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Editorial

Abgabenterror: In jedem steckt ein Pirat


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/01

     

Besitzen Sie einen MP3-Player? Oder CD-Rohlinge? Dann sind sie kriminell. Das ist nicht meine Meinung, sondern das Urteil der Suisa. Denn die Genossenschaft der Musiker und deren Verleger, die sich um das Wohl der Künstler (und auch um ihr eigenes) sorgt, unterstellt allen MP3-Player-Besitzern und CD-Rohling-Käufern, dass sie illegale, kostenlos bezogene Musik auf diesen Datenträgern speichern. Deshalb wird, wer Leerdatenträger oder einen MP3-Player kauft, bereits mal präventiv zur Kasse gebeten und hat eine Urheberrechtsabgabe zu leisten.
Dabei scheint die Suisa aber zu «vergessen», dass es zum einen heute Download-Portale wie iTunes gibt, wo man für das Herunterladen eines Songs bezahlt und somit bereits Urheberrechtsabgaben leistet, und dass es zum anderen durchaus auch sein kann, dass auf einem Leerdatenträger einfach nur private Dokumente, Ferienschnappschüsse oder Heimvideos gesichert werden. Vielmehr werden alle User unter Generalverdacht gestellt und der Piraterie bezichtigt. Man unterstellt ihnen, dass sie Lieder gratis aus dem Internet heruntergeladen haben – was in der Schweiz bekanntlich legal ist – und bittet sie daher zur Kasse. Dass der Anwender, der für die Lieder bezahlt hat, zwei Mal Urheberrechtsgebühr bezahlen muss, scheint für die Suisa keine Rolle zu spielen.

Während sich in der Bevölkerung immer mehr Widerstand regt und die Jungfreisinnigen sowie die Piratenpartei eine Petition gegen den Abgabenterror lanciert haben, bekommt die Suisa den Mund nicht voll genug und plant für Juli 2011, Urheberrechtsabgaben auf Smartphones mit integriertem MP3-Player einzuführen. Zumindest vorübergehend gestoppt wird die Suisa in ihrem Vorhaben nun durch den Wirtschaftsverband Swico, der dagegen Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Bern eingereicht hat. Laut Swico ist die pauschale Geräteabgabe nach dem Giesskannenprinzip unnötig. Man wehre sich generell gegen Potenzialbesteuerungen sowie mehrfache und pauschalisierte Abgaben, so der Tenor des Verbandes. Angestrebt werde vielmehr eine verursachergerechte Lösung. Wie diese Lösung allerdings aussehen soll, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft. Oder können Sie sich Kontrolleure vorstellen, die an Ihrer Haustüre klingeln und von Ihnen genaue Belege dafür verlangen, woher Sie jeden einzelnen Song auf Ihrem Musik-Player haben?


Ich denke, dass wir uns bei dieser Thematik an der EU orientieren sollten. Dort wurden im vergangenen Jahr nämlich per Gerichtsurteil die generellen Urheberrechtsabgaben auf Geräte und Speichermedien für rechtswidrig erklärt. Im Gegenzug – und ich weiss, dass ich mich mit dieser Aussage extrem unbeliebt mache – müsste man allerdings auch das kostenlose Downloaden von Liedern in der Schweiz verbieten. Denn: Die Künstler sollen für ihr Schaffen selbstverständlich entschädigt werden. Für mich ist der Weg über eine Stiftung, die mit dem Eintreiben von Zwangsgebühren reich wird – ein Schelm, wer hierbei den Vergleich zu einer anderen Organisation zieht, die sich brav um die Eintreibung der Fernsehgebühren kümmert und sogar Handys zu Empfangsgeräten macht –, und über die Kriminalisierung der User der falsche. Denn dieser Weg lässt mir als Privatperson keine Wahl. Ich habe keine Möglichkeit, von den Abgaben befreit zu werden – selbst dann nicht, wenn ich versichere, dass ich den eben gekauften Rohling nicht für Musik nutzen werde. (abr)


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