Zwischen Produktivität und Lebensqualität

In der Broschüre „Work Anywhere“ vermittelt die Stiftung Produktive Schweiz einen Überblick über alle wichtigen Themen, die bei der Einführung und Nutzung von grösserer Flexibilität des Arbeitsorts zu berücksichtigen sind. Die wesentlichen Aussagen werden hier zusammengefasst.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/04

     

Von Telearbeit zu «Home Office» - Als erstes muss entschieden werden, welche Art von Flexibilisierung des Arbeitsortes angestrebt wird: Sollen Arbeitsplätze ausgelagert werden, so dass manche Personen ausschliesslich von zuhause arbeiten? Soll grundsätzlich mehr Mobilität möglich sein, also die Arbeit im Unternehmen, unterwegs, bei Kunden und auch zuhause erledigt werden können? Soll die Möglichkeit des teilweise von zuhause Arbeitens gegeben werden? In dieser Broschüre werden nur die beiden letzten Fragen betrachtet, also nicht die Einführung von Teleheimarbeit. Es wird auch ausdrücklich davon abgeraten, ausschliessliche Arbeit von zuhause einzuführen, da dabei die Nachteile überwiegen.
Nutzen von mobiler Arbeit und zeitweiser Arbeit von zuhause - Die wichtigsten Gründe, mobile Arbeit und zeitweise Arbeit von zuhause im Unternehmen zu fördern, sind reduzierte ökonomische und ökologische Kosten, erhöhte Produktivität und erhöhte Arbeitgeberattraktivität.

Die grössten Stolpersteine - Probleme, die bei Einführung und Nutzung von mobiler Arbeit und zeitweiser Arbeit von zuhause auftreten können, sind
- Anwendung bei ungeeigneten Aufgaben
- Unangemessene technische Systeme und fehlende Medienkompetenz
- Fehlende oder unklare Regeln für den Umgang mit grösserer zeitlicher und inhaltlicher Autonomie
- Mangelnde persönliche Eignung für den Umgang mit grösserer zeitlicher und inhaltlicher Autonomie
- Ungenügende Abgrenzung von Berufs- und Privatsphäre
- Abnehmende soziale Einbindung und Identifikation mit dem Unternehmen
- Gesundheitliche Probleme durch mangelhafte ergonomische Gestaltung der Arbeit unterwegs oder zuhause
- Mangelhafte Datensicherheit
Wie man sie vermeidet - Zentral ist, die Einführung von mehr Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes nicht beiläufig oder halbherzig anzugehen. Oft kann ein zeitlich klar begrenztes Pilotprojekt hilfreich sein, um erste Erfahrungen zu sammeln, bevor eine umfassende systematische Einführung angestrebt wird. Immer aber sind die folgenden Fragen möglichst fundiert zu beantworten:

-Welche Art(en) von Flexibilität hinsichtlich der Wahl des Arbeitsortes sollen eingeführt werden? Welche Erwartungen werden von Unternehmensseite daran geknüpft?
-Bei welchen Aufgaben und Beschäftigtengruppen kann und soll es mehr Flexibilität geben? Gibt es gute Gründe, bestimmte Aufgaben und Beschäftigtengruppen von diesem Angebot auszuschliessen? Können diese Gründe auch nachvollziehbar an alle Mitarbeitenden kommuniziert werden?
-Sind die ausgewählten Personen – und ihre Vorgesetzten und Kollegen – geeignet, mit der neuen Flexibilität umzugehen? Welche Unterstützungsangebote und Trainings sind nötig?
-Sind die vorhandenen technischen Systeme ausreichend und auf die neuen Arbeitsformen angepasst? Welche Systeme sind zusätzlich nötig? Können alle Betroffenen mit den Systemen richtig umgehen? Welche Unterstützungsangebote und Trainings sind nötig?

-Wie sollen die neuen Arbeitsformen in den Arbeitsverträgen abgebildet werden (z.B. geforderte Präsenzzeit im Unternehmen, Einhaltung von täglichen Arbeitszeiten und/oder Blockzeiten auch zuhause, Leistungen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers bzgl. räumlicher und technischer Ausstattung)? Falls diese Fragen nicht im Arbeitsvertrag geregelt werden, welche andere Form der Festlegung und Kommunikation soll genutzt werden?
-Welche Vorgaben hinsichtlich Erreichbarkeit und allgemeinem Kommunikationsverhalten sollen gemacht werden? Wie kann der erhöhte Koordinationsaufwand, der durch flexibles Arbeiten entsteht, am besten bewältigt werden? Welche technischen Systeme, Unterstützungsangebote und Trainings sind nötig?

-Wie wird eine ergonomische Gestaltung auch der Arbeitsplätze zuhause sichergestellt? Wie viel der nötigen Ausstattung wird vom Unternehmen zur Verfügung gestellt? Welche Unterstützungsangebote und Trainings sind nötig?
-Welche technischen Massnahmen und welche organisatorischen und Verhaltensregeln sind nötig, um die Datensicherheit zu gewährleisten? Wie sind Verantwortung und Haftung bei Verletzung der Datensicherheit geregelt? Auf was bei der Beantwortung dieser Fragen zu achten ist, wird in den folgenden Kapiteln ausführlich beschrieben.

Warum es die Mühe lohnt - Das Bedürfnis nach mehr Flexibilität ist bei vielen Beschäftigten sehr gross; lange tägliche Arbeitswege sind ermüdend, kostspielig und ökologisch unverträglich; statt in Gebäude sollte in Menschen, ihre Kompetenz, ihr Wohlbefinden und ihre Weiterentwicklung investiert werden. Dies sind gute Gründe für Unternehmen, Vorgesetzte und Mitarbeitende, mehr Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsorts zu wagen. Die Einführung von mehr örtlicher Flexibilität wird nicht von heute auf morgen erfolgreich gelingen. Wir sind zuversichtlich, dass das hier zusammengetragene Wissen die Chancen auf Erfolg beträchtlich erhöht.


Weitere Informationen: Stiftung Produktive Schweiz, info@produktive-schweiz.ch

Über die Autorin

Professor Dr. Gudela Grote ist ordentliche Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie im Departement Management, Technology, and Economics der ETH Zürich. Sie studierte Psychologie an der Universität Marburg und der TU Berlin und promovierte am Georgia Institute of Technology, Atlanta. Ihre Forschungsinteressen betreffen insbesondere die zunehmende Virtualisierung und Flexibilisierung von Arbeit und deren Konsequenzen für das individuelle und organisationale Management von Unsicherheit. Gemeinsam mit Prof. Bruno Staffelbach von der Universität Zürich gibt sie jährlich den Schweizer HR-Barometer heraus, der im Jahr 2010 dem Thema Arbeitsflexibilität gewidmet war. Bei Springer ist 2009 ihr Buch «Management of uncertainty – Theory and application in the design of systems and organizations» erschienen.


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