Home Office: Fluch oder Segen?
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Home Office: Fluch oder Segen?

Von Fabian Etter

Die Debatte um Home Office ist neu lanciert – spätestens seit Marissa Mayer, Chefin von Yahoo, ihren Mitarbeitenden Home Office verboten hat. Von zu Hause aus arbeiten ist bei vielen Grossunternehmen bereits salonfähig und wird auch bei kleineren Betrieben immer mehr als spannendes Modell für zufriedenere und effizientere Mitarbeitende gesehen, welches gleichzeitig die Umwelt entlastet. Einige grundsätzliche Überlegungen können den Schritt zum mobilen Büro erleichtern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/05

     

Berufs- und Alltagsleben voneinander getrennt zu halten, war früher einfacher als heute: Die Arbeit war an einen fixen Ort gebunden, und mit dem Verlassen des Büros endete der Arbeitstag. Mit den neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten können berufliche Tätigkeiten heute ortsunabhängig erledigt werden und ausserhalb der Büroräume geschehen – egal ob unterwegs oder zu Hause. Die Grenzen zwischen Berufs- und Alltagsleben verschwimmen, das Büro wird mobil. So könnte rein theoretisch auch vom Küchentisch aus eine E-Mail beantwortet oder auf der Terrasse ein Kommunikations-Konzept erstellt werden. Dieser Strukturwandel vom fixen zum mobilen Arbeiten braucht aber nicht nur ein Umdenken seitens der Arbeitnehmenden, sondern stellt auch einige Anforderungen an den Arbeitgeber. Gefragt sind klare Richtlinien und eine auf das Unternehmen ausgerichtete Infrastruktur.

Erste Vorabklärungen und klare Kommunikation


Das Thema Home Office ist omnipräsent: Es vergeht fast kein Tag, an dem keine neue Studie, kein Fachartikel und kein Statement zum Thema in den Medien erscheint – wie vor kurzem dasjenige von Marissa Mayer, Chefin von Yahoo. Sie hat gemäss Medienberichten ihre Mitarbeitenden wieder zurück ins Büro beordert, da Home Office die Innovationskraft einschränke. Zudem würden Geschwindigkeit und Produktivität leiden. Die unterschiedlichen Berichte zeigen, dass es keine allgemein gültigen Richtlinien oder Empfehlungen gibt, die für oder gegen Home Office sprechen. Jedes Unternehmen muss individuell entscheiden, ob mobiles Arbeiten in der eigenen Unternehmung zielführend ist und die jeweiligen Aufgaben ortunabhängig erledigt werden können. Was für konzeptionelle und strategische Arbeiten passend sein kann, muss für Team­arbeiten nicht zutreffen. Die einen Tätigkeiten erfordern allerhöchste Konzentration und Ruhe, andere wiederum können nur im direkten Austausch in der Gruppe zustande kommen. Unumstritten ist aber, dass dank Home Office die Umwelt entlastet wird.
Bereits heute haben in der Schweiz 11 Prozent der arbeitenden Bevölkerung das Potential, einen Tag in der Woche zu Hause zu arbeiten. Dadurch könnte der Pendlerverkehr in den Spitzenzeiten um 450’000 Personen pro Woche reduziert werden. Dies würde jährlich eine Einsparung von 67’000 Tonnen CO2 bedeuten. Neben der ersten Überlegung, ob sich die firmeninternen Aufgaben für ortsunabhängiges Arbeiten eignen, gilt es als Arbeitgeber auch klar Stellung für oder gegen mobiles Arbeiten zu beziehen und die Einstellung der Mitarbeitenden dabei zu berücksichtigen. Unabhängig davon, ob für oder gegen Home Office: Die Entscheidung muss transparent kommuniziert und konsequent gelebt werden. So wird den Mitarbeitern Orientierung gegeben und Unklarheiten sowie unnötigen Diskussionen werden vorgebeugt.

Vertrauen versus Kontrolle


In der Diskussion um Home Office tauchen auch immer wieder Fragen rund um die beiden Begriffe Vertrauen und Kontrolle auf. Wie viel Vertrauen gegenüber meinen Mitarbeitern braucht es? Und ab wann ist Kontrolle notwendig und gerechtfertigt? So individuell wie die einzelnen Arbeitsaufgaben, so individuell sind die Charaktere von Mitarbeitern und damit einhergehend deren Arbeitspräferenzen. Auch wenn unterschiedliche Vorstellungen darüber existieren, wie viel Vertrauen es braucht und wie viel Kontrolle notwendig ist, gilt in der Regel: Je mehr sich Personen kontrolliert und überwacht fühlen, desto unselbständiger agieren sie oder übernehmen Verantwortung für ihre Handlung. Wird den Mitarbeitern mehr Freiraum eingeräumt, ihren Arbeitsalltag zu gestalten, fühlen sie sich als wichtiges Glied im gesamten Arbeitsprozess und übernehmen automatisch mehr Selbstverantwortung – denn ihre Arbeit ist bedeutend und wird geschätzt. Diese Freiräume schliessen aber gleichzeitig nicht aus, dass trotzdem auch kontrolliert werden darf und sogar muss. Solche Kontrollen können beispielsweise regelmässige Austauschtreffen sein, an welchen der aktuelle Stand besprochen und die nächsten Schritte definiert werden. So wird schnell klar, wie der Mitarbeiter voran kommt, wie er mit dem Freiraum umgeht und wie sich das mobile Büro auf die Effizienz auswirkt.

Sozialer Austausch


Home Office hat aber nicht nur zum Ziel, die Effizienz der Mitarbeiter zu erhöhen, sondern gleichzeitig auch ihre Motivation und Zufriedenheit. Denn Home Office ermöglicht vielen Mitarbeitern durch wegfallende Reisezeiten eine bessere Work-Life-Balance, getreu dem Motto: Erhalten wir mehr Zeit für Freizeit, Familie und Freunde, sind wir zufriedener und somit auch motivierter für unsere Arbeit. Motivierter wird man aber zwangsläufig nicht nur dann, wenn man alleine zu Hause oder unterwegs seinen beruflichen Tätigkeiten nachgeht, sondern wenn man sich an der Arbeitsstelle wohlfühlt und im Austausch mit Kollegen Ideen bespricht, entwickelt und umsetzt. Deshalb ist es empfehlenswert, neben dem Home Office auch gezielt Tage einzuplanen, an welchen sich alle im Büro treffen. Der soziale Austausch und die guten Ideen, die ja häufig zwischen Tür und Angel oder beim gemeinsamen Mittagessen entstehen, kommen so trotz Home Office nicht zu kurz. Der soziale Austausch kann aber auch über Distanz hinweg funktionieren – einfach virtuell. Dank Kommunikationsmitteln wie Instant Messaging oder Videotelefonie ist man trotz Distanz und physischer Abwesenheit mit den Teamkolleginnen «live» verbunden. Auch für Vorgesetzte sind diese Kommunikationsmittel eine Möglichkeit, Mitarbeiter zu unterstützen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, auch wenn man physisch nicht am gleichen Ort ist. Alles was man dafür braucht, ist eine auf mobile Bedürfnisse ausgerichtete Infrastruktur.

Passende Infrastruktur


Um mobiles Arbeiten überhaupt sicherzustellen, werden einige Anforderungen an die Technologie gestellt. Benötigt werden mobile Alleskönner, die von überall her bedient werden können und den Arbeitsalltag erleichtern. Beispielsweise wird der PC durch leichte und kompakte Laptops ersetzt, anstelle von Notizblock und Stift wird ein Tablet eingesetzt oder eine Face-to-Face-Besprechung wird online über eine Video-konferenz durchgeführt. Auch hier gilt: Es existiert keine Musterlösung, die für jedes Unternehmen passt. Die Infrastruktur muss sich an den unternehmerischen Werten und der Unternehmenskultur orientieren und dazu passen. Ignorieren kann wohl aber kaum ein Unternehmen, dass die Bedürfnisse nach Mobilität und Flexibilität gestiegen sind und sich die Infrastruktur mit diesen Bedürfnissen mitentwickeln muss. Mit der gestiegenen gesellschaftlichen Mobilität ist es für viele Arbeitnehmer ein Bedürfnis, von überall her Zugriff auf firmeninterne Daten, Kalender und E-Mails zu haben. Neben solchen, eher allgemeinen Bedürfnissen, bietet das mobile Arbeiten aber in vielen Branchen auch spezifisches Potential. Stellen wir uns folgende Situation vor: Sie arbeiten als Architekt an einem mehrmonatigen Projekt und stehen in regem Austausch mit dem Bauleiter. Mussten früher die einzelnen Pläne noch fotografiert, im Büro eingescannt und dann per E-Mail verschickt werden, geht dies heute direkt auf der Baustelle mit nur wenigen Klicks. Das mit dem Smartphone aufgenommene Bild der Baustelle wird in der firmeninternen Server-Ablage gespeichert und ist so für alle berechtigen Personen abrufbar. Die Zusammenarbeit wird so markant erleichtert, viel Zeit eingespart, und alle beteiligten Personen sind jederzeit auf dem aktuellen Stand. Mobiles Arbeiten entspricht also häufig nicht nur einem Bedürfnis der Mitarbeiter, sondern in vielen Branchen auch dem Zeitgeist der zu erledigenden Arbeiten.

Daten direkt aus der Cloud


Mit dem erwähnten Smartphone beziehungsweise generell einem mobilen Endgerät ist der erste Schritt zum mobilen Büro gemacht. Mobile Geräte alleine genügen allerdings noch nicht, um mobiles Arbeiten auch vollumfänglich sicherzustellen. Nötig ist zudem eine Software, die nicht lokal auf dem Computer installiert werden muss, sondern über das Internet bedient werden kann – überall und jederzeit zugänglich. Aber auch bei Web-Applikationen muss man sich an den individuellen Bedürfnissen orientieren. Aktuell buhlen so viele Web-Applikationen für alle möglichen Anforderungen um Aufmerksamkeit, dass man als Anwender oder Unternehmen den Überblick rasch verliert und in unangenehme Fallen tappen kann. Zu teure, komplizierte oder unsichere Applikationen locken und können ärgerliche Folgen nach sich ziehen. Deshalb lohnt sich vor dem Kauf einer Applikation immer eine sorgfältige Prüfung. Wem dies zu kompliziert ist oder wer sich dabei unsicher fühlt, der findet auf spezialisierten Online-Plattformen Hilfe. Auf diesen Plattformen werden Applikationen angeboten, die in einem mehrstufigen Selektionsprozess nach geschäftsspezifischen Bedürfnissen geprüft wurden. Auch hier gilt aber: Die Suche im Web ist das eine, der mündliche Austausch das andere. Wer die Gelegenheit hat, sollte deshalb auch mit Geschäftspartnern oder Experten beim ICT-Provider den Austausch suchen. Diese Vergleichsmöglichkeiten und Erfahrungen können häufig auch die eigene Entscheidung einfacher machen. Damit nicht schon effizient gearbeitet wird, wenn man die entsprechende Infrastruktur hat, sondern bereits bei der Auswahl derselbigen.

Dem mobilen Büro eine Chance geben


Auch wenn die Diskussion rund um das Home Office uns alle wohl auch in nächster Zeit noch beschäftigen wird, kann der Entscheid pro oder contra keinem Unternehmen abgenommen werden. Als kleine Starthilfe sollen die genannten Kriterien eine Anregung sein, dem mobilen Büro in seiner flexiblen Form eine Chance zu geben und es im eigenen Unternehmen zu thematisieren. Was aber definitiv feststeht: Die Umwelt wird dank weniger Reisen entlastet. Denn mit jedem Transport- und Reiseweg, der dank Home Office wegfällt, spart ein Unternehmen nicht nur Geld und Zeit, sondern senkt damit auch den CO2-Ausstoss.

Home Office Day – 13. Juni 2013

Am 13. Juni 2013 findet der vierte nationale Home Office Day statt. Der Home Office Day ist ein Aufruf, vermehrt im Home Office oder von unterwegs zu arbeiten. Denn arbeitsplatzunabhängiges Arbeiten fördert die Produktivität und Lebensqualität und entlastet gleichzeitig Umwelt und Verkehrsinfrastruktur. Der alljährlich stattfindende Home Office Day plädiert genau für diese Standpunkte und versucht so, Schweizerinnen und Schweizer für mobiles Arbeiten zu mobilisieren. In diesem Jahr haben sich die langjährigen Träger Microsoft und Swisscom mit Witzig The Office Company, einem Anbieter von Büro-Dienstleistungen und -Produkten, verstärkt. Neu mit dabei ist auch das Netzwerk «Zukunft urbane Mobilität», das eine nachhaltige Mobilität anstrebt, sowie langjährige Patronat- und Netzwerkpartner wie das Bundesamt für Energie und Pro Familia.
Arbeiten auch Sie oder Ihre Mitarbeitenden am 13. Juni von zu Hause aus? Dann melden Sie sich hier an: www.homeofficeday.ch

Kommentare
...eine Aspekt, der gerne vergessen wird ist die Versicherung. Deckt die Versicherung auch die selben Leistungen ab, die beim Büroaltag selbstverständlich sind? ...was ist, wenn ich mir wärend des "Home office" verunfalle. ...was, wenn meine private "Infrastruktur" wärend der Arbeitszeit Schaden nimmt... Wer zahlt, was meint die Versicherung dazu... der Arbeitgeber mag da noch kulant sein, aber die Versicherung sieht dies vielleicht anderst. ...und wer erkältet ist, wird beim Home Office meist noch arbeiten, wärend er im Büroalltag meist zuhause bleiben würde. Wer schlussendlich dabei gewinnt oder verliert muss man sich vorab gut überlegen.
Freitag, 10. Mai 2013, Solin



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