Zwischen Schweizer Start-ups und US-Start-ups gibt es einen wesentlichen Unterschied, meint Max Meister, einer der Co-Gründer von Incuray. «In der Schweiz wird ein Produkt erst dann lanciert, wenn es perfekt ist. In den USA hingegen gehen Jungunternehmen oft schon sehr früh auf den Markt los und schauen in einem strukturierten Prozess, wie die Kunden reagieren.» Erst danach werde das Produkt perfektioniert. Das Ziel von Incuray ist es nun, dieses Prinzip – man spricht dabei vom Lean-Start-up-Modell, entwickelt vom Silicon-Valley-Entrepreneur Eric Ries – soweit wie möglich auch auf die Schweiz zu adaptieren. «Incuray übernimmt dabei die Rolle des Inkubators», so Meister.
In dieser Rolle schauen sich die drei Incuray-Gründer Mark Berger, Max Meister und Oliver Walzer konkrete Projektideen von Jungunternehmern an. Sind sie von einem Vorhaben überzeugt, wird das Start-up in das sogenannte Accelerator-Programm (genannt Morpheus) von Incuray aufgenommen und mit ihm gearbeitet. Meister: «Wir helfen beispielsweise beim Erstellen eines Business-Plans und lehren die Jungunternehmer, wie man diesen bei potentiellen Investoren präsentiert. Ausserdem zeigen wir, wie man ein Produkt konzipiert und es baut.» Wichtig sei aber auch der Support bei Prozessen abseits des Kerngeschäfts. «Beispielsweise bieten wir den Start-ups hier im Zürcher Rocket Park einen Arbeitsplatz oder unterstützen sie in IT- oder Finanzangelegenheiten, etwa bei der Buchhaltung», erklärt Meister.
Drei Monate nach Aufnahme ins Accelerator-Programm soll das neue Unternehmen dann gegründet werden können und die Finanzierung sichergestellt sein, so das Ziel. In der Regel sei es so, dass Incuray selbst eine erste Finanzierungsrunde sicherstelle. Bei weiteren Finanzierungsrunden wird dann entschieden, ob weiterhin eigenes Geld eingeschossen oder Investoren an Bord geholt werden sollen – wobei Incuray hier mit Kontakten dienen kann. Geld zu finden sei allerdings in der Schweiz nicht ganz einfach. «Business Angels findet man hierzulande vereinzelt, aber Risikokapital ist schwierig aufzutreiben – vor allem im E-Commerce-Umfeld. Hier weichen wir dann oft nach Deutschland oder in die USA aus, wo die Affinität für solche Themen grösser ist.»
Acht von 160
Das Interesse an Start-up-Hilfe ist derweil gross. «Seit wir im letzten Sommer gestartet sind, haben wir uns rund 160 Ideen angehört.» Allerdings fügt Meister an, dass rund ein Drittel davon bereits den ersten Test – den sogenannten Elevator-Pitch, also die Erklärung des Geschäftsmodells in 30 Sekunden – nicht bestanden haben. Von den 160 haben es bislang deren acht ins Morpheus-Programm geschafft, und vier davon seien schon recht weit fortgeschritten. Besonders vielversprechend sei dabei Diabird – eine Smartphone-App, über die sich Diabetiker austauschen können. Weitere Projekte sind eine Immobilienplattform im Balkan (Immobalk), die Fitnessangebots-Plattform Fitonic und schliesslich die E-Learning-Plattform Diplomero, bei der die Idee von Incuray selbst stammt. «Diplomero ist derzeit unser Hauptprojekt, in dem wir grosses Potential sehen», erklärt Meister, «eine Fachhochschule konnten wir bereits für ein Pilotprojekt gewinnen.»
Damit die Arbeit mit den Start-ups auch funktioniere, sei Glaubwürdigkeit sicher entscheidend. Hier helfe es zum einen, dass sich Mark Berger und Oliver Walzer vor einigen Jahren einen Namen in der Szene gemacht haben, als die Plattform Partyguide.ch, an der sie beteiligt waren, an Axel Springer verkauft wurde. «Ein Start-up an einen grossen Player verkauft zu haben, gilt in der Branche nach wie vor als Ritterschlag», weiss Meister. Er selbst sowie Mark Berger seien zudem schon länger als Coaches beim McKinsey Businessplan-Wettbewerb Venture unterwegs, was der Reputation ebenfalls zuträglich sei. Hinzu kommt, dass Meister zusätzlich Dozent an den Fachhochschulen für Wirtschaft in Zürich und Freiburg ist und dort ebenfalls immer wieder mit Business-Plänen in Kontakt kommt.
Zweites Standbein
Nebst der Inkubations-Tätigkeit betreibt Incuray als Agentur-Dienstleister auch noch ein zweites strategisches Geschäftsfeld. «Als wir mit Incuray begonnen haben, hatten wir bereits einige Kunden, die Internet-Entwicklungen benötigten. Da wir ohnehin Entwicklerteams in Deutschland und der Ukraine beschäftigen, passt das, denn so können wir diese Teams besser auslasten.» Die Erträge aus diesem Standbein fliessen ebenfalls in die Start-up-Finanzierung. Zusätzlich profitiert Incuray dabei im Sinne eines Wissenstransfers vom gewonnenen Know-how aus dem Start-up-Bereich. Das Service-Geschäft wachse kräftig, und man stehe aktuell vor dem Entscheid, wie man hier weitermachen wolle, denn «die Idee war eigentlich nie, als Agentur aufzutreten», wie Meister erklärt.
Geld verdient Incuray allerdings nicht nur mit dem Service-Geschäft. «Bei der Start-up-Unterstützung läuft es grundsätzlich so, dass wir mit 20 bis 40 Prozent an den Jungunternehmen beteiligt sind. Hier partizipieren wir dann zum einen an der Wertsteigerung, zum anderen verrechnen wir den Start-ups unsere Dienstleistungen auch.» Diese Gebühren seien zwar tief, beispielsweise koste ein komplett ausgestatteter Arbeitsplatz im Zürcher Rocket Park knapp 300 Franken im Monat. Doch die Kosten seien gedeckt. «Es ist aber natürlich schon so, über kurz oder lang muss eines der von uns unterstützen Start-ups durchstarten, sonst wird es irgendwann schwierig», macht Meister abschliessend klar. «Insofern betreiben wir ein risikoreiches Geschäft.»
(mw)