Wie immer in den ersten Monaten des Jahres publizieren viele Unternehmen ihre Jahresabschlüsse – vielfach in einem gedruckten Hochglanzprospekt als Geschäftsbericht. Mit
XBRL existiert jedoch eine Sprache, welche die Publikation der Geschäftszahlen in rein elektronischer Form ermöglicht.
XBRL steht für Extensible Business Reporting Language und ist eine frei verfügbare, auf XML-basierende Sprache. Vereinfacht ausgedrückt ist XBRL ein für Computer lesbares Datenformat, welches alle Elemente eines Finanzberichts abbildet und zur automatischen Weiterverarbeitung bereitstellt. Die Vorteile einer solchen Reporting-Sprache liegen auf der Hand: Die Informationen sind leicht verfügbar, in jeder Sprache lesbar, automatisch auswertbar und mit anderen Unternehmen vergleichbar. Die Daten haben eine höhere Qualität und sind schneller verfügbar. Für diejenigen, die mit Unternehmensdaten arbeiten (Analysten, Aufsichtsbehörden, Steuerbehörden) kann dies grosse Effizienzgewinne bedeuten.
XBRL hat sich international als Standard für die elektronische Finanzberichterstattung durchgesetzt. An der amerikanischen Börse kotierte Unternehmen und Anlagefonds müssen ihre Geschäftsberichte spätestens ab 2014 vollständig im XBRL-Format an die SEC einreichen. Die englischen Steuerbehörden verlangen Unternehmensberichte in
XBRL und die neue deutsche E-Bilanz basiert auf dem XBRL-Format. Mit der sich momentan in der Vernehmlassung befindlichen «XBRL OR Taxonomie» (siehe Kasten) sind auch in der Schweiz die ersten Grundlagen für eine auf XBRL basierende Finanzberichterstattung geschaffen.
XBRL-Taxonomien definieren die Informationselemente
Technisch besteht jede Anwendung von
XBRL aus mehreren Bausteinen:
1. die eigentliche XBRL-Sprache, welche in der «XBRL Specification 2.1» beschrieben ist,
2. ein Wörterbuch, die sogenannte «XBRL Taxonomy», welche die Begriffslogik der Anwendung enthält, und
3. der eigentliche Geschäftsbericht, dem «XBRL Instance Document».
Die XBRL-Sprache wird vom Non-Profit Konsortium «XBRL International» spezifiziert und weiterentwickelt. Die frei verfügbare XBRL-Spezifikation ist eine Zusammenstellung von technischen Regeln und Anweisungen, welche von Software-Applikationen eingehalten werden müssen und die Regeln für XBRL-Taxonomien definieren. XBRL ist eine Abwandlung von XML, geht aber noch einen Schritt weiter, indem es neben der Struktur auch den Inhalt festlegt. XBRL definiert Datenelemente, die Fakten darstellen – in der XBRL-Welt «Concepts» genannt. Ein Concept beschreibt eine Informationseinheit innerhalb eines XBRL-Berichtes, etwa eine Umsatzzahl oder den Firmennamen. Jedes Concept hat einen eindeutigen Namen und einen bestimmten Datentyp.
Die Concepts, welche in einem XBRL-Bericht verwendet werden können, sind in der XBRL-Taxonomie dokumentiert. Der Kern einer XBRL-Taxonomie ist das «Schema Document», eine XML-Schema-Datei mit der Endung XSD. In ihr sind alle möglichen Concepts aufgelistet und mit ihren Eigenschaften beschrieben.
Zusätzlich besteht eine XBRL-Taxonomie aus Linkbases, welche mit dem Schema Document verknüpft sind und Struktur in die Sammlung von Concepts bringen. In den Linkbases ist die hierarchische Reihenfolge der Concepts beschrieben und sind die rechnerischen Zusammenhänge festgelegt. Zudem können in Linkbases die Bezeichnung der Elemente in verschiedenen Sprachen hinterlegt und Referenzen auf externe Dokumente definiert werden. Linkbases sind gesonderte XML-Dateien, welche zusammen mit dem Schema Document die
XBRL Taxonomy bilden.
XBRL-Taxonomien können komplett selber erstellt oder es kann eine öffentliche Taxonomie verwendet werden.
XBRL wurde primär für die Finanzberichterstattung entwickelt, daher sind Taxonomien für Rechnungslegungsstandards am weitesten verbreitet. Für die wichtigsten Standards, IFRS und US-GAAP, existieren bereits ausgereifte XBRL-Taxonomien. Mit der vom Verein XBRL-CH konzipierten «XBRL OR Taxonomie» ist jetzt auch eine Taxonomie verfügbar für die von den meisten Schweizer Unternehmen angewendete Rechnungslegung nach Obligationenrecht.
Für die Publikation der Finanzzahlen nach dem XBRL-Standard erstellt ein Unternehmen ein «XBRL Instance Document». Dieses Dokument im XML-Format beinhaltet die Finanzwerte des Unternehmens und referenziert auf eine bestimmte XBRL-Taxonomie. Im Instanzdokument wird zu den in der XBRL-Taxonomie definierten Concepts der unternehmensspezifische Wert hinterlegt, zum Beispiel der Kassenbestand oder der Warenaufwand. Das XBRL Instance Document ist der eigentliche elektronische Geschäftsbericht, welcher an die Kreditgeber, Steuerbehörden oder Regulatoren übermittelt und auf der Website publiziert wird.
Optimierte Finanzberichterstattung
Mit dem elektronisch vorliegenden Finanzbericht im XBRL-Format können die Prozesse zur Finanzberichterstattung optimiert und die Durchlaufgeschwindigkeit der Berichterstattung erhöht werden. Die automatisierte Prozessintegration ermöglicht die Datenvalidierung und steigert die Qualität der Finanzberichte. Längerfristig können die Kosten zur Berichterstattung gesenkt werden. Hierfür ist aber ein möglichst durchgehender Prozess zur Finanzberichterstattung notwendig.
Für einen optimalen Berichterstattungs-Prozess muss bereits das Buchhaltungssystem auf einfache Weise die Erstellung von Dokumenten im XBRL-Format unterstützen. So einfach wie man eine Bilanz nach Excel exportiert, sollte die Bilanz auch in ein XBRL-Dokument exportiert werden können. Dadurch kann ein Unternehmen schnell und effizient ein elektronisches XBRL-Dokument erstellen, ohne sich mit den technischen Details von
XBRL herumzuschlagen.
Automatisierte Auswertung von Geschäftsberichten
Wer Berichte im XBRL-Format entgegennimmt, kann die Auswertung von Finanzberichten umfangreich automatisieren. In einem XBRL-Dokument sind alle Zahlenwerte eindeutig gekennzeichnet, dadurch lassen sich einfach Kennzahlen berechnen und ein Rating ermitteln. Die Finanzzahlen von mehreren verschiedenen Unternehmen können so automatisiert miteinander verglichen und Spezialfälle mühelos erkannt werden. Kreditgeber, Börsenaufsichten und Steuerbehörden können durch den Einsatz von
XBRL den manuellen Aufwand zur Bewertung von Unternehmen stark reduzieren. Heute benötigt man Stunden oder Tage, um Informationen aus Geschäftsberichten auszuwerten. Berichte im XBRL-Format können innerhalb von Sekunden analysiert werden.
Fallstudie US- Einlagenversicherung FDIC
Die FDIC überwacht in den USA über 5000 Firmen. Um die umfangreichen Quartalsberichte dieser Unternehmen wirksam auswerten zu können, ist sie auf effiziente Abläufe angewiesen. Seit 2005 basiert ihre Informationsinfrastruktur auf XBRL. Im Vergleich zu früher wurden damit erhebliche Fortschritte erzielt: 95 Prozent der eingereichten Berichte entsprechen jetzt den qualitativen Vorgaben (vorher 66%), aufgrund eingebauter Logikprüfungen sind sie vollständig konsistent (zuvor 70%) und zudem wesentlich schneller verfügbar (innert Stunden statt erst nach Wochen).
Auch die Überwachung erfolgt effizienter: Ein Analytiker der vorher 450 bis 500 Banken überwachte, kann heute 550 bis 600 Firmen abdecken. Geschwindigkeit ist von grosser Bedeutung, denn anders als in früheren Bankenkrisen drückt sich die gegenwärtige Krise weniger in langsam wachsenden Kapitalisierungsproblemen aus als vielmehr in akuten Solvenzengpässen. Schnelle und effiziente unternehmensübergreifende Abläufe sind daher in der heutigen Bankenaufsicht so wichtig wie nie zuvor.
Werkzeuge für XBRL
Für die Arbeit mit
XBRL steht eine wachsende Anzahl von Werkzeugen zur Verfügung. Es gibt spezifische Software-Tools für die Taxonomie-Erstellung wie auch für die Generierung von XBRL-Dokumenten. Ein grosser Teil dieser Tools sind Add-ins für Excel und ermöglichen das «Tagging» von Informationselementen. Es sind auch umfassendere XBRL-Prozessoren erhältlich, welche die Prozessoptimierung sowohl im Erstellungs- als auch im Verarbeitungsprozess von Finanzberichten unterstützen. Es fehlt aber am Markt noch an Lösungen, welche in das Finanzsystem integriert sind und die einfache, durchgängige Erstellung und Auswertung von XBRL-Dokumenten ermöglichen.
XBRL OR Taxonomie
Eine Arbeitsgruppe von XBRL-CH hat zusammen mit der ZHAW eine XBRL-Taxonomie für die Rechnungslegung nach OR erstellt. Die erste Version der XBRL OR Taxonomie steht auf der Website www.xbrl-ch.ch/taxonomy zum Download bereit. Bis am 15. April 2011 läuft das Vernehmlassungsverfahren für die neue XBRL-Taxonomie. Alle interessierten Kreise sind zur Stellungnahme eingeladen.
Die Zukunft heisst XBRL
Finanzberichterstattung und deren Auswertung findet in erster Linie im Einklang mit dem geltenden Recht statt. Dieses ist jedoch nicht in Stein gemeisselt und wird periodisch veränderten Bedürfnissen und technischen Neuerungen angepasst, wobei einige Staaten schneller sind als andere. Mit
XBRL sind die Voraussetzungen geschaffen, dass das komplexe Informationsbündel «Geschäftsbericht» schnell und effizient in seine Einzelteile zerlegt und der jeweiligen Nutzung zugeführt werden kann. Dies wird weitreichende Folgen für die gesamte Wertschöpfungskette «Berichterstattung» haben, die heute erst im Ansatz erkennbar sind.
XBRL hat sich international als Standard für die elektronische Finanzberichterstattung durchgesetzt und wird immer mehr Bedeutung erlangen. Routinearbeiten können automatisiert, die Qualität der Informationen gesteigert und die Anzahl der Medienbrüche gesenkt werden. Die Erstellung von Finanzberichten im XBRL-Format steht noch ganz am Anfang. In der Schweiz wurde mit der Veröffentlichung der «XBRL OR Taxonomie» der erste Schritt in diese Richtung getan.
Adrian Zimmermann ist XBRL-Spezialist bei der Atorex AG.
Christian Dreyer ist Präsident des Vereins XBRL-CH.