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Projektcontrolling standardisiert
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Projektcontrolling standardisiert

Standardlösungen sind von Projektcontrolling-Aufgaben häufig überfordert. Das Unternehmen Jauslin + Stebler hat trotzdem eine Lösung abseits von Excel gefunden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/06

     

Von Urs Osterhellweg und Götz Schackenberg

Überschrittene Budgets, nicht eingehaltene Deadlines, am Ziel vorbeigeschossene Endresultate und unzufriedene Auftraggeber: Dass Projekte in Schieflage geraten, ist leider nach wie vor Alltag. Studien gehen davon aus, dass je nach Branche, Unternehmensbereich und Aufgabenstellung zwischen 30 und 70 Prozent aller Projekte ihre Zielvorgaben nicht erreichen. Häufigste Ursache für das Scheitern ist gemäss einer aktuellen Untersuchung des Analystenhauses Experton Group das Fehlen eines proaktiven Projektmanagements und -controllings. Denn damit ein Projekt erfolgreich im Zielhafen einlaufen kann, muss es kontinuierlich überwacht und gesteuert werden. Dabei ist eine jederzeit aktuelle Positionsbestimmung ebenso wichtig wie die Kenntnis darüber, wie sich das Projekt hinsichtlich der Kosten, Termine und der Qualität über die Zeit entwickelt.

Excel entwickelt Eigenleben

Dass dies heute nur mit Software-Unterstützung effizient möglich ist, haben gemäss der Experton-Untersuchung mittlerweile bereits 63 Prozent der befragten Unternehmen erkannt. Aufhorchen lässt hingegen die Tatsache, dass trotzdem ein Grossteil der Firmen das Projektmanagement nach wie vor auf Basis von Microsoft Excel abwickelt. Dabei werden die in Eigenregie erstellten Lösungen in der Regel individuell und je nach den IT-Kenntnissen von den Projektleitern geführt. Diese Anwendungen entwickeln mit der Zeit ein Eigenleben, in dem sich Dritte praktisch nicht mehr zurechtfinden.


Hinzu kommt, dass die Daten aus den einzelnen Anwendungen nur mit sehr hohem manuellem Aufwand konsolidiert werden können. Dies führt zu Intransparenz und verhindert, dass die verschiedenen Anspruchsgruppen mit gezielten Reports und Auswertungen bedient werden können. Zudem bremsen die Individuallösungen abteilungsübergreifende Prozessverbesserungen aus und erschweren auch das Projektportfolio-Management. Die Unternehmensleitung ist nicht in der Lage, die Gesamtheit ihrer Projekte effizient zu über­wachen und zu steuern.

Detailausprägungen verlangen Flexibilität

Der Hauptgrund für den nach wie vor sehr hohen Excel-Anteil liegt in der meist sehr unterschiedlichen Detailausprägung der verschiedenen Projekte. Viele Standardanwendungen bieten nicht die notwendige Flexibilität, um alle Varianten in einer Software abbilden zu können. Hinzu kommt, dass heute immer mehr unterschiedliche Anspruchsgruppen mit Reports bedient werden müssen, was die Flexibilitätsansprüche weiter ansteigen lässt.


Dass heute aber durchaus auch sehr komplexe Projekte auf sämtlichen Ebenen transparent überwacht werden können, zeigt das Beispiel des Basler Unternehmens Jauslin + Stebler Ingenieure. Es hat sich auf Basis der dienst­leistungsspezifischen CRM- und ERP-Lösung des Zürcher Standardsoftware-Herstellers Vertec eine zentrale Budget-, Offert-, Vergabe- und Abrechnungskontroll-Plattform geschaffen, auf der alle Beteiligten per Internet zusammenarbeiten können.

Identisch und doch anders

Auch – oder gerade – in der Baubranche sind uneinheitliche Controlling-Instrumente häufig die Ursache für stolpernde Projekte. So ist vor kurzem auch die eidgenössische Finanzkontrolle anhand der Analyse von zehn Tunnelbauprojekten zum Schluss gekommen, dass die mangelnde Qualität der Kostenvoranschläge sowie die Intransparenz der Kostenentwicklung und der Dokumentation mitverantwortlich für die teils gravierenden Budgetüberschreitungen sind.
Götz Schackenberg, Teilbereichsleiter bei Jauslin + Stebler, sieht die Ursache für das verbreitete Fehlen eines einheitlichen Controllings vor allem in der Individualität der Bauvorhaben begründet: «Zwar laufen Bauprojekte in der Regel nach bekannten und weitgehend identischen Prozessschritten ab. In ihrer Detailausprägung unterscheiden sie sich aber meistens sehr stark, beispielsweise in der Projektorganisation und -struktur, im Projektgegenstand und -umfang sowie hinsichtlich der Investoren und der beteiligten Unternehmen.»

Grosses Bauprojekt verlangt nach standardisiertem Controlling

Auch bei Jauslin + Stebler, zu deren Kerntätigkeiten unter anderem das bauherrenseitige Projektmanagement von privatwirtschaftlichen Kleinprojekten bis hin zu öffentlichen Gross-projekten zählt, wurden die Projekte bis vor kurzem noch mithilfe von selbsterstellen Excel-Lösungen überwacht.

Als das Unternehmen jedoch den Zuschlag für die Gesamtleitung eines grossen Tunnelbauprojekts erhielt, entschieden die Verantwortlichen, die zahlreichen Inselanwendungen abzulösen. Stattdessen sollten sämtliche systematischen Gemeinsamkeiten – wie etwa Projekt- und Objektstruktur, Kostenartenpläne, Phasenabläufe, Adress- und Kontakt­informationen, Vertrags- und Rechnungswesen sowie Finanzdaten – in einer Software abstrahiert werden. Das erklärte Ziel: Ein generisches Controlling-Instrument, mit dem alle Bauprojekte anhand standardisierter Prozesse effizient und sicher geführt, überwacht und gesteuert werden können.

Schrittweise zum effizienten Controlling-Tool

Bei der Evaluation einer entsprechenden Software-Basis kristallisierte sich rasch die Lösung von Vertec als geeignetster Kandidat heraus, wie Schackenberg ausführt: «Zum einen nutzen wir bereits seit einigen Jahren Vertec erfolgreich als ERP-Lösung in unserem Unternehmen. Zum anderen überzeugte uns die Software durch den flexiblen Programmaufbau sowie die praktisch unbegrenzten Datenexportmöglichkeiten.»

Gemeinsam mit dem Hersteller legte Jauslin + Stebler für das Entwicklungsvorhaben ein iteratives Vorgehen fest. Das Tunnelbauprojekt diente mit seinen extrem komplexen Strukturen und den vielfältigen Anforderungen als generische Basis, die in beherrschbaren Schritten in der Software umgesetzt werden sollte.


Auf ein Vorprojekt, in dessen Rahmen die zentralen Anforderungen getestet wurden, folgte ein erster Prototyp. Nach mehreren Verfeinerungszyklen wurde die Applikation schliesslich im konkreten Tunnelbauvorhaben auf die Bewährungsprobe gestellt. Die Ergebnisse fielen positiv aus, so dass Vertec CC (Cost Controlling) schliesslich als zentrale Anwendung für grosse Infrastrukturvorhaben eingeführt wurde.

Jederzeit die richtigen Informationen

Mittlerweile bildet die Anwendung das Projektcontrolling-Rückgrat von Jauslin + Stebler, mit dem alle Projekte individuell und gleichzeitig strukturiert und dokumentiert abgebildet werden. Dabei können per Internet alle Anspruchsgruppen wie Auftraggeber und -nehmer, Investoren, Projektleiter oder die Geschäftsführung eingebunden und jederzeit genau mit jenen Informationen beliefert werden, die für sie relevant sind.

Per Internet können die berechtigten User jederzeit auf aktuelle und verlässliche Kostenprognosen sowie eine detaillierte Finanzplanung zugreifen. Möglich wird dies durch die Tatsache, dass in Vertec CC auf tiefster Hier­archie der Projektstruktur Unterprojekte definiert sind. Diese verfügen jeweils über einen eigenen Phasenplan, auf den alle Budgets, Vergaben und Kosteninformationen verbucht werden. Kommt es zu Projektverschiebungen oder -verzögerungen, dann sorgt ein intelligenter Automatismus dafür, dass die Budgets, Vergaben und Kosten auf der Zeitachse neu verteilt werden, sobald der entsprechende Phasenplan aktualisiert wird.


Für zusätzliche Transparenz sorgen auch die erzielten Verbesserungen in Sachen Projekt-Dokumentation. So können die Nutzer beispielsweise an jeder Stelle der Datenbank digitalisierte Projektdossiers, Verträge, Rechnungen oder anderen Dokumente extern verlinken, Textinformationen hinterlegen und damit die eigenen Aktivitäten dokumentieren. Auch bleiben alle Budget-Mutationen über ein entsprechendes Logfile nachvollziehbar. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass nichts vergessen geht und dass sämtliche Vorgänge transparent dokumentiert sind. Das ist insbesondere in Projekten mit langen Laufzeiten sehr wertvoll.

Urs Osterhellweg, Projektleiter bei Vertec, und Götz Schackenberg, Teilbereichsleiter bei Jauslin + Stebler Ingenieure, haben die Controlling-Applikation gemeinsam entwickelt.


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