Die Archivierung von relevanten Dokumenten müsste für kleine Unternehmen eigentlich genauso ein Thema sein wie für Grossfirmen. Nichtsdestotrotz sind dafür notwendige Dokumentenmanagement-Systeme (DMS) heute primär bei grossen Unternehmen im Einsatz. Dies bestätigt auch Jörg Eckhard, Leiter Vertrieb bei DMSFactory, einem von vielen DMS-Anbietern: «DMS ist nur etwas für Grossunternehmen, lautete ein lange gehegtes Vorurteil im Mittelstand. Doch die heute verfügbaren DMS-Lösungen sind weitaus preisgünstiger, lassen sich wesentlich einfacher bedienen als früher und enthalten oft bereits vorkonfigurierte Szenarien für Eingangsrechnungen, E-Mail-Archivierung, Personal Management und anderes. Dadurch sind sie auch für KMU einsetzbar und führen dort schon bei kleinsten Mitarbeiterzahlen zu Effizienz-Zuwächsen.» Uwe Hoffmeier, COO bei Document Concepts, ergänzt: «Gerade in kleineren Unternehmen steigt der Kostendruck und damit die Notwendigkeit, die administrativen Aufwände auf ein Minimum zu beschränken. DMS-Systeme gestatten eine effiziente Ablage aller geschäftsrelevanten Dokumente und erlauben den elektronischen Zugriff zum Beispiel auch für Treuhänder und Steuerberater. Gerade für KMU, wo sich teure ERP-Systeme nicht lohnen, kann ein DMS ergänzend eingesetzt werden, zum Beispiel zur Erstellung und Verwaltung von Offerten, Verträgen, Rechnungen, Lieferscheinen und zur Automation des Mahnwesens.»
Marktübersicht
In unserer Marktübersicht finden Sie 35 Schweizer DMS-Lösungen für KMU.
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Gemäss den Anbietern ist es keinesfalls so, dass der Betrieb eines DMS einfach ein weiterer Kostenfaktor in der KMU-IT ist – im Gegenteil: «Die Suche nach Dokumenten und der damit gebundene Ressourceneinsatz treffen die KMU genauso wie die grösseren Unternehmen. Um die durch das Ordnen von und Suchen nach Dokumenten ausgelösten Aufwendungen und Kosten zu verringern, ist ein DMS gerade für KMU eine sehr interessante und vor allem nachhaltige Investition», erklärt Manfred Terzer aus der Geschäftsleitung von Kendox. Und die von Terzer angesprochene Suche nach Dokumenten ist für jedes Unternehmen ein Thema. Thomas Uhlmann, Geschäftsleiter des Luzerner Easy-Software-Partners Löwenfeld Partner, erklärt: «Gesetzliche und branchenspezifische Vorschriften verlangen von Unternehmen heute eine umfangreiche Dokumentation für eine lückenlose Nachweispflicht. Diese Nachweise sind für KMU mit herkömmlichen Mitteln – sprich Papierform, Mikrofiche, Mappen und so weiter – ab einem gewissen Volumen nicht mehr effizient zu handhaben.»
Und deshalb sei die Frage, ob ein DMS auch für ein KMU Sinn machen kann, eher eine Frage darüber, «inwieweit ein einzelnes Unternehmen, unabhängig von Branche und Grösse, offen ist für neue, zukunftsweisende Technologien», wie Karl Heinz Mosbach, Geschäftsführer von Elo Digital Office, erklärt.
Kaum Infrastruktur nötig
Die Infrastruktur, die in einem KMU vorhanden sein muss, um ein DMS einzuführen, ist wenig komplex. Thomas Uhlmann von Löwenfels Partner führt aus: «Ein Windows Server ist eine geeignete Plattform für ein DMS. Scanner-Hardware, falls Eingangsdokumente digitalisiert werden, sollte über Funktionen wie zum Beispiel Doppeleinzugskontrolle und Zweiseitenscan verfügen. Dies ist heute bereits mit Scannern um die 1500 Franken gut machbar. Auf den Arbeitsstationen, also den PCs, genügt im Optimalfall ein Browser, um das DMS zu bedienen. Um archivierte Dokumente über die ganze Aufbewahrungsdauer sicher zu speichern, ist zudem ein Langzeitspeichersystem empfohlen.»
Daneben gibt es aber noch andere Ansätze. So erhält der Kunde bei der Schweizer Lösung Archivista die gesamte Hard- und Software vom Hersteller. Für die Vernetzung der sogenannten Archivistabox braucht es dann lediglich noch eine IP-Adresse, Client-seitig genügt ein Browser.
Manfred Terzer von Kendox führt zudem an, dass für ein DMS theoretisch gar keine Infrastruktur mehr nötig sei, weil die gesamte Anwendung ausgelagert werden könne. «Der Trend geht auf jeden Fall immer stärker in Richtung einer voll virtualisierten Server-Umgebung. Physische Server werden wegen der hohen Wartungs- und Betriebskosten immer seltener implementiert. Die Umsetzung einer schlanken, gut virtualisierbaren Infrastruktur erfordert gerade bei KMU geringe Aufwendungen und Kosten.» Im Prinzip gebe es für KMU drei Möglichkeiten, ergänzt Terzer. Die erste Möglichkeit wäre, die Hardware in einer eigenen IT-Infrastruktur mit Einsatz von eigenen Personalressourcen zu verwalten und zu hosten. Eine weitere Lösung biete das Outsourcing, bei dem die eigene IT-Infrastruktur an einen IT-Dienstleister ausgelagert wird. Als die dritte und besonders für KMU interessante Alternative bezeichnet er das Thema Cloud Services, bei denen Unternehmen sichere, für Firmenanwendungen konzipierte Cloud-Angebote nutzen und so die Anschaffungs- und Betriebskosten massiv reduzieren können.
Einen anderen, jedoch ganz wesentlichen Punkt – wie auch die Fallstudie im Hotel Post in Sargans auf Seite 45 zeigt – fügt Michael Böhm von Anbieter GDS Software an: «Aus unserer Sicht ist die wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche DMS-Einführung eine integrierte Software-Landschaft. Ein DMS sollte nicht losgelöst von anderen Business-Anwendungen stehen, sondern im Idealfall mit dem CRM, dem Warenwirtschaftssystem und anderen verwendeten Lösungen integriert sein.»
DMS muss zur Firma passen
Der Punkt Integrationsfähigkeit beziehungsweise die Möglichkeit zur Anbindung an Mail-, Office- und ERP-Systeme ist sicher einer der Faktoren, die ein Unternehmen bei der Wahl des richtigen DMS berücksichtigen sollte. Zu den wesentlichen Funktionen, die ein DMS bieten sollte, erklärt Archivista-Geschäftsführer Urs Pfister derweil: «Bei den Funktionen können heute fast alle Systeme deutlich mehr bieten, als die Kunden je benötigen werden. Die Schwierigkeit besteht nicht in der Wahl eines bestimmten Systems, sondern darin, ein DMS-System für den Kunden passgenau zu implementieren. Ein KMU ist daher gut beraten, bei der Evaluation darauf zu achten, wie die gestellten Anforderungen realisiert werden.»
Und auch Thomas Uhlmann führt einen interessanten Punkt abseits von Funktionen und Features an: «Ein DMS muss primär zur Arbeitsweise eines Unternehmens passen. Wichtig ist das Bewusstsein, dass die Einführung eines DMS alle Hierarchiestufen eines Unternehmens tangieren kann und erfahrungsgemäss zu einem Organisationsprojekt führt. Vorzugsweise erfolgt eine Einführung etappenweise. Dabei sind Führungsverantwortliche gefordert, sich aktiv in diese Projekte einzubringen und das Verständnis im Unternehmen dafür zu schaffen», erklärt der Löwenfels-Partner-Geschäftsführer.
Angebots-Dschungel
Durch den KMU-Fokus in dieser Marktübersicht fehlen die sogenannten Enterprise-Content-Management-Systeme (ECM), die sich primär dadurch von DMS unterscheiden, dass sie nicht nur Dokumente in einem zentralen System verwalten, sondern vielmehr jeglichen Content, der in einem Unternehmen anfällt. Dazu gehören etwa auch Video- oder Audiofiles oder Web-Content. DMS ist demnach ein Teilbereich von ECM.
Sabine Mittelstädt, ECM Consultant bei Docuportal, erklärt die Unterschiede: «Ein DMS steht für reines Dokumentenmanagement, gleich welchen Formates. Es zeichnet sich aus durch einmalige, zentrale oder dezentrale Ablage von Dokumenten, schnelles Wiederfinden von Dokumenten durch verschiedene Suchfunktionen (auch über Attribute und Metadaten), Archivieren mit definierten Aufbewahrungsfristen, Versionierung der Dokumente, Nachvollziehbarkeit durch eine Historie und vieles mehr. Hervorzuheben ist die Abbildung von Geschäftsprozessen durch Workflows, zum Beispiel für Freigabeprozesse, Rechnungsläufe oder die Einhaltung von Fristen. ECM hingegen ist keine Software, sondern ein Konzept für die ganzheitliche Verwaltung, Speicherung, Bearbeitung, Erfassung und Archivierung von sämtlichen Unternehmensinformationen. Hierbei wirken verschiedene Software-Systeme miteinander – wie Dokumentenmanagement, Langzeitarchivierung, Output-Management, Input-Management, Web Content Management und so weiter.»
Doch auch ohne die ECM-Angebote finden sich in dieser Markt-übersicht – die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat und für die nur Lösungen angefragt wurden, die speziell auf die Bedürfnisse von KMU (die «grösste» kommt dabei von IBM und ist ab 50 Usern geeignet) zugeschnitten sind – die Systeme von 35 verschiedenen Anbietern. Ein Unternehmen, das die Einführung eines DMS ins Auge fasst, muss aus diesem Dschungel der verfügbaren Lösungen zuerst einmal die Systeme finden, die für es in Frage kommen. Keine einfache Aufgabe, wie auch Jörg Eckhard von DMSFactory bestätigt: «Der Markt ist unübersichtlich, und die Frage, welches Produkt für die eigenen Zwecke das richtige ist, daher nicht einfach zu beantworten.» Eckhard empfiehlt, folgende Punkte zu beachten:
-Die konkreten Anforderungen im Unternehmen genau definieren und in einem kurzen Pflichtenheft festhalten. Unter Umständen empfiehlt sich sogar das Hinzuziehen eines DMS-Beratungshauses, wobei unbedingt auf dessen Branchenausrichtung geachtet werden muss.
??Bei Produkt-Sondierungen sich die Funktionalitäten der Software live vorführen lassen und nicht auf vollmundige Präsentationen vertrauen.
-Darauf achten, dass es sich um ein Standardprodukt handelt, das nicht aufwendig programmiert werden muss, sondern weitgehend durch Customizing in die vorhandene IT-Landschaft angepasst werden kann.
-Neben umfassenden DMS-Funktionen wie Check-in-/Check-Out-Mechanismen, Versionierung und Volltextindizierung auch auf zusätzliche Features wie E-Mail-Archivierung, digitale Signatur oder Workflow-Funktionen achten. Sich dabei immer eng an den eigenen Anforderungen orientieren. Ist etwa die Zahl der täglich eingehenden Rechnungen gering, kann zum Beispiel auf eine automatisierte Indizierung verzichtet werden.
-Schliesslich sollte das Produkt eine leicht verständliche Benutzer-oberfläche haben, sich über Schnittstellen in branchenspezifische Software-Komponenten einbinden lassen und auch offen skalierbar nach oben sein.
-Vorab klären, ob zusätzlich zum neuen DMS auch weitere Hardware, neue Netzwerkinfrastruktur oder neue Software notwendig ist – so lässt sich sicherstellen, dass Projekte kalkulierbar bleiben.
Karl Heinz Mosbach von Elo Digital Office gibt als ergänzenden Tip mit auf den Weg, dass eine ganzheitliche Planung und ein überschaubares Szenario wichtig sind. «Man sollte lieber klein starten und dann Schritt für Schritt erweitern», rät Mosbach. Und Uwe Hoffmeier von Document Concepts erklärt abschliessend: «Letztlich hängt die Auswahl des DMS von den Anforderungen und Bedürfnissen im Unternehmen ab. Generell lässt sich jedoch sagen, dass standardisierte DMS-Lösungen, welche mit vorgefertigten Templates arbeiten, den universellen, technisch zentrierten Portallösungen wie zum Beispiel Sharepoint überlegen sind, da solche DMS sehr effizient kundenspezifisch implementiert und kostengünstig betrieben werden können.»
(mw)