Die IT-Industrialisierung schreitet zügig voran. Der notwendige Wandel vom Technologiebetreiber hin zum Service Provider und letztlich zum voll integrierten Business-Partner hat sich nicht erst mit der Akzeptanz von Good-Practice-Leitfäden wie ITIL und COBIT abgezeichnet. Dass jedoch die Technologie nun immer mehr zur «Commodity» wird und via Cloud Computing oder andere Sourcing-Modelle industrialisiert betrieben wird, hat einschneidende Veränderungen für die verbleibende Unternehmens-IT zur Folge.
Es wird künftig schlichtweg weniger zum Betreiben übrig bleiben. Das IT-Management muss deshalb neu definiert und ausgerichtet werden: Vom traditionellen IT-Betreiber hin zum Service Broker, welcher als treuhänderischer Partner die Business-Anforderungen mit den jeweils passenden Service Providern kosteneffizient abstimmt und die geforderte Qualität und Compliance durchsetzt und einfordert.
Damit Sourcing nicht zu einem unbeherrschbaren Abenteuer für IT-Organisationen und damit zum unkalkulierbaren Risiko für Unternehmen wird, muss die Klaviatur der Sourcing Governance beherrscht werden.
Eine gescheiterte Vision
Wer selbstkritisch und ehrlich ist, muss sich leider eingestehen: Die Umsetzung der Good-Practice-Empfehlungen von ITIL sind bis anhin mehrheitlich gescheitert. Die Vision einer service- und kundenorientierten IT-Organisation, welche ihre Dienstleistungen kosten- und leistungstransparent definiert, proaktiv laufend mit dem Business abstimmt und konsequent an den sich verändernden Anforderungen ausrichtet, ist bis heute in den allermeisten Organisationen eine Vision geblieben. Zu stark ist die IT noch mit sich selbst beschäftigt und damit, die immer weiter zunehmende Komplexität in den Griff zu bekommen und die Hoheit über die IT nach eigenen Regeln bestimmen zu wollen. Zu wenig ist es gelungen, sich seitens der IT in die Lage des Business zu versetzen und die wahren Bedürfnisse und Prioritäten verstehen und akzeptieren zu wollen.
Anstelle einer Service-Organisation, welche Services ganzheitlich plant, designt, entwickelt und betreibt, ist die IT in den allermeisten Organisationen das geblieben, was sie schon immer war: Eine faktisch zweigeteilte Zweckgemeinschaft von Entwicklern und Betreibern, einerseits die kreativen Software-Entwickler, welche Lösungen projektmässig herbeiführen, und andererseits die Infrastruktur- und Systembetreiber, welche die Infrastrukturen zusammenbauen und Systeme und Applikationen den Anwendern zur Verfügung stellen. Dazwischen ist vielfach ein grosser, schier unüberwindbarer Graben mit völlig unterschiedlichen Werte- und Prioritäten-Vorstellungen; jede Seite davon beseelt, genau das Richtige für das Business zu wollen.
Das eine geht nicht ohne das andere. Aber anstatt zu polarisieren, ist die Führung gefordert, die Leistungen zu koordinieren und die Prioritäten richtig zu setzen.
1. Cloud und Sourcing sind der unaufhaltbare Trend zum Abbau der internen IT
Dunkle Wolken ziehen vermehrt auch von aussen über den IT-Organisationen auf. Das Thema Cloud Computing konkurrenziert mit veränderten Sourcing-Modellen immer mehr die internen IT-Organisationen. Die zahlreichen billigen Angebote auf dem Markt können nur sehr schwer negiert werden. Ungeklärte Sicherheit- und Compliance-Fragestellungen mögen hier und da noch für eine gewisse Zurückhaltung sorgen, aber es ist mehr ein Hinauszögern, und weniger eine Verhinderung.
Die Menge der Schatten-ITs, also der ITs, welche nicht unter Kontrolle der zentralen IT-Organisation in Unternehmen bestehen und entstehen, nimmt bedenklich zu (siehe auch Artikel auf Seite 58). Diese oft zu Beginn als unbedenkliche Services eingemieteten Funktionen werden mit der Zeit zu wichtigen und unverzichtbaren Hilfeleistungen in den Business-Prozessen.
«Outsourcing a mess is an outsourced mess» – diese Erkenntnis mussten bereits viele Organisationen teuer erfahren. Eine zuvor nicht hinsichtlich Transparenz der Kosten und Leistungen klar strukturierte IT-Organisation wird durch ein Outsourcing nicht einfach besser. Der kluge externe Service Provider sieht sich nämlich vor. Er weiss um die Unbedarftheit seiner Kunden und deren nicht immer explizite Formulierung der Leistungen. So garantiert er wohlweislich einen einfachen Grundservice, welcher die offensichtlichsten Leistungen umfasst. Das Geschäft wird mit dem Undefinierten gemacht – und das oft mit kostspieligen Konsequenzen für die Unternehmen.
Mit dem Cloud Computing ist dies aber nochmal anders geworden. Kleinere, klar umschriebene Services zu einem relativ günstigen Preis sind bestechend einfach und billig. Das Business will von diesen neuen Trends profitieren können, zumal die interne IT diesen Angeboten nichts entgegenzuhalten vermag.
Der nach wie vor zunehmende Fachkräftemangel macht es IT-Organisationen auch schwerer, die notwendigen Kompetenzen zum Sicherstellen der Leistungen zu finden und zu rekrutieren. Immer mehr Schlüsselstellen müssen deshalb mit externen Fachkräften belegt werden, was die Führung zur vermehrten Zusammenarbeit mit Freelancern oder gar Sourcing Providern zwingt. Ohne Gesamtkonzept ist die IT-Organisation laufend damit beschäftigt, den schwer kontrollierbaren Ressourcenbedarf mit den geeigneten Partnern sicherzustellen.
2. Die Aufspaltung der IT zwischen Unternehmen und externen Service Providern
Der im letzten Abschnitt beschriebene Trend hat einschneidende Veränderungen für IT-Organisationen zur Folge. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten innerhalb der Organisation verlagert sich. Immer weniger gibt es selber zu betreiben und demzufolge weniger IT-Betrieb und -Support zu leisten. Auch in der Entwicklung wird der Druck auf vermehrten Einsatz von Standard-Software steigen oder aber die Entwicklung in Billiglohnländer wie Indien oder in osteuropäische Staaten verlagert.
Der Unternehmens-IT verbleibt die Rolle des Bindeglieds zwischen dem Business und den externen Service Providern. Und gerade hier liegen die Chancen und Risiken für jeden, der in der Unternehmens-IT verbleibt. Jeder muss für sich entscheiden, ob er auch künftig noch IT-Technologie aufbauen, betreiben und supporten möchte, oder nicht. Falls er das weiterhin möchte, wird er den Wechsel hin zu einem externen Service Provider anstreben müssen. Unternehmensintern wird er dies immer weniger können.
Es braucht nun einen Service-Experten, der die Anforderungen des Business koordiniert und mit den verschiedenen beteiligten Service Providern sicherstellt. Die verbleibende Unternehmens-IT kann und muss nun diese Rolle einnehmen. Damit tun sich auch sehr viele Perspektiven für die Mitarbeiter auf. Der Schwerpunkt liegt jetzt aber nicht mehr in der Phase Service Operation, sondern mehr in der Service Strategy und dem Service Design.
3. Die Unternehmens-IT als Service Broker
Statt die IT-Organisation auf die Support-Funktionen zu beschränken, muss in der neuen Situation der Service in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt werden. Der Service muss als ultimatives Lieferergebnis für das Business verstanden werden und die dazu notwendigen Leistungen müssen klar definierbar sein.
Die Unternehmens-IT als Service-Experte nimmt die Rolle des Service Brokers wahr. Dabei gilt es immer, die optimale Gesamtleistung der Services unter Einhaltung der Sicherheits- und Compliance-Anforderungen zu gewährleisten. Das ITIL-Framework hilft dabei, über sämtliche Lebensphasen des Service hinweg die notwendigen Prinzipien und Prozesse zu definieren. Der Schwerpunkt liegt dabei klar auf der Steuerung der Service Levels, des Business Relationship Managements und vor allem auch der Service Transition. Eine Kernkompetenz der Unternehmens-IT liegt in Zukunft im Supplier & Contract Management.
Was bedeutet das für die IT-Manager?
Die Mitarbeiter in IT-Organisationen müssen sich nun gut überlegen, welche Bedeutung diese Veränderung für sie persönlich hat. Klar, es wird immer Technologie-Spezialisten brauchen – vor allem bei den externen Service Providern, welche diese Lösungen anbieten. Die Unternehmens-IT aber wird wohl in Zukunft keine eigenen IT-Betriebe mehr aufrechterhalten wollen – oder wenn doch, dann mindestens stark reduziert. Was machen also die vielen IT-Manager und CIOs in Zukunft? Braucht es sie überhaupt noch?
IT-Services werden und bleiben strategisch wichtig für den Unternehmenserfolg. Es wird daher auch in Zukunft IT-Manager und CIOs mit einem gewissen Technologieverständnis benötigen – aber wohl mit einem völlig anderen Skill-Set. Es werden vor allem IT-Manager gesucht, die die Fähigkeiten und Erfahrungen haben, Business-Ziele direkter auf die IT zu übertragen, die IT als Service ganzheitlich zu definieren und zu managen, die externen Partner aktiv zu steuern und so mit innovativen Lösungen die Geschäftsprozesse zeitnah zu unterstützen. Es geht weniger um die Führung von technischen Betriebsorganisationen, sondern vielmehr um Kenntnisse in der Unternehmensbranche, im Bereich Betriebswirtschaft, Vertragsmanagement und Bildung von Unternehmensarchitekturen. Nicht die Fähigkeit der reagierenden Feuerwehr steht im Vordergrund, sondern planerische und gestalterische Fertigkeiten, welche dafür sorgen, dass es gar nicht erst brennt.
Martin Andenmatten ist Managing Director beim Schweizer Service Management & IT Governance Beratungs- und Ausbildungsspezialisten Glenfis.