Seit dem vergangenen Jahr gewinnt das Thema ERP und Software as a Service (SaaS) einen immer grösseren Anteil an der Diskussion um den Betrieb von geschäftlichen Anwendungen im Unternehmen. SAP ist mit SAP Business by Design Anfang 2011 auch in Österreich und der Schweiz an den Markt gegangen und baut schrittweise die globale Präsenz aus. Und der amerikanische Anbieter Plexonline erweitert seit 2011 seine Europa-Aktivitäten mit der rein als SaaS-Modell verfügbaren Lösung für Fertigungsunternehmen. Microsoft bietet aktuell nur über Partner vergleichbare Angebote für Dynamics NAV an, wird aber Ende des Jahres mit dem neuen NAV Release nachziehen und dieses als On-Premise- und wohl Anfang 2013 als On-Demand-Version anbieten. Diesen sogenannten hybriden Weg geht auch Nissen & Velten mit dem Angebot Enventa Cloud. Die vorhandene Lösung wird in die Cloud gebracht und die Anwender haben die Möglichkeit, die Anwendung zu installieren und auch aus der Cloud zu beziehen.
Aus Sicht der Anwender stellen sich die Rahmenbedingungen von SaaS-ERP-Angeboten wie folgt dar:
-Das System wird ohne Aufbau von Infrastruktur – quasi aus der Steckdose – bezogen. Notwendig sind ein Rechner mit einem Internet-Browser und eine entsprechende Verbindung, eine Installation ist nicht notwendig. Für den Einsatz in einer Büroumgebung ist das eine funktionierende Konstellation. Zu klären sind Offline-Arbeitsmöglichkeiten sowie beispielsweise die Zugriffsmöglichkeiten mobiler Mitarbeiter.
-Die Applikation bietet hohe Standards mit entsprechender Zertifizierung in Bezug auf Datensicherheit, Performance und Verfügbarkeit. Entsprechende Service-Level-Agreements und Zertifizierungen erreichen in der Regel eine sehr gute Verfügbarkeit und meistens auch einen besseren Schutz-Level als Server, die in KMU-Unternehmen installiert sind. Zusätzlich garantiert der Anbieter auch Back-Up- und Recovery-Szenarien. Anwender müssen klären, welche gesetzlichen Grundlagen gegebenenfalls die Verwendung ihrer ERP- oder Kundendaten einschränken und welcher Gesetzgebung der Anbieter unterliegt. In diesem Bereich sollten Unternehmen nicht leichtfertig agieren, sondern sich mit dem Thema Datenschutz und -sicherheit ausführlich und eingehend beschäftigen.
-Die Bezahlung erfolgt periodisch nach diversen Pay-per-Use-Modellen. In der Regel bestimmen die Komponenten Laufzeit, Anzahl Nutzer und Funktionsumfang den Preis – eine echte verbrauchsabhängige Abrechnung ist das zwar noch nicht, doch diese Modelle sind kalkulierbar und schützen vor bösen Überraschungen. Es sind keine Anfangsinvestitionen für Software und gegebenenfalls Hardware notwendig und entsprechend wird die Liquidität geschont.
-Das System kann sehr einfach – in der Regel ohne IT-Fachwissen oder Beratungs-Know-how – konfiguriert werden. Dies hat allerdings den Nachteil, dass Anwender sich im Rahmen der Herstellervorgaben bewegen müssen und so manche geliebte Eigenart ihrer Abläufe aufgeben müssen.
-Die Systemoberfläche ist sehr einfach und intuitiv und kann weitgehend ohne Schulung erlernt und bedient werden.
-Die Systemfunktionalität kann durch eine weitgehend nicht reglementierte und unabhängig agierende Entwickler-Community erweitert werden. Erweiterungen werden in der Regel über entsprechende Systemmarktplätze bereitgestellt. SAP bietet mit den entsprechenden Entwicklerwerkzeugen Partnern die Möglichkeit, kleine Ergänzungen aber auch Branchen-Templates nach einem Zertifizierungsprozess zur Verfügung zu stellen.
Den Vorteilen von SaaS-ERP-Anwendungen wie kalkulierbare Kosten, Standardisierung, Security und Back-up-Szenarien stehen Nachteile wie eingeschränkte Anpassbarkeit der Anwendung, der Zwang zur permanenten Online-Verfügbarkeit der Anwender, kaum vorhandene Branchen-Templates und gegebenenfalls Datenschutzfragen gegenüber. Diese Vor- und Nachteile sollten von Anwendern vor einem Entscheid sorgfältig abgewogen werden. Es zeichnen sich aktuell zwei Segmente ab, die sich für SaaS-ERP-Anwendungen entscheiden: Schnell wachsende Mittelständler – bevorzugt aus der Dienstleistungsbranche–, die über eine heterogene IT-Landschaft verfügen und beispielsweise die Finanzbuchhaltungs-, CRM- und Projektmanagement-Software harmonisieren wollen, sowie Unternehmen, die für Tochter- oder Landesgesellschaften eine schnell einzuführende Lösung suchen, die mit ihrem existierenden System in der Zentrale verbunden werden soll. Folgende SaaS-ERP-Anwendungen sind für Schweizer Unternehmen derzeit unter anderem erhältlich:
-SAP Business by Design
Im Herbst 2007 hat SAP mit der neu entwickelten SAP-Business-By-Design-Lösung den Vorstoss in die Software-as-a-Service-Welt für ERP-Produkte im Mittelstand gewagt. Aktuell nutzen über 1000 Kunden, davon knapp die Hälfte im deutschsprachigen Raum, die Software. Um sich intern von der ebenfalls seit Frühjahr 2012 als SaaS-Lösung über Partner angebotenen Version SAP Business One abzugrenzen, steigt ab Sommer die Mindestabnahme von SAP By Design auf 25 Anwender.
Mit dem Angebot erreicht SAP By Design bewusst nicht die Komplexität und Funktionalität der für Grosskunden entwickelten SAP Business Suite, deren Ursprünge als SAP R/3 bekannt sind. Mit SAP Business By Design wurde stattdessen eine integrierte und umfassende Geschäftslösung von Grund auf neu entwickelt, die sich ausnahmslos an den Anforderungen mittelständischer Unternehmen orientiert und einen durchgängigen Blick auf das Unternehmen ermöglicht.
Neben den ERP-Kernbereichen um Buchhaltung und Produktion sind Personalverwaltungs-, Supply-Chain-Management (SCM)-, Customer-Relationship-Management (CRM)- und Einkaufs-Funktionalitäten integriert, die im Zusammenspiel die gängigen Prozesse der Unternehmen abbilden und transparent machen. Ergänzt werden die Bereiche durch umfangreiche Projektmanagement-, Compliance-Management- und Reporting-Funktionalitäten, die mehr als 500 vordefinierte Reports auf Basis der integrierten Analytics-Komponente beinhalten. Die Analysefunktionen von SAP Business By Design basieren auf der In-Memory-Technologie Hana von SAP.
-Plex Online
Die Wurzeln von Plex, gegründet 1995, liegen in der Automobilindustrie, entsprechend ausgeprägt ist der Fertigungsfokus mit den Branchen Automotive, Lebensmittelproduktion und Medizinische Geräte. Dabei geht die Firma, deren On-Demand-Lösung im Jahr 2001 gestartet wurde, durchaus ungewöhnliche Wege. So gibt es beispielsweise keine festen Release-Zyklen, sondern die Updates und Bugfixes werden eingespielt, sobald sie verfügbar sind. Der Kunde entscheidet dann selbst durch Anklicken, ob er die Entwicklung mitgeht oder nicht. Eine weitere Besonderheit ist das Fehlen einer festen Preisliste nach Usern. Der Preis richtet sich nach dem Umsatz des Unternehmens und jeder Mitarbeiter kann lizenzrechtlich auf das System zugreifen. Zielgruppe der Software sind Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 10 Millionen Dollar und rund 2 Milliarden Dollar. In Europa sind derzeit etwa 20 Kunden mit Plex unterwegs, darunter BMW mit dem Bereich Qualitätsmanagement, Nissan mit einem Supplier-Portal, Feintool und Magna. Das ERP-Komplettsystem enthält ein nach deutschem GAAP-Standard zertifiziertes Rechnungswesen von Fides und umfasst Module für CRM, Qualitätsmanagement und SCM, wie auch eine Fertigungssteuerung mit einem integrierten Manufacturing Execution System (MES), das mit Maschinen- und Betriebsdaten (MDE/BDE) aus der Produktion in Echtzeit aktualisiert wird.
-Enventa ERP
Die Unternehmens-Software Enventa ERP wurde komplett auf Basis der .Net-Technologie von Microsoft entwickelt, so dass der Schritt nahe lag, das Angebot Enventa Cloud, welches auf der Windows-Azure-Plattform von Microsoft läuft und von Anwenderfirmen via Internet genutzt werden kann, im Jahr 2011 zu kreieren. Der Funktionalitätsumfang reicht von ERP-Kernfunktionen wie Produktionsplanung, Lagerverwaltung und Einkauf über CRM und E-Commerce bis hin zu Projektmanagement, Finanzbuchhaltung und Controlling.
Die Zielgruppe des Angebots sind Unternehmen mit 5 bis 30 Anwendern. Die Preise starten bei 69 Euro pro Anwender und Monat. Dazu kommen die Kosten für die Nutzung der Windows-Azure-Infrastruktur, da die Lösung im Microsoft-Rechenzentrum in Dublin betrieben wird. Mit Enventa Cloud Stahl steht zudem eine Branchenlösung für den Stahlhandel in der Cloud zur Verfügung. Sie bietet den vollen Funktionsumfang der beiden Enventa-Module Stahl und Biegerei. Mit Enventa Cloud Plus bietet Nissen & Velten Unternehmen zusätzlich die Option, massgeschneiderte Unternehmenslösungen auf der Basis von Enventa ERP entwickeln zu lassen und aus der Cloud zu beziehen. Zielgruppe sind hier Firmen mit 15 bis 30 Anwendern. Dies wäre dann aber eine gehostete Lösung, deren Konditionen sich aus einem Mietanteil für die Standard-Software und einen Teil Entwicklungskosten für Sonderwünsche zusammensetzen.