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Die Transformation der IT: Service Excellence versus Operational Excellence

Von Martin Andenmatten

Die Industrialisierung, welche derzeit die Betreiber von IT-Applikations- und Infrastrukturlösungen herausfordert, hat es in sich. Die Technologien lösen sich in der Wolke auf. Wie sieht die Zukunft der IT-Organisation aus? Hat sie noch eine Daseinsberechtigung?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/03

     

Was bleibt, ist der ungesättigte Hunger nach Automatisierung der Businessprozesse und das Verlangen nach einem reibungslosen und sicheren Funktionieren der Informationstechnologie. Wie diese Ansprüche sichergestellt werden, wird sich aber mit Bestimmtheit ändern. IT-Organisationen müssen sich in Zukunft noch mehr als Dienstleister für ihre Business-Bereiche etablieren.
Solange noch handfeste IT hergestellt und betrieben wird, tut man sich schwer, die Leistungen der IT als Service zu verstehen. Viele Organisationen sehen demnach auch eher ein Produkt im Vordergrund ihres Schaffens. Produkte sind irgendwie fassbarer, haben bestimmte Formen und bestimmte Eigenschaften, die als klar umrissene Funktionalitäten definiert werden können.

Produkt versus Service


Ein Service hingegen lässt sich nicht so leicht greifen. Die Serviceleistung wird in dem Moment erbracht, in dem sie durch den Kunden abgerufen wird. Wenn der Kunde eine Beratung in Anspruch nimmt, dann hängt die Qualität der von ihm wahrgenommenen Leistung vom Zusammentreffen zwischen dem Berater und dem Kunden ab. Im Gegensatz zum Produkt lässt sich der Service nicht auf Vorrat produzieren, um dann in einer ganz bestimmten Form ausgeliefert zu werden.
Natürlich gibt es auch Mischformen. Wenn ein neuer elektronischer Arbeitsplatz eingerichtet wird, dann sind oft sehr viele Produkte im Spiel. Der Serviceanteil setzt viel früher an, nämlich bei der Beratung, welches System ergonomisch und funktionsbedingt am geeignetsten ist. Dann folgt die Sicherstellung, dass der Arbeitsplatz zum richtigen Zeitpunkt getestet bereitsteht und schliesslich die Nachbetreuung und Schulung, damit der Kunde den Arbeitsplatz optimal nutzen kann.
Die Tendenz zeigt, dass der Produkteanteil bei internen IT-Organisationen immer mehr abnimmt und die verbleibenden Leistungen der internen IT reinen Dienstleistungscharakter haben. Es wird sogar so weit kommen, dass für IT-Organisationen keine Technologie mehr direkt im Spiel sein wird: Die Kunden bringen ihre eigenen Geräte, der Rest wird aus der Steckdose bezogen. Was soll ich da als IT-Profi denn noch für eine Leistung erbringen?

Service versus Prozesse


Den Schritt vom Technologie-Produktprovider hin zu einem Serviceprovider scheinen viele Organisationen bereits gemacht zu haben. Aber eben nur scheinbar. Organisationen, welche erkannt haben, dass neben dem reinen Projektgeschäft ein reibungsloser IT-Betrieb offenbar wichtig ist, haben sehr oft eine Service Management-Initiative gestartet. Mit ITIL® als Best Practice-Leitfaden geht es eifrig an die Definition der Prozesse, damit im schwarzen Loch «IT-Betrieb» endlich etwas mehr Transparenz geschaffen werden kann.
Der bis anhin unstrukturierte Betrieb soll mit klaren Prozessen und Verfahren effizienter und effektiver werden. Richtiggehende Prozessorgien finden statt. Prozesse werden heilig und müssen unter allen Umständen eingehalten werden. Ein Kunde, der nicht imstande ist, ein Ticket beim Service Desk zu lösen, kann künftig keine Hilfe mehr erwarten.

Der Kunde versteht nur Bahnhof


Solche Organisationen haben es dann auf die Spitze getrieben, wenn sie ihre Leistungen nur noch in Form von Prozessen sehen. Fragt man sie nach ihrem Beitrag für das Unternehmen, so hört man: Incident Management, Change Management, Problem Management. Der Kunde versteht nur Bahnhof und will bestimmt alles andere als Incidents und Problems. Was er will, ist ein grundsätzlich störungsfreies Arbeiten mit der Informationstechnologie.
Spätestens bei der Definition des Servicekatalogs erkennt man, dass bei solchen IT-Organisationen das Prinzip der Services nicht wirklich verstanden wurde. In aller Regel findet man eine Stückliste der Applikationslandschaft oder der Arbeitsplatzsysteme mit all ihren optionalen Komponenten vor. Letztlich haben diese Organisationen primär versucht, ihre internen Abläufe zu strukturieren und zu ordnen.
Solche IT-Organisationen werden von ihren Businesseinheiten dann auch eher als bürokratisch denn als kundenfreundlich empfunden. Die Service Management-Initiativen werden von den Verantwortlichen oft als gescheitert beurteilt und ITIL® als Best Practice-Leitfaden als völlig ungeeignet verschrien. Das Kind wird mit dem Bade ausgeschüttet.

Die Frage „Was ist ein Service?“ bleibt oft unbeantwortet


Zwei Dinge sind hier in der Regel falsch gelaufen. Erstens: Man hat den Service aus den Augen verloren. Und zweitens: Man hat versucht, die Veränderung ohne den Kunden zu machen. Service Management verkommt dabei zur reinen Verwaltung von Auftragstickets. Als Auftraggeber hätte ich hier schon längstens den Stecker gezogen. Prozesse machen aus einer IT-Organisation noch lange keinen Serviceprovider.
Was ein Service ist und wie sich dieser definieren lässt, bleibt in vielen Organisationen unbeantwortet. Selbst gestandene und zertifizierte ITIL®-Experten kommen hier nicht selten ins Straucheln und faseln etwas von einer End-to-End-Servicekette, die es zu betreiben gilt. Es ist bedenklich, dass die teure ITIL-Ausbildungsindustrie scharenweise Personen zertifiziert, ohne aber das Wesentlichste der Ausbildung vermitteln zu können: Was ist ein Service?

Wechsel das Anbieters ist nur einen Klick entfernt


Wie wir schon eingangs stipuliert haben, entsteht ein Service erst durch die Interaktion zwischen dem Kunden und dem Dienstleister. Einen Service definieren zu wollen, ohne den Kunden zu involvieren, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Wir alle sind ja im Grunde selbst erfahrene Experten, wenn es darum geht, Leistungen von Service-Anbietern zu beurteilen. Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft. Jeden Tag sind wir mehrfach selbst betroffen und erleben, was gute oder schlechte Services ausmacht. Sei es beispielsweise am Kiosk, im Restaurant oder am Bancomat. Wir räumen uns ein, die Qualität und Verlässlichkeit eines Service beurteilen zu können, weil wir als betroffene Konsumenten die Serviceleistung direkt erleben und wahrnehmen. Je wichtiger ein Service für uns ist, desto mehr Wert messen wir ihm bei und schauen mit Argusaugen auf die Qualität des Dienstleisters. Wenn die Leistung nicht mehr stimmt, dann ist der Wechsel nur einen Klick weiter weg.

Mehrwert für den Kunden im Vordergrund


Was aber macht einen Service aus? Abgeleitet von der offiziellen ITIL®-Definition ist ein Service eine Reihe von wirtschaftlichen Aktivitäten, welche für den Kunden einen Mehrwert (Value) darstellen und ihn bei der Erreichung seiner spezifischen Ergebnisse (Outcome) unterstützen. Ich als Serviceprovider muss dabei die Kosten (Cost) und Risiken (Risk) dieses Service beherrschen. Der Service wird durch den Provider offeriert, wobei Ort und Zeit der Leistungserbringung in aller Regel durch den Kunden bestimmt wird.
Bei der Bestimmung des Service muss also der Mehrwert für den Kunden erkannt werden und daher im Vordergrund stehen. Ich als Provider muss sehr gut verstehen, welchen Nutzen der Kunde durch diesen Service bei der Erbringung seiner täglichen Arbeit erhält. Erst wenn ich die Service-Erwartung des Kunden genau verstehe, kann ich die Leistungen der IT-Organisation darauf ausrichten und die Kosten und Risiken optimieren.

Customer Centric Service Management

Im Gegensatz zum reinen prozessorientierten Ansatz (inside-out) geht es beim Service Management um einen kundenfokussierten Ansatz (outside-in). Operational Excellence ohne Kunden- und Servicefokussierung kann zwar den gewünschten Kostenspareffekt erzielen – aber mit dem Risiko, den Kunden endgültig zu verlieren. Service Excellence stellt den Kunden ins Zentrum des Geschehens und richtet all ihre Aktivitäten darauf aus, den Kunden zufriedenzustellen. Ein zufriedener Kunde ist in aller Regel auch bereit, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, wenn der Service exzellent ist. Sie als Kunde sind auch gerne bereit, in einem Restaurant etwas mehr zu bezahlen, wenn das Ambiente, die Bedienung und das feine Essen stimmen. Ein Restaurant, das seine Kosten zwar optimal im Griff hat, für Sie als Kunde aber emotions- und fantasielos daher kommt, besuchen Sie nicht mehr.
Damit soll jetzt nicht postuliert werden, dass die Kosten keine Rolle spielen. Wir erinnern uns an die vier Komponenten des Service, die bekannt sein müssen: Value, Outcome, Cost, Risk. Die Kosten und Risiken sind sehr zentrale Faktoren, die beherrscht werden müssen. Jedoch müssen für sämtliche Aktivitäten und Verbesserungsinitiativen immer vorgängig der Kunde und die Auswirkungen auf ihn betrachtet werden. Was bedeuten die Aktivität, der Prozess oder die Initiative für unseren Kunden? Was hat er davon? Wie muss der Prozess ausgestaltet sein, damit der Wert und der Nutzen für den Kunden gesteigert werden können? Wenn wir beispielsweise über die Prioritätenregelung im Störungsprozess diskutieren, muss die positive Wirkung auf den Kunden immer der Treiber der Lösung sein.
In einem kundenfokussierten Service Management liegt die Zukunft der internen IT-Organisation. Wenn die IT-Organisation das Business Alignment schafft, kann sie als treuhänderischer Partner die Bedürfnisse besser verstehen und die Serviceleistungen der internen und externen Provider besser darauf abstimmen und sicherstellen. Es bleibt noch viel zu tun.


Martin Andenmatten, Geschäftsführer Glenfis AG, Zürich


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