Apps sind von mobilen Endgeräten nicht mehr wegzudenken und tauchen mit dem Erscheinen von Windows 8 nun auch vermehrt auf dem Desktop auf. Der grosse Vorteil von Apps ist, dass sie unabhängig voneinander und getrennt vom eigentlichen Betriebssystem ausgeführt werden. Um von diesem Vorteil zu profitieren, führt auch Sharepoint mit der Version 2013 das App-Modell ein. Eine Sharepoint App ist im Grunde eine normale Web-Anwendung, die wahlweise auf Sharepoint oder einem beliebigen Web Server betrieben und dann in Sharepoint eingebunden wird.
Wollte man in früheren Sharepoint-Versionen die Portallösung mit Eigenentwicklungen erweitern, so musste man den eigenen Code direkt auf Sharepoint installieren. Dies hat sich vielfach negativ auf den Betrieb und die Performance der Sharepoint-Umgebung ausgewirkt. Mit dem neu eingeführten App-Konzept ändert sich dies grundlegend, da Apps vollständig unabhängig von Sharepoint ausgeführt werden. Eine fehlerhaft programmierte App hat somit also keine negativen Auswirkungen auf die übrige Sharepoint-Funktionalität.
Mehr Freiheiten für Entwickler
Erste Erfahrungen zeigen, dass sich dieses neue Entwicklungskonzept massgeblich auf den Entwicklungsprozess auswirkt. Entwickler gewinnen mit dem App-Modell deutlich mehr Freiheiten, da Apps mit beliebigen Technologien und Werkzeugen erstellt werden können.
Bei jedem Software-Projekt muss die Entscheidung der geeigneten Entwicklungsumgebung getroffen werden. Bei früheren Sharepoint-Versionen musste jeder Entwickler eine Sharepoint-Server-Instanz sowie die Entwicklungsumgebung Visual Studio auf seinem PC installieren. Die Entwicklung wurde somit auf der lokalen Sharepoint-Installation durchgeführt. Damit jeder Entwickler über eine identische Sharepoint-Umgebung verfügte, mussten alle Änderungen an der Umgebung auf allen Sharepoint-Installationen nachvollzogen werden. Die lokale Installation war notwendig, da Sharepoint-Funktionalität nur mit Hilfe von den auf Sharepoint ausgeführten Bibliotheken verwendet werden konnte.
Das neue App-Konzept bietet nun neu die Möglichkeit, auf die lokale Sharepoint-Installation zu verzichten. Das Entwicklungs-Team arbeitet mit Visual Studio auf den lokalen Computern und installiert die Apps auf einen zentralen Sharepoint Server. Die Zusammenarbeit wird daruch vereinfacht, da das ganze Team auf dem gleichen Sharepoint Server arbeitet und somit ständig den aktuellen Stand der Sharepoint-Entwicklung zu Verfügung hat.
Apps verwenden unter Sharepoint 2013 die bisherigen Sharepoint-Bibliotheken nicht mehr. Um weiterhin mit dem Sharepoint Server kommunizieren zu können, wurde die sogenannte REST-Schnittstelle (Representational State Transfer) deutlich erweitert und ermöglicht nun den Zugriff auf alle Bereiche der Sharepoint-Funktionalität. Als weitere Neuerung führt Microsoft bei der Autorisierung zwischen Sharepoint 2013 und den Apps den offenen Standard OAuth 2.0 ein. Entwickler mit Erfahrungen aus der vorherigen Sharepoint-Version können trotz dieser Neuerungen sehr leicht auf die neue Version umsteigen, da die Erweiterungen sehr gut in die bestehenden Konzepte eingebettet sind.
Stabiler und einfacher wartbar
Die durch das App-Modell eingeführten Änderungen sorgen dafür, dass auf Sharepoint selbst kein eigener Code installiert werden muss. Erste Erfahrungen zeigen, dass die Stabilität und die Wartbarkeit der Sharepoint-Umgebung dadurch deutlich gesteigert werden. Durch die Trennung zwischen App und Sharepoint lassen sich alle bekannten Javascript-Frameworks problemlos verwenden. Entwickler können damit auf bewährte Technologien zurückgreifen, um ansprechende Portal-Oberflächen zu erstellen. Hier haben erste Erfahrungen gezeigt, dass durch die Verwendung der Frameworks «Bootstrap» und «Knockout.js» ein massiv verbessertes Nutzer-
erlebnis erreicht werden kann.
Es gibt aber auch neue Herausforderungen für Sharepoint-Entwickler. Durch die Unabhängigkeit der Apps und die hohen Freiheitsgrade bei der Gestaltung kann jede App ein eigenes Design-Konzept verwenden. Ein harmonisches Erscheinungsbild der Portalumgebung ist somit äusserst wichtig, um den Anwender bei seiner Arbeit zu unterstützen. Es empfiehlt sich daher, zentrale Design-Elemente pro Sharepoint-Portal fix festzulegen und bei den Apps auf einheitliche Bedienkonzepte zu achten.
Als erstes Fazit kann festgehalten werden: Das Sharepoint 2013 App-Modell hat die Möglichkeiten der Anwendungsentwicklung markant erweitert. Sharepoint 2013 bietet ein tragfähiges Fundament für Portallösungen, welche einen hohen Anteil an Eigenentwicklungen und Flexibilität für funktionale Erweiterungen benötigen.
Matthias Baumann arbeitet als Software Engineer bei Zühlke Engineering.