.
Andere wiederum argumentieren den Berufszweigen nach und möchten vom ersten Tag an reine Applikationsentwickler, Supporter oder Systemtechniker ausbilden. So wie die Fachleute in den Betrieben auch eingesetzt werden, was in vielen Fällen auch der Firmenstruktur entspricht.
Eine weitere Strömung möchte, dass im ersten, besser sogar in den beiden ersten Lehrjahren, alle die gleiche Ausbildung bekommen. Um erst dann zu entscheiden, welche Vertiefung angegangen werden soll. Die damit sehr spät beginnende Vertiefung macht die Ausbildung defizitär – 60 Prozent der befragten Betriebe sind jedoch der Ansicht, dass sich die Lehre auszahlen muss.
Duale Berufsbildung: Learning by Doing
Im Zentrum der dualen Berufsbildung steht das Learning by Doing. Schritt um Schritt sollen die Grundkompetenzen eines Berufes erworben werden, die zentralen Tätigkeiten im FoKus. Man wird Koch, Bäcker oder Metzger. Aber nicht «Lebensmittelgeneralist». Und bereits mit der Lehre müssen sie arbeitsmarktfähig werden – man muss sie nach der Ausbildung gern haben und einsetzen wollen.
Deutlich mehr Ausbildungsbetriebe und deutlich mehr Lehrstellen können nur gewonnen werden, wenn die Betriebe den Nutzen für sich erkennen und die gewünschten Nachwuchsleute hervorgehen. Die Entwicklung in die Breite erfolgt dann später im Beruf durch entsprechende Tätigkeiten. Selbstverständlich ist es wichtig, im Anschluss an die Grundbildung eine höhere Bildung in Angriff nehmen. In der Informatik sollten das drei von vier tun.
Künftig nur noch drei Fachrichtungen
Die Auswertung der Umfrage in den Lehrbetrieben hat wichtige Informationen erbracht. So liegen wir mit dem Modulkonzept absolut richtig, 96,6 Prozent der Unternehmen wollen daran festhalten. Die Ziele der Revision wurden grossmehrheitlich bestätigt. Nicht überraschend sind 60 Prozent der Firmen der Meinung, dass sich die Lehre für den Betrieb rechnen muss. Ganz klar wurde der künftige Bedarf vor allem im Bereich Applikationsentwicklung und etwas weniger in der Systemtechnik angegeben. Die Allgemeine Informatik und die Betriebsinformatik, welche die bisherigen Schwerpunkt Support und die vor allem in der Romandie übliche generalistische Ausbildung ersetzen sollten, wurden als diffus, schwer erklärbar und nicht so nötig beurteilt.
Darum wird es künftig für Informatiker nur noch drei Fachrichtungen geben: Applikationsentwicklung, Systemtechnik und Betriebsinformatik. Das im Qualifikationsprofil angegebene Ausbildungsziel für die ganze Schweiz wurde bestätigt. Auch die Leistungsziele für den betrieblichen Einsatz – ein Hilfsmittel, das eine wichtige Lücke aus den früheren Revisionen schliesst.
Bestätigt wurde auch die vorgeschlagene Lektionenzahl der Berufsfachschulen (1000 Lektionen Informatik, 600 Lektionen erweiterte Grundkompetenzen, d.h. 200 Englisch, 120 Mathematik, 120 Naturwissenschaften (Physik, Chemie), 160 Wirtschaft und Recht). Das vorgeschlagene Qualifikationsverfahren (Abschlussprüfung) fand ebenso eine deutliche Zustimmung. Nur bei den kostenpflichtigen überbetrieblichen Kursen wurde die vorgeschlagene Menge von 40 Tagen von 15 Prozent der Befragten als zu hoch angesehen, weshalb diese künftig um eine Woche auf 35 Tage gekürzt werden.
Fachrichtungen mit geschärftem Profil
Entsprechend den veränderten und höheren Anforderungen des Berufes, wird die Ausbildung nun ab Lehrstart 2014 auf die drei genannten Fachrichtungen mit geschärftem Profil festgelegt. Ziel ist, dass am Schluss der Lehre marktfähige Fachleute resultieren, die man als Applikationsentwickler/-innen, Systemtechniker/-innen einsetzen kann oder mit breiteren und für die betrieblichen Belange weniger tief nötigen Kompetenzen als Betriebsinformatiker. Die jungen Leute erwarten gleich nach der Lehre Saläre von bis zu 70‘000 Franken – entsprechend müssen sie diese aber auch wert sein, also die entsprechend hohe Wertschöpfung erbringen. Das ist damit das Abgangsziel der Lehre.
Wir wissen aus der grossen Berufsfeldanalyse von 2010, aus der jetzt gemachten Umfrage und eigentlich aus jeder Internet-Stellenbörse, dass es in der Schweiz in erster Linie an guten Applikationsentwicklern mangelt. Auch sehr gute Systemtechniker, die sich in Virtualisierung, Cloud-Diensten oder komplexen Netzanforderungen auskennen, sind gefragt. In dieser Richtung wird nun die Revision vorangetrieben. Im Sommer erfolgt die vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (früher Bundesamt für Berufsbildung) geleitete grosse Vernehmlassung und im Herbst folgt die Inkraftsetzung per Januar 2014.
Gemeinsam gegen den Fachleutemangel
Nun gilt es, die Unternehmungen anzugehen, die Leute brauchen, aber niemanden oder zu wenige ausbilden. Mit den Zahlen aus der Umfrage können wir nun diesen Firmen motivieren. Das ist ein gutes Werbemittel für die sich sträubenden Unternehmen. Die aktuelle Diskussion über eine Einwanderungsbremse könnte der ICT Schweiz sehr schmerzhafte Probleme schaffen. Davor können wir uns nur schützen, wenn wir unsere Nachwuchskräfte selber ausbilden. Das geschieht vorwiegend in den Betrieben, teilweise über das Studium an den Universitäten. Doch mit rund 300 Universitäts-/ETH-Abgängern jährlich kommen wir auch nicht weiter. Entsprechend ist es wichtig, dass alle gemeinsam sich für das Berufsmarketing einsetzen und selber ausbilden.
Mit «Traumberufe-ICT.ch» ist eine Kampagne in Vorbereitung, die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten für ein Informatikstudium begeistern soll. Mit an Bord sind bereits namhafte Firmen, Verbände und Organisationen. Es werden nun weitere interessierte Unternehmen und Institutionen gesucht, welche die Kampagne tatkräftig unterstützen. Die Schweiz braucht mehr Informatiker/-innen. Dass diese nicht in der benötigten Menge aus dem Ausland rekrutiert werden können, zeigen die aktuellen Vorstösse auf politischer Ebene, die eine Einwanderungsbeschränkung zum Ziel haben. Und die Arbeit ins Ausland zu exportieren, schadet der Schweizer Wirtschaft. Es gilt also zu handeln.
Traumberufe
In der Schweiz fehlen Tausende qualifizierte ICT-Fachkräfte. Nachdem die Branche mit der Gründung von ICT-Berufsbildung Schweiz bereits reagiert hat und sich auch die Hasler Stiftung stark engagiert, will nun die ICT-Wirtschaft mit einer breit angelegten Kampagne nachdoppeln. Ziel der Imagekampagne «Traumberufe-ICT.ch» ist, junge Erwachsene für ein ICT-Studium zu gewinnen und das Bild der Branche in der Öffentlichkeit zu korrigieren.
Weiterführende Informationen zur Kampagne sind auf der Website
www.traumberufe-ict.ch zu finden.