Swiss IT Magazine: Im November 2012 wurde zum ersten Mal der Swiss CIO Award vergeben. Sie zählten dabei zu den bestbewerteten Schweizer CIOs. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Ernest Gmünder: Ich empfinde den CIO Award nicht nur als persönlichen Award, sondern allem voran als eine Auszeichnung für das gesamte Team. Denn ohne Team ist der CIO nicht viel wert. Er gibt zwar eine gewisse Vision und damit eine Richtung vor, in die sich die IT entwickeln soll, und übernimmt strategische Aufgaben, doch bewirken kann er alleine nicht viel. Beim TCS ist in den letzten zwei Jahren viel passiert. Zu Beginn meiner Amtszeit habe ich einige Veränderungen am Team vornehmen müssen. Jetzt habe ich aber ein sehr starkes Team, das in einigen grösseren und schnellen Projekten viel bewirken konnte. Wir sind dabei stets pragmatisch, aber trotzdem strukturiert vorgegangen und haben damit bei unseren Partnern und den internen Business Units unsere Glaubwürdigkeit stärken können. Dies ermöglicht uns jetzt eine engere Zusammenarbeit. Dadurch haben wir einen Mehrwert für den gesamten TCS und seine Mitarbeiter sowie für seine Mitglieder erzielen können.
Welche Bedeutung hat eine solche Anerkennung für Sie?Für mich stellt diese Auszeichnung eine positive Anerkennung unserer Leistung dar, die wir von extern erhalten. Dies bedeutet insofern viel, da es schwierig ist, eine Evaluation oder ein Feedback von Nicht-IT-Spezialisten darüber zu erhalten, was gut läuft und was noch verbesserungsfähig ist. In der IT ist es leider meist so, dass man grundsätzlich nur dann Feedback erhält, wenn etwas nicht so funktioniert, wie es soll. Läuft etwas gut, bleibt es still. So eine positive externe Rückmeldung verleiht einem das Gefühl, sich auf dem richtigen Weg zu befinden.
Sie haben erwähnt, dass beim TCS in den letzten beiden Jahren viel passiert ist. Können Sie darauf etwas näher eingehen?Es ist kein grosses Geheimnis, dass beim TCS verschiedene interne Prozesse und vor allem auch in der IT gewisse Tools und Systeme etwas veraltet waren. Wir haben in den letzten zwei Jahren diesbezüglich nicht nur aufgeholt, sondern meines Erachtens sogar schon einen Schritt in die Zukunft gemacht oder ihn zumindest vorbereitet. Nehmen wir als Beispiel die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter: Jeder verfügt über einen Laptop und hat zusätzlich die Möglichkeit, mit einem Smartphone oder Tablet zu arbeiten. Des weiteren hat jeder von überall her Zugriff auf seine Applikationen – sei das nun von zu Hause aus oder von unterwegs. Die gesamte Arbeitsweise wurde verändert. Die Mitarbeiter sind jetzt mobil und haben dank dem überarbeiteten Konzept des Home Offices die Möglichkeit, ein bis zwei Tage von zu Hause aus zu arbeiten.
Ein zweites Beispiel findet sich bei den Business-Prozessen, wo wir die Prozesse rund um das Call Center angepasst haben. Alle Anfragen, Bestellungen und Reklamationen via Brief, Fax, E-Mail oder Telefon werden neu kanalunabhängig zusammengeführt. Dabei werden Business-Prioritäten gesetzt, so dass Beschwerden beispielsweise vor Neubestellungen und Neubestellungen vor Kündigungen bearbeitet werden. Die Abläufe sind viel schneller geworden und die Kontrolle im Beschwerdebereich wurde optimiert, so dass jetzt sichergestellt ist, dass alle Beschwerden auch bearbeitet werden.
Welche Projekte beschäftigen Sie aktuell?In den kommenden Monaten werden wir die gesamte Interaktion mit den Kunden überarbeiten. Wir haben letztes Jahr bereits eine neue Website aufgebaut. Dieses Jahr soll die Interaktion für Smartphones und Tablets optimiert werden. Wir haben bereits einen Facebook-Auftritt und eine App, es werden jedoch weitere folgen. Daneben bauen wir ein neues Kunden- und Partnerportal auf und passen den gesamten Verrechnungsprozess für Vertrieb und Verkauf an.
Können Sie ausführen, wie die IT beim TCS strukturiert ist?Die IT beim TCS ist in drei klassische Konzeptgruppen unterteilt: Die erste Gruppe besteht aus den Leuten, die sich mit den Bedürfnissen und dem Interface des Business auseinandersetzten. Ich nenne diese Gruppe «Business Consultants», weil sie ähnlich wie externe Consultants gemeinsam mit dem Business evaluiert, welches die beste Lösung für ein bestimmtes Problem darstellt. Eine weitere Gruppe bilden diejenigen, die sich um die Umsetzung der definierten Projekte kümmern. Dazu gehören das Projekt-Management, die Business-Analyse sowie die Systemanalyse. Weil wir viel mit Partnern arbeiten, wenn es um Konfiguration und Entwicklung geht, ist die Zahl der Entwickler in diesem Team eher klein. Und die dritte Gruppe schliesslich ist für «Service Operations» zuständig und gewährleistet damit unsere Service-Level-Garantien – auch für die Lösungen, die wir extern beziehen.
Wie definieren Sie Ihre Rolle als CIO?Als Mitglied der Geschäftsleitung ist eine meiner wesentlichen Aufgaben sicherlich, mich auf Direktionsebene mit einzubringen und bei strategischen Themen die Interessen der IT zu vertreten und deren Möglichkeiten zur Erreichung der Businessziele aufzuzeigen. Einen weiteren Aspekt bildet die Gestaltung der IT-Governance und die Einflussnahme bei der Projektpriorisierung des TCS. Es gibt nämlich ein von der IT separates, unabhängiges Projekt-Management-Komitee. Dort ist es meine Aufgabe sicherzustellen, dass die Projekte und ihr Einfluss auf die Ressourcen – seien diese nun finanzieller oder personeller Art – richtig verstanden werden. Eine meiner weiteren Aufgaben als CIO ist die Teamleitung IT – hier will ich insbesondere meinen Mitarbeitenden immer wieder unsere Vision vor Augen führen und die Strategie erklären. Und schliesslich bin ich sehr aktiv bei der Interaktion mit grösseren internen Kunden.
Wie sieht die IT-Strategie des TCS aus?Unsere IT-Strategie hat viele Facetten. Zum einen wollen wir den Fokus auf den internen Mehrwert der IT legen. Diesen sehe ich im Interface zwischen dem Business und der Technologie. Konkret bedeutet dies, dass wir uns vermehrt auf die Bedürfnisse und die Lösungsdefinition konzentrieren und dafür die eigentliche technische Realisation eher auslagern. Bei der Umsetzung eines Projekts geht es somit mehr darum, unsere externen Partner, Service Provider oder Hersteller zu managen und die Kommunikation und die Lieferung zu garantieren. Damit habe ich auch schon fast den zweiten Punkt definiert, nämlich die IT zum Business-Partner zu machen. Damit meine ich, dass die IT intern nicht nur als technischer Lieferant fungiert – wie das oft der Fall ist – sondern als kompetenter Partner des Business, der technische Lösungen und Vorschläge für die Zielerreichung liefern kann. Und das dritte Element unserer Strategie sieht den Fokus auf Standardlösungen vor. Denn bei 90 Prozent der Prozesse existieren Standardlösungen, die einem den Zwang nehmen, eine Eigenentwicklung zu bauen. Diese Systeme haben oft schon Best-Practice-Prozesse abgebildet, also Prozesse, die in der Industrie heutzutage als Best Practice gelten. Wir fragen uns jedes Mal, ob es sich lohnt, etwas TCS-spezifisches zu bauen. Wenn wir zum Schluss kommen, dass dies nicht der Fall ist, implementieren wir eine dieser Best-Practice-Lösungen. Der Vorteil dabei ist, dass, wenn Innovationen kommen, diese zumeist in die Lösungen eingespeist werden und wir uns damit nicht um Dinge kümmern müssen wie neueste Trends oder neue Formate.
Von welchen Standardlösungen sprechen Sie konkret?
Wir haben zwei grössere Standbeine in unserer neuen Systemarchitektur. Das eine Standbein bildet Salesforce als CRM-Lösung, aber auch als erweiterte Plattform, die alles, was mit dem Mitglied zu tun hat, zentralisiert. Dabei handelt es sich nicht nur um Marketing, Vertrieb und Interaktion mit dem Service, sondern beispielsweise auch um die Rechnungsstellung. Da Salesforce alleine nicht alle Prozesse hundertprozentig abdecken kann, verwenden wir auch andere Lösungen, die in Salesforce integriert werden können. So nutzen wir unter anderem Cameleon, ein Tool, das Configuration, Pricing und Quoting für unsere Lösungen und Produkte erlaubt. Daneben haben wir unter anderem auch die Cloud-Lösungen Zuora für das Quote-to-cash, Aprimo für das Marketing, IBM Varicent für das Commissioning sowie Boomi für die Integration im Einsatz. In den finanzbezogenen Bereichen – also wenn es um Controlling, Konsolidierung, Einkauf oder HR geht – setzten wir als zweites Standbein auf SAP.
Der TCS hat ja Teile der IT ausgelagert. Was machen Sie noch inhouse?
Einerseits verantworten wir das Projekt-Managing nach wie vor intern und andererseits wird auch das Business Consulting auf Prozessebene intern abgewickelt. Auch die Business-Analyse erfolgt noch intern. Auf technischer Seite kümmern wir uns hauptsächlich um die Integration, da es hier ein gewisses Know-how unserer IT-Landschaft braucht. Dieses kann nur schwer an Partner vermittelt werden. Des weiteren machen wir im Bereich Business Intelligence relativ viel selbst. Intern stellen wir auch das Service-Level-Management und die Verwaltung der Netzwerkinfrastrukturen sicher. Auf Grund der vielen Legacies intervenieren wir auch auf unseren eigenen Servern und in unseren eigenen Datacenter.
Und was haben Sie an Partner ausgelagert?
Im Bereich Definition, Umsetzung und Konfiguration macht vor allem Cap Gemini als grosser Integrationspartner viel für uns. Wir haben aber auch andere Partner, die bei gewissen Legacy-Applikationen noch Code für uns schreiben. Wir erledigen dort eher die Qualitätsprüfung. Und dann haben wir noch zusätzliche Partner für Managed Services. Zum Beispiel beziehen wir die gesamte Telefonie als Managed Service von Swisscom.
Was ist Ihnen bei einem Partner wichtig?
Ich suche Partner, die auch wirklich auf eine Partnerschaft aus sind. Das heisst für mich, dass man eng zusammenarbeitet und die externen Partner wissen und verstehen wollen, was wir machen und wie demnach unsere Bedürfnisse aussehen. Weiter ist Expertise ein entscheidender Faktor in diesem Zusammenhang, da ich mir ja auch deshalb Partner suche, weil ich intern nicht die Möglichkeit habe, auf allen Gebieten Spezialisten auszubilden.
Zu Beginn unseres Gesprächs haben Sie erklärt, dass die Mobilität der Mitarbeiter ein grosses Thema bei Ihnen ist. Auf welche Geräte setzen Sie da?
Heute nutzen wir primär Apple-Devices. Wir testen aber auch schon andere Geräte und erlauben unseren Mitarbeitern andere Plattformen zu nutzen. Wir haben einfach definiert, welche Service-Levels wir bieten, um zu garantieren, dass die Devices funktionieren. Da wir Laptops selbst aushändigen, fällt da die Auswahl etwas reduzierter aus als bei den Smartphones und Tablets, wo wir relativ flexibel sind. Doch selbst bei den Laptops bieten wir eine Palette aus zwei bis drei Modellen, aus der sich die Mitarbeiter ein Gerät aussuchen können. Bei den Patrouilleurs ist die Situation noch etwas anders, da diese eher Toughbooks benötigen. Zurzeit testen wir ausserdem Windows-8-Devices wie die neuen Ultrabooks, um auch da eine gewisse Flexibilität zu erlauben. Wir sind jedoch noch nicht so weit, dass wir bereits einen Rollout durchführen könnten.
Inwiefern unterscheidet sich die IT des TCS von anderen IT-Umgebungen? Wo sehen sie besondere Herausforderungen?
Der TCS ist in vielen unterschiedlichen Business-Bereichen aktiv. Dadurch müssen ganz unterschiedliche Prozesse durchgeführt und verschiedene Bedürfnisse befriedigt werden. Um ein Beispiel zu nennen: Das Management unserer 30 Camping-Plätze stellt komplett andere Anforderungen an die IT als die Rechtschutzversicherung, die der TCS ebenfalls anbietet. Hinzu kommen aber noch die Training Center, die technischen Zentren, die Fahrzeug- und Personen-Assistance und natürlich die Mitgliedschaft. Da wir aber auch die Zusammenhänge berücksichtigen müssen – oftmals nutzen die gleichen Mitglieder mehrere Dienstleistungen des TCS – sind die Anforderungen an unsere IT relativ komplex.
Wie bewältigen Sie diese Herausforderung?
Zum einen habe ich ein motiviertes Team, das über das nötige Verständnis in den jeweiligen Gebieten verfügt, und zum anderen kann ich mich auf die Partnerschaft mit dem Business verlassen. Das Business beginnt nämlich, ein gewisses Verständnis für die IT aufzubauen und ermöglicht es uns so, gemeinsam Lösungen zu finden und die Verantwortung für die Funktionalität des Informationssystems des TCS zu teilen.
Welche Bedeutung hat die IT innerhalb des TCS?
Die IT spielt bei jedem Prozess, bei jeder Interaktion mit dem Kunden und neuerdings sogar bei den TCS-Leistungen selbst eine gewichtige Rolle. Dies bedeutet für meine Abteilung, dass wir bei all diesen Aktivitäten präsent sind und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Divisionen aufbauen. Dadurch erhalten wir auch einen grossen Einfluss im Unternehmen. Da wir dazu tendieren, mit Standardlösungen -Prozessen zu arbeiten, müssen nämlich auch dementsprechende Evaluationen darüber vorgelegt werden, wie etwas am besten läuft und was die existierenden Lösungen bereits leisten können.
Glauben Sie, dass die IT innerhalb des Unternehmens auch so positiv bewertet wird, wie es beim CIO-Award der Fall war?
Ich glaube das Bild der IT ist in den verschiedenen Divisionen des TCS noch nicht überall das gleiche. Wir sind jetzt seit zwei Jahren unterwegs. Das war noch nicht genügend Zeit, um in allen Business Units und den verschiedenen Bereichen eine komplette Revolution durchführen zu können. Da gibt es natürlich schon gewisse Gebiete, die noch etwas zu kurz gekommen sind. Diese sehen uns vorerst mit anderen Augen als die Divisionen, mit denen wir bereits sehr eng zusammengearbeitet und die Prozesse praktisch auf den Kopf gestellt haben. Grundsätzlich glaube ich aber, dass die IT bereits als kompetenter Partner gesehen wird und wir mehr Anerkennung erhalten.
Darf man fragen, welche Divisionen bislang am meisten profitiert haben und welche bislang eher das Nachsehen hatten?
Die zentralen, breitgreifenden Divisionen sind natürlich diejenigen, die bislang am meisten profitieren konnten. Wir haben die Marketing- und Callcenter-Prozesse komplett neu gestaltet und im Bereich Fahrzeug-Assistance neue Tools implementiert, so dass nun elektronische Pannen-Reports erstellt werden können. Divisionen wie unsere Trainingszentren haben beispielsweise aber noch Nachholbedarf.
(mw)