Olten ist der Dreh- und Angelpunkt des Schweizer Bahnverkehrs und die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) sind in der Solothurner Metropole allgegenwärtig, ob mit dem grossen Bahnhof, einer Betriebszentrale oder ihrem grössten Industriewerk. Und seit Mai 2011 ist Olten auch die Heimat von SBB Cargo International, einer im Jahr 2010 gegründeten Tochterfirma der beiden Transportunternehmen SBB und Hupac.
SBB Cargo International kümmert sich mit über 600 Mitarbeitenden in der Schweiz, Deutschland und Italien um den internationalen Güterverkehr auf der Nord-Süd-Achse, also zwischen den Nordseehäfen in Deutschland und Norditalien. Über 30’000 Güterzüge pro Jahr werden über die Ländergrenzen hinweg koordiniert – ein Ding der Unmöglichkeit ohne eine moderne IT- und Telekommunikationsinfrastruktur. Diese hat das junge Unternehmen mit dem Bezug der neuen Räumlichkeiten in Olten im Jahr 2011 Schritt für Schritt aufgebaut. Man hat am neuen Hauptsitz unter anderem zusammen mit Swisscom eine zeitgemässe Netzwerkinfrastruktur aufgebaut und die PC-Arbeitsplätze sowie Server modernisiert und an Dell ausgelagert. Gleichzeitig hat man sich auch für einen Strategiewechsel entschieden was die Telefonie betrifft – und zwar länderübergreifend.
Aufwändige Migrationen in Deutschland und Italien
Die Sprachkommunikation erfolgt bei SBB Cargo International heute zum grössten Teil über das Internet, nur die Kommunikation mit einigen kleineren Aussenstellen läuft noch über ein herkömmliches Telefon- oder Mobilfunknetz. Eingeführt hat man die Voice-over-IP-Lösung mit dem Umzug nach Olten im Frühling 2011 zusammen mit dem Schweizer Provider E-fon. 70 Arbeitsplätze wurden damals zum Start am neuen Hauptsitz mit VoIP eingerichtet. «Wir konnten auf der grünen Wiese beginnen, also von Grund auf eine neue Anlage installieren», erklärt Andreas Brünisholz, Team Leader IT bei SBB Cargo International. Das Projekt ist laut ihm dadurch sehr schlank, schnell und reibungslos über die Bühne gegangen. «Natürlich gab es trotz allem ein paar Knacknüsse, beispielsweise was die Netzanbindung und die Sicherheit betrifft», erinnert er sich, aber diese «Nebengeräusche» seien ganz normal, wenn man von Grund auf ein neues Netz aufbaue.
Deutlich anspruchsvoller wurde es für Brünisholz und sein Team in Italien, genauer gesagt am italienischen Hauptsitz in Gallarate. Dort galt es im Juli 2012 eine bestehende Telefonanlage mit 40 Anschlüssen zu migrieren. Die grösste Herausforderung dabei war die Integration ins Schweizer Netz von E-fon und das gleichzeitige Beibehalten der aktuellen, italienischen Nummern. «Dazu war der Aufbau einer Bridge, also einem Server zum lokalen Provider Telecom Italia notwendig, der die Nummernübersetzung macht», erläutert Brünisholz. Zusammen mit Spezialisten von E-fon wurde dieser vor Ort eingerichtet. Von der Projektierung bis zur Umsetzung verging in Italien insgesamt rund ein Monat.
Ebenso herausfordernd wie das VoIP-Projekt in Italien ist die soeben angelaufene Migration in Deutschland. Noch im Februar will SBB Cargo International sowohl den deutschen Hauptsitz in Duisburg sowie die weiteren Niederlassungen in Freiburg, Karlsruhe, Köln und Mannheim auf VoIP umstellen. Das sind weitere 55 Anschlüsse. «Die Umstellung als solches wird nur rund eine Woche dauern», schätzt Brünisholz. Die Vorbereitungszeit sei dafür länger ausgefallen als erwartet. Insbesondere die Nummernportierung von Vodafone zu E-fon sei komplizierter als angenommen.
Genügend Vorlaufzeit ist laut Brünisholz ohnehin das A und O für jedes VoIP-Projekt. Man sollte in jedem Fall genug Zeit für das Konzept aufwenden und die Rahmenbedingungen genau und frühzeitig abstecken, rät er. Ausserdem sei es gut, so früh wie möglich mit den betroffenen Providern Kontakt aufzunehmen. «Realisiert ist die Sache dann sehr schnell, wenn alles gut geplant und vorbereitet ist», weiss der Team Leader IT von SBB Cargo International.
Telefonie-Server sind ausgelagert
Mit dem Abschluss des Projekts in Deutschland wird SBB Cargo International in seinem VoIP-Netzwerk schliesslich rund 160 Anschlüsse und genau so viele physische SIP-Telefone zählen. Die Mitarbeiter erhalten nämlich – je nach Funktion – einen der beiden Tischapparate 53i und 55i des Herstellers Aastra. Als Ergänzung bietet man ihnen gleichzeitig auch ein Softphone an, entweder das kostenpflichtige Programm Bria oder den kostenlosen, neuen Communicator von E-fon, der laut Brünisholz die Anforderungen der meisten Anwender abdeckt.
Neue Geräte und Software beschafft und provisioniert das Transportunternehmen heute selber. Sogar die Nummernzuweisung geschieht ohne E-fon. «Wir betreuen eigentlich alles selber, ausser wir haben spezielle Anforderungen oder Wünsche», erklärt Brünisholz. Möglich ist das dank einem umfassenden Online-Portal von E-fon. Die Telefonie-Server allerdings stehen bei E-fon in Zürich und werden auch durch den Provider betreut. «Es gibt Leute, die das besser können als wir», meint der IT-Fachmann und fügt an, dass für KMU ohne grosse interne IT-Abteilung in diesem Bereich ein Outsourcing sicher Sinn macht. In-house ist seiner Ansicht nach auf die Dauer vielleicht günstiger, hat dafür höhere Anschaffungskosten zur Folge und braucht zwingend Mitarbeiter, die die Sache verstehen. «Extern habe ich diese Fachspezialisten, die rund um die Uhr erreichbar sind und schauen, dass alles läuft», so Brünisholz.
Ein grosses Wissen und gute Fachspezialisten gaben schlussendlich auch den Ausschlag für den Provider E-fon. Dazu Brünisholz: «Wir haben natürlich auch noch andere Anbieter angeschaut, auch grössere. Die konnten uns damals aber die Lösung mit internationalen Rufnummern im italienischen und deutschen Raum nicht bieten. E-Fon hat derweil mit einer Lösung aufwarten können, die man in anderen Ländern bereits erfolgreich umgesetzt hat.» Ausserdem habe das Unternehmen das Projekt in Olten sehr schnell realisieren können, was sehr wichtig gewesen sei, so Brünisholz. Und schlussendlich habe bei E-fon auch das Preis-Leistungsverhältnis gepasst.
Keine Ausfälle und Performance-Probleme
Heute möchte Brünisholz VoIP nicht mehr missen. Die Vorteile gegenüber der klassischen Telefonie überwiegen für ihn, aber nicht nur für ihn, angeblich auch für alle anderen Angestellten. «Man muss nicht mehr überlegen auf welcher Nummer man jemanden erreicht, man kann mit einem Softphone überall auf der Welt mit seiner Nummer via Internet telefonieren und die Telefone sind mit vielen weiteren Systemen und Programmen wie Outlook verknüpft», zählt Brünisholz einige Vorteile auf. Natürlich habe es etwas gedauert, bis dies bei allen Mitarbeitern angekommen sei.
Alles in allem ist die Umstellung von der analogen auf die Internet-basierte Telefonie laut Brünisholz bisher übrigens, was die Mitarbeiter betrifft, reibungslos abgelaufen. «Es ist auch nur eine kleine Umstellung», meint er, wenn man bei einem normalen Tischapparat bleibt. Es gebe zwar einige neue Funktionen, die man den Mitarbeitern zu Beginn zeigen müsse, aber auch das sei für sie keine Hexerei. «Man hat sich längst daran gewöhnt und ich höre eigentlich nichts mehr, ausser wenn das Telefon mal nicht funktioniert, aber das wäre auch ohne VoIP der Fall.»
Dass er nichts hört, liegt vermutlich daran, dass es in den vergangenen Monaten anscheinend auch keine grösseren Ausfälle gegeben hat. Manchmal bleibe mal ein Gerät hängen oder ein Kabel werde versehentlich ausgezogen, aber das ist dann angeblich auch schon alles. Die letzten grösseren Störungen stammen aus den Anfangszeiten, aus dem Herbst 2011, als sich das Netz noch im Aufbau befand. «Diese Probleme konnten wir zusammen mit E-fon allerdings sehr rasch beheben», so Brünisholz. Man habe unter anderem die Bandbreiten analysiert, die Protokolle priorisiert und schliesslich gemeinsam schnell eine Lösung gefunden.
Apropos Bandbreite: SBB Cargo International nutzt keine dedizierte Leitung nur für die Telefonie. Zu Beginn hatte man die Angst, dass der Swisscom-Anschluss mit 20 Mbit/s vielleicht nicht ausreicht, das hat sich inzwischen jedoch als unbegründet herausgestellt. «Wir nutzen im Moment in Spitzenzeiten nur 55 Prozent», erklärt Brünisholz, es gibt also noch Spielraum nach oben. Es ist laut ihm allerdings wichtig, vor einem VoIP-Projekt trotzdem und in jedem Fall einen Blick auf die Bandbreite zu werfen.
Sollte es in Zukunft trotzallem zu einem grösseren Problem kommen, so ist das Transportunternehmen gerüstet. Für die drei Leitstellen in Duisburg, Gallarate und Olten, die für 80 Prozent des gesamten Telefonieaufkommens verantwortlich sind und wo man sich keinen Ausfall leisten kann, gibt es Notfallszenarien. Im Fall der Fälle werden die Anrufe ganz einfach automatisch auf Mobiltelefone weitergeleitet und übers Mobilfunknetz abgewickelt. Ausserdem hat man laut Brünisholz auch noch ein paar analoge Apparate in der Hinterhand.
Kosten sind deutlich gesunken
Einen nicht zu unterschätzenden und bisher nicht angesprochenen Vorteil hat die VoIP-Lösung für SBB Cargo International noch: Das Unternehmen spart damit einiges an Kosten. In Italien beträgt die Telefonrechnung laut Brünisholz heute beispielsweise nur noch rund die Hälfte. «Das liegt vor allem daran, dass wir innerhalb des Unternehmens kostenlos telefonieren, weil wir unser Netz dazu nicht mehr verlassen», erklärt der Team Leader IT. Wenn nun auch Deutschland noch integriert wird, dann werden die Kosten also weiter sinken. Das einzige, was durch die VoIP-Umstellung eigentlich teurer geworden ist, sind laut Brünisholz die Tischapparate, die zwischen 150 und 250 Franken kosten. Die Zukunft geht seiner Meinung nach aber immer mehr in Richtung Softphones.
(mv)