Stellen Sie sich vor, es hat Bandbreite und keiner braucht sie. Im Moment überbieten sich Internetanbieter im Wochenrhythmus mit neuen, noch schnelleren Internet-Abos. Blöd ist nur, dass diese Bandbreite in meinen Augen weder von Privaten noch von Firmen wirklich benötigt wird.
Angestachelt wird der vermeintliche Bandbreitenhunger von Privatkunden und im Speziellen vom On-demand-Fernsehen. In den USA verursachen Streaming-Dienste wie Netflix und Youtube über 50 Prozent des gesamten Internetverkehrs, während in Europa – inklusive der Schweiz – On-demand-Fernsehen noch in den Kinderschuhen steckt. Dennoch ist davon auszugehen, dass auch der hiesige Konsument in Zukunft seine Filme via Internet-Abo und Streaming über den Bildschirm flimmern lässt. Ein Fernsehsender in HD-Qualität mit Dolby-Surround-Sound benötigt bei Netflix rund 5 Mbit/s. Verbessert man die Qualität durch höhere Auflösung, schaltet mehr Bilder pro Sekunde und wechselt auf 3D, wächst dieser Bedarf auf 50 bis 100 Mbit/s. Gleichzeitig geht man davon aus, dass – zumindest in der Schweiz – in den nächsten fünf Jahren über 80 Prozent der Internetanschlüsse Bandbreiten von 300 Mbit/s haben werden. Da sind selbst bei zwei gleichzeitig laufenden Streams nach Adam Riese doch mindestens 100 Mbit/s zu viel. Und ich sehe beim besten Willen kein bandbreitensüchtiges Cybermonster am Horizont, das diese überflüssigen Bits verschlingen würde. Ideen hätte ich ja schon: Gaming, E-Health, vernetztes Haus, Überwachungssysteme oder die Daten in der Cloud speichern. Aber all das verbraucht selbst bei verschwenderischem Umgang keine substantielle Bandbreite.
Da läge es doch eigentlich auf der Hand, dass anstelle von mehr Bandbreite einfach der Preis gesenkt würde? Aber das kommt ganz sicher nicht in die Tüte. Seit Jahren kosten Internetanschlüsse mit Privatprofilen etwa gleich viel. Der Grund hierfür liegt primär im Bestreben der Anbieter, ihren Umsatz und damit die Bruttomarge konstant zu halten – es handelt sich also um pures Eigeninteresse. Und da sich die physikalische Infrastruktur in die Liegenschaften hauptsächlich auf UPC Cablecom und Swisscom beschränkt, haben Internet Provider ohne eigenes Netz nur beschränkten Spielraum bei der Preisgestaltung.
In eine andere Richtung geht der Bandbreiten-Bedarf in der Geschäftswelt: Die Nutzung von Cloud-Anwendungen wie Google Apps oder Office 365 sowie die Desktop-Virtualisierung führen dazu, dass der Bedarf an Bandbreite seitens der Firmen sinkt – jawohl, sinkt! Ein virtualisierter respektive Cloud- Arbeitsplatz benötigt noch rund 100 Kbit/s – ein Bruchteil verglichen mit traditionellen On-Site Setup. Denn das grosse Datenvolumen fällt nicht mehr am Arbeitsplatz, sondern in den Datacentern an. So sieht es auch bei unserem Unternehmen Cyberlink aus: Wir sind als Internet Service Provider Power-User. Ohne Netz geht bei uns gar nichts. Die Office- und ERP-Infrastruktur haben wir in unseren Datacentern gelagert.
Mit unseren rund 30 Angestellten benötigen wir durchschnittlich 7 Mbit/s. Es ist mir unklar, wie sich dieser Bedarf künftig signifikant steigern sollte. Signifikant wirkt sich jedoch die Verlagerung von Diensten in Cloud und Datacenter auf die Verfügbarkeitsanforderungen von Internetanschlüssen aus. Vor einigen Jahren konnten die meisten Firmen mit dem Risiko eines gelegentlichen Internetausfalls leben. Heute steht in einem solchen Fall das ganze Unternehmen still. Hier spielen das Service-Level-Agreement und ein allfällig redundantes Setup eine viel wesentlichere Rolle als die Geschwindigkeit des Anschlusses. IT-Chefs rate ich, zu überprüfen, wie viel Bandbreite effektiv benötigt wird und gegebenenfalls anstelle eines Upgrades der Bandbreite eine zweite, redundante Leitung ins Auge zu fassen. Qualität ist wichtiger als Quantität.
Langer Rede kurzer Sinn: Firmen benötigen durch Nutzung von Cloud-Diensten tendenziell weniger Bandbreite, treibende Kraft ist hier vielmehr der Privathaushalt. Und ob der die verfügbaren Geschwindigkeiten einst tatsächlich nutzen wird, ist sehr fragwürdig.