Hubert Langenstein, IT-Verantwortlicher am Fachbereich Elektro- und Informationstechnik der Hochschule Darmstadt, hat es ausgerechnet: Seit 2008 lässt er am Lernzentrum der Hochschule sowie in Laboren, Seminar- und öffentlichen Räumen herkömmliche PCs durch so genannte Zero Clients ersetzen. Durch die schlanken Endgeräte spart die Hochschule heute allein im Lernzentrum bis zu 95 Prozent der Energiekosten – ein Green-IT-Projekt, wie es im Buche steht.
Ähnliche Erfahrungen hat die Ausgleichskasse des Kantons Genf (CCGC) gemacht. Nach der Virtualisierung der gesamten Server-Landschaft begann ihre IT-Abteilung Anfang 2010 damit, auch die Arbeitsplätze der CCGC-Angestellten vollständig zu virtualisieren. In der ersten Jahreshälfte wurden von den geplanten 100 PCs bereits 50 durch Zero Clients abgelöst, 100 weitere sind für 2011 geplant. Dass die Geräte so sparsam sind – sie verbrauchen weniger als drei Watt – passt laut CCGC ideal zur intern verfolgten Green-IT-Strategie.
Schritt für Schritt zurück zur Zentralisierung
Mit ihrer Entscheidung für Zero Clients am Arbeitsplatz setzen die Hochschule Darmstadt, CCGC und andere Unternehmen auf eines der derzeit fortschrittlichsten Konzepte im Bereich Desktop-Virtualisierung. Aber der Reihe nach. Schon seit rund 20 Jahren entwickelt sich die IT wieder in Richtung Zentralisierung. Mit dem Server Based Computing (SBC) knüpfte man zunächst an das Mainframe-Konzept der 60er- bis 80er-Jahre an, bei dem einfache Terminals an einen Grossrechner, den Host, angeschlossen waren, der die komplette Datenverarbeitung übernahm.
Da sich die Bildschirmausgabe über die Protokolle RDP oder ICA bewerkstelligen liess, wurden beim SBC PCs langsam überflüssig, denn Thin Clients mit Windows CE, Windows XP Embedded, Linux oder speziellen Betriebssystemen konnten die gleiche Arbeit mit weitaus geringerem Energieverbrauch leisten. Als dies erfolgreich lief, kamen bald auch Wünsche nach speziellem USB-Support, Multimedia und höherer Bildschirmauflösung. So wurde viel an den Clients um die Protokolle RDP und ICA herum weiterentwickelt.
Zero Clients wie dieser hier verfügen weder über CPU, Speicher noch Software und sind damit im Vergleich zu herkömmlichen PCs deutlich energieeffizienter.
Unternehmen wollen vermehrt in virtuelle Desktop-Infrastrukturen investieren
Die steigende Leistung moderner Server führte dann zu Konzepten erst der Server- und bald darauf der Desktop-Virtualisierung. Viele Unternehmen, die ihre Server-Landschaft in den letzten Jahren zwecks besserer Ausnutzung und Verteilung von Rechner-Ressourcen virtualisiert haben, beschäftigten sich mittlerweile mit der Schaffung virtueller Desktop-Infrastrukturen (VDI).
Eine aktuelle IDC-Studie «Virtualized Client Computing (VCC) 2011» bestätigt den Trend zum verstärkten Einsatz der virtuellen Desktop-Infrastruktur in Europa und speziell in den deutschsprachigen Ländern. Immer mehr Firmen planen demnach den Einsatz von VDI und wollen innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre in das Segment Client-Virtualisierung investieren.
Vorteile: Energieeinsparungen und sinkende Administrationskosten
Beim VDI-Ansatz greift der Anwender über seinen virtuellen Desktop auf ein Standard-Windows-Betriebssystem und benötigte Anwendungen und Daten eines zentralen Servers zu. Dort erzeugt ein Hypervisor – VMware, Citrix und Microsoft sind hier die führenden Anbieter – als Virtualisierungs-Software eine Umgebung für virtuelle Desktop-Maschinen. Diese simulieren die physikalischen Attribute eines Desktop-Computers und werden über lokale Netzwerke mit einem speziellen Endgerät am Arbeitsplatz des Nutzers verbunden.
Mit der Desktop-Virtualisierung verknüpft sind eine radikale Reduzierung der ständig wachsenden IT-Kosten, grössere Datensicherheit, verminderte Ausfallzeiten und erhebliche Energieeinsparungen. Vor allem in Verbindung mit den richtigen Endgeräten beträgt der Energieverbrauch virtueller Desktops nur einige Prozent jenes herkömmlicher PCs. Die Wahl des Endgerätes spielt daher eine entscheidende Rolle hinsichtlich Wartung, Bereitstellung und Kosten virtueller Desktops. Dabei kann es sich um einen herkömmlichen PC handeln, einen Thin Client oder einen Zero Client.
Thin vs. Zero Clients
Thin Clients verfügen, anders als herkömmliche PCs beziehungsweise Fat Clients, über eine einheitliche Systemarchitektur. Nach wie vor benötigen sie aber ein Betriebssystem am Arbeitsplatz. Es fallen also Lizenzgebühren an, die Clients müssen gepatcht, verwaltet und geschützt werden. Firmware-Upgrades können die Kosten weiter in die Höhe treiben, wodurch die Kostenvorteile eines virtuellen Desktops praktisch wieder zunichte gemacht werden.
Eine Alternative ist der Zero Client. Hersteller dieser Kategorie sind Sun Ray, Teradici und Pano Logic, wobei jeder von ihnen eine eigene Interpretation des Themas Zero Client hat. Als gemeinhin anerkanntes Charakteristikum eines Zero Clients kann gelten: Solche Geräte kommen ohne Prozessor und Betriebssystem aus und leiten nur Signale zwischen virtuellem Desktop und Bildschirm, Tastatur, Maus und USB-Schnittstellen weiter.
Teradici liefert über sein proprietäres PC-over-IP-Protokoll die wichtigen Daten und Befehle über einen Host am Server an die Endgeräte mit dem entsprechenden Client. Dies bringt in der VDI-Umgebung eine deutliche Performance-Verbesserung, jedoch wird immer noch ein Endgerät mit zumindest einem kleinen Betriebssystem benötigt.
Lokaler Arbeitsplatz ohne CPU, Speicher und Software
Als wohl radikalste Lösung gilt der Zero Client von Pano Logic. Das Gerät verfügt weder über CPU noch Betriebssystem, Speicher, Treiber, Firmware, Software oder austauschbare Komponenten. Dies minimiert nicht nur Lizenz- und Wartungskosten, sondern führt auch zu grösstmöglicher Energieeffizienz. Denn der Zero Client verbraucht weniger als drei Watt Strom und spart daher in hohem Masse Energiekosten – auch im Vergleich mit energieeffizienten PCs, die den höchsten Standards entsprechen (siehe Artikel «0-Watt-PCs» von Fujitsu).
Ersetzt man zwei PCs durch Zero Clients, können über einen Zeitraum von drei Jahren bis zu 3290 kWh eingespart werden. Durch die konsequente Zentralisierung lassen sich die Gesamtbetriebskosten so um 80 Prozent und die Energiekosten um 95 Prozent senken.
Detailliert aufgeschlüsselt hat dies das auf Virtualisierungsprojekte spezialisierte Systemhaus BSK Service aus Worms in seiner Potential-analyse «Energieeffizienz im Rechenzentrum». Ausgehend von den grössten Einsparpotentialen hat BSK alle wesentlichen Verbesserungsoptionen untersucht, die erhobenen Messwerte in einem Bericht zusammengestellt und Massnahmenempfehlungen zur nachhaltigen Erhöhung der Energieeffizienz gegeben.
Ausgangspunkt waren in der Beispielrechnung 60 PCs, die ersetzt werden sollen. Der anfallende Aufwand für PC-Hard- und Software, Installation, Strom etc. wurde den Kosten für die Einrichtung einer VDI-Infrastruktur aus VMware und Zero Clients gegenübergestellt. Betrachtet über drei Jahre, ergibt sich eine Einsparung von fast 50 Prozent. Die CO2-Einsparung im untersuchten Zeitraum beträgt 9207 Kilogramm, die Stromeinsparung 17’263 kWh.
Energieverbrauch von 9 Servern und 150 PCs sinkt von über 20’000 auf unter 2000 Watt
Praktisch untermauern lässt sich die Modellrechnung durch das bereits erwähnte Beispiel der Hochschule Darmstadt. Eines der Hauptziele des dortigen Virtualisierungsprojektes war es, den Energieverbrauch zu reduzieren. Die alten PC-Systeme schlugen mit über 110 Watt Leistungsaufnahme zu Buche, die Server mit Minimalaufgaben mit über 350 Watt. Ein funktionierendes Energie-Management gab es nicht. So verbrauchten im Jahr 2008 – vor der Umrüstung – 150 PCs und neun Server zusammen total 20’190 Watt. Nach Einrichtung eines virtuellen Server-Clusters und dem Austausch der PCs durch Zero Clients kamen im Jahr 2010 gerade einmal noch 1744 Watt zusammen, was einer Reduzierung auf 8,64 Prozent des Ausgangsverbrauchs entspricht.
Weitere Energieeinsparungen erreichte die Hochschule Darmstadt durch die Trennung der Energieversorgung mittels Schaltuhren in Seminarräumen und Lernzentrum. Ausserdem wurde der Server-Raum durch Reduzierung der Leistungsaufnahme von Klimaanlagen, Einbeziehung der Umluftkühlung, doppelte Fussböden und Server-Einhausung optimiert.
Die Beispiele zeigen es: Mit den richtigen Massnahmen kann ein Unternehmen sowohl Kosten sparen wie seine Umweltbilanz verbessern. Rechenzentrumskonsolidierung, Virtualisierung und der Einsatz effizienter Hardware sind dabei die entscheidenden Faktoren.
Frank Zscheile ist freier IT-Journalist aus München.