Swiss IT Magazine: Angesichts von über 30’000 Mitarbeitern bei Swissport ist ihre IT-Abteilung ziemlich klein, oder nicht?
Bruno Riesen: Das ist so. In der Corporate-IT sind wir acht Leute und kümmern uns um die gesamte IT-Strategie des Unternehmens und die grossen Projekte. Alles in allem zählen wir weltweit knapp 60 IT-Mitarbeiter.
Wie funktioniert denn Ihre IT-Strategie?Wir haben in der Swissport-IT einen sehr hohen Outsourcing-Grad. Unser Haupt-Outsourcing-Partner ist dabei HP, was unter anderem historisch bedingt ist. HP betreibt dabei grosse Teile unserer IT und unserer Applikationen, beispielsweise unser Abfertigungssystem oder unser Datacenter hier in der Schweiz, das eines unserer zwei Hauptrechenzentren ist. Daneben verfolgen wir auch einen hohen Abgrenzungsgrad zwischen IT-Infrastruktur und dem Applikationsmanagement. Letzteres beinhaltet hauptsächlich das Training für Applikationen oder das Definieren von Change Requests und wird im Business gemacht. Es gibt mehrere Business-Vertreter in den verschiedenen Divisionen beziehungsweise Ländervertretungen von Swissport, die über eine eigenständige Applikationshoheit verfügen. Ein Beispiel: Für unsere Planungstools, die sehr wichtig sind für uns, gibt es jemanden in der Operations-Abteilung, der für die Weiterentwicklung dieser Lösungen verantwortlich ist. Wir hier in der Corporate-IT schauen derweil, dass der Zugang und das Hosting der Software geregelt ist oder, dass die SLAs eingehalten werden – kümmern uns also um die Infrastruktur und auch das Lieferanten- und Lizenzmanagement. Der Grund dafür ist einfach: Die Mitarbeiter aus dem jeweiligen Business kennen die Anforderungen an eine Applikation viel besser als wir hier in der Corporate-IT.
Aber nebst dem Outsourcing müssen Sie angesichts Ihrer Grösse auch sonst sehr schlank aufgestellt sein. Das ist richtig. Wir sind äusserst schlank aufgestellt, die IT-Kosten machen bei Swissport nur rund 2,5 Prozent der Gesamtkosten aus, was sehr wenig ist. Wir arbeiten mit Server-based Computing und verteilen heute alle Applikationen weltweit, die im gesamten Unternehmen gebraucht werden, von unseren beiden Datacenters hier in Zürich und in Washington aus. Insgesamt sprechen wir hier von rund 80 Applikationen – von Office bis hin zu ERP-Lösungen. Ein Vorteil dieser Strategie ist nebst der Schlankheit auch die Flexibilität. Beispielsweise haben wir erst kürzlich die Lizenz für den Flughafen Brüssel gewonnen, und müssen dort den Betrieb am 1. Oktober aufnehmen. Wir sprechen hier von rund 500 Mitarbeitern, die innerhalb von drei Monaten arbeitsfähig sein müssen. Dank unserer Architektur müssen wir den neuen Standort nur mit Thin Clients ausrüsten und schauen, dass die Vernetzung funktioniert. Dann stellen wir über das WAN und Citrix die Applikationen bereit, und es kann gearbeitet werden. Der lokale IT-Koordinator muss eigentlich nur noch die Thin Clients ans Netz hängen und die Printer konfigurieren. Ein weiterer Vorteil dieses Vorgehens ist, dass alle Mitarbeiter und alle Niederlassungen mit derselben Software arbeiten. Das Applikationsmanagement wird dadurch ziemlich einfach.
Seit wann ist ihre IT-Infrastruktur so zentral aufgebaut?Ende der 90er-Jahre hat man damit begonnen, Applikationen zentral bereitzustellen. Zuerst einige wenige, heute praktisch das gesamte Portfolio. Es gibt nur noch einzelne Applikationen, die lokal installiert werden. Teils ist dies im HR-Bereich nötig, aufgrund länderspezifischer Anforderungen. Ausserdem findet man vor Ort jeweils noch eine gewisse Anzahl PCs oder Notebooks, so dass bei einem Systemausfall die wichtigsten Aufgaben trotzdem wahrgenommen werden können.
Solche Systemausfälle sind dann aber fatal, oder?Systemausfälle sind sicher unsere grösste Sorge. Klar ist möglichst alles redundant aufgebaut, aber eine 100-prozentige Verfügbarkeit ist nicht möglich. Das Konzept hat seine Risiken.
Und wie häufig sind Systemausfälle?Im Schnitt sind die Systeme vielleicht vier bis sechs Stunden im Jahr nicht verfügbar. In dieser Zeit steigt mein Puls dann ziemlich stark (lacht).
Gefährlich kann aber auch die Abhängigkeit vom Outsourcing-Partner – in Ihrem Fall von HP – sein, gerade wenn man in weiten Teilen und über Jahre zusammenarbeitet. Wir haben nebst HP natürlich schon auch andere Outsourcing-Partner, beispielsweise SITA. SITA ist bekannt im Airline-Umfeld als WAN-Provider und kümmert sich zum einen um die Connectivity, zum anderen aber auch um die Telex-Infrastruktur. Denn das Airline-Business stützt sich auch heute noch hauptsächlich auf Telexe als Kommunikationsmittel. Daneben haben wir weitere Partner im Bereich Applikationen. Doch Sie haben recht, nach all den Jahren ist schon eine gewisse Abhängigkeit zu HP entstanden. Und HP kümmert sich insbesondere bei Swissport hier in der Schweiz um viele verschiedene Bereiche. Sicher könnte ich einzelne Teile an andere Dienstleister vergeben. Doch es macht kaum Sinn, dass ich zum Beispiel den Client-Support anderweitig vergebe. Denn sobald ich ein Problem habe, schieben sich die Outsourcer die Schuld gegenseitig zu – der Client-Verantwortliche gibt die Schuld dem Datacenter und umgekehrt. Dieses «Ping-Pong» ist etwas vom ärgerlichsten, das es gibt, und in meinen Augen ist eine saubere Abgrenzung der Verantwortlichkeiten der Lieferanten enorm wichtig. Darum steht für mich ein Anbieterwechsel für einzelne Bereiche nicht zur Debatte.
Und ein kompletter Wechsel, weg von HP?Dies ist natürlich denkbar. Zwar ist unsere Umgebung komplex, doch auch andere Outsourcer könnten diese für uns betreiben. Ich prüfe immer wieder mal mögliche Optionen.
Sie haben ja kürzlich unter anderem auf Office 2010 migriert. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht, die Sie weitergeben können? Bei Office konnten wir im Rahmen unseres Enterprise Agreements mit Microsoft unseren Mitarbeitern schon früh Office 2007 oder 2010 für den Heimgebrauch zur Verfügung stellen – in diesem Fall gar zum Nulltarif. Dies wurde von den Mitarbeitern rege genutzt. Dadurch ist der Trainingsaufwand drastisch gesunken. Probleme gab es bei der Einführung teilweise in der Interoperabilität mit anderen Applikationen oder im Bereich Printing. Wichtig ist hier, möglichst früh Testumgebungen bereitzustellen und möglichst viele Test-User damit arbeiten zu lassen. Uns ist das hier nicht optimal gelungen. Zwar hatten wir einen grossen Test-User-Bereich, aber die Testplattform hat in den Basisfunktionen nicht immer sauber funktioniert. Wenn ein Anwender beispielsweise in der Testumgebung nicht drucken kann, strafen Sie ihn, wenn er darin arbeiten muss. Das Ziel sollte sein, eine Umgebung zu schaffen, in der der Anwender von Anfang an gerne arbeitet. Denn sonst hält man ihn davon ab, intensiv und seriös weiterzutesten. So sind dann beim Roll-out Probleme mit Funktionen aufgetaucht, die beim Test gar nicht ausprobiert wurden, aber eigentlich hätten getestet werden müssen.
Es fällt auf, dass Sie relativ stark auf Microsoft-Produkte setzen, nebst Office auch auf Windows Server 2008 R2, zudem sollen Sharepoint und im Kommunikationsbereich Lync eingeführt werden. Worin sehen Sie die Vorteile, breit auf Microsoft zu setzen?Wir haben Alternativen aus dem Open-Source-Bereich geprüft. Doch wir haben auch gemerkt, dass sich unsere Mitarbeiter in der Microsoft-Welt zuhause fühlen – insbesondere in Outlook. Wir haben auch versucht, Instant Messaging und Video Conferencing mit anderen Plattformen umzusetzen, doch die Akzeptanz des Users ist nicht da, wenn er für Collaboration eine andere Applikation öffnen muss. Die Integration ist der grosse Vorteil von Microsoft. Der Nachteil ist natürlich der Preis. In gewissen Bereichen setzen wir auch auf Open Source – etwa im Bereich Reporting mit Pentaho. Wenn ich auf Open Source setze, muss aber der professionelle Support trotzdem gegeben sein.
Können Sie mir etwas zu laufenden Projekten erzählen?Da ist zum einen die Sharepoint-Einführung für ein globales Intranet, das bislang fehlte und überfällig ist. Bislang hatten wir nur landesweite Intranets. Ausserdem steht die Lync-Einführung im Kommunikationsbreich an. Daneben gibt es einige operationelle Projekte. Ein Beispiel ist hier die Einführung einer Lösung zur sauberen Erfassung der Leistungen, die wir für die Airlines erbringen. Dabei geht es um die strukturierte Abbildung der Verträge, die wir mit den Airlines haben, der tatsächlichen Leistungserbringung und der weitgehend automatisierten Abrechnung. Teil dieses Projekts ist, dass Leistungen beispielsweise mit dem Handheld erfasst und so abgerechnet werden. Wir haben festgestellt, dass ein Teil des Umsatzes verschenkt wird, weil nicht alle Leistungen sauber erfasst oder abgerechnet werden.
Da müsste eigentlich die Wertschätzung der IT in der Geschäftsleitung hoch sein?Unser CEO und die Geschäftsleitung sehen den Wert der IT schon, aber für sie ist vor allem wichtig, dass die operativen Systeme laufen, und nicht zuletzt, dass ihr eigenes IT-Equipment reibungslos funktioniert. Manchmal scheint die IT aber mehr als Mittel zum Zweck, und es geht vergessen, dass bei Swissport ohne IT nicht viel gehen würde, und dass wir ohne IT kaum Passagiere abfertigen können.
Sie sind seit 2005 CIO von Swissport. Wie hat sich Ihre Rolle in den letzten sechs Jahren verändert?Eigentlich nicht sehr stark. Es wird einfach generell mehr gefordert von der IT. IT wird immer komplexer, die Zahl der Applikationen steigt, es kommen neue Technologien, neue Endgeräte, und die Kosten sollen sinken. Entsprechend anspruchsvoller wird die Aufgabe des CIO. Zudem muss ich mich als CIO mehr und mehr auch in die Business-Prozesse einbringen, meine IT-Infrastruktur-Sicht wandelt sich verstärkt in eine Prozess-Sicht. Ich muss Prozesse verstehen, neue, geforderte Funktionen als Teils des gesamten Prozesses sehen. Im täglichen Business wird häufig noch in Funktionen gedacht – Funktionen, die man sich wünscht. Die Prozess-Sicht muss ich als CIO inne haben. Mein Vorteil ist, dass ich mich in diesem Prozess-Denken zuhause fühle, und dass ich mit Philipp Schlatter einen starken CTO an meiner Seite habe, der über tiefes IT-Wissen verfügt.
Abschliessend: Was reizt Sie an Ihrem Job hier bei Swissport?Vor allem die hohe Selbständigkeit. Ich kann bezüglich IT bei Swissport vieles selbst definieren, trage damit aber natürlich auch viel Verantwortung. Ausserdem wird Innovation bei uns gross geschrieben, darum wird es hier nie langweilig. Aber der Job ist auch extrem herausfordernd, und es kommt schon manchmal vor, dass ich mich wieder nach einem «normalen» 9-to-5-Job sehne. Es ist halt so, dass man als CIO täglich mit Problemen konfrontiert wird, doch wenn alles läuft, klopft einem kaum jemand auf die Schulter. Als CIO ist man immer ein wenig der Buhmann. Aber das ist das Leid des CIO – wohl in jeder Firma.
Bruno Riesen
Bruno Riesen ist Vice President IT & CIO bei Swissport. Bei Swissport handelt es sich um die weltgrösste Servicegesellschaft für Airlines und Flughäfen. Das Unternehmen zählt rund 33’000 Mitarbeiter und ist mit über 180 Stationen in mehr als 40 Ländern präsent. Dabei kümmert sich Swissport um über 3 Millionen Flugbewegungen und fertigt über 70 Millionen Passagiere ab. Im vergangenen Jahr machte die Firma rund 1,7 Milliarden Franken Umsatz.
(mw)