Sind Sie reif für die Cloud? Sind Sie schon in der Cloud? Sie wissen es nicht so recht? Dann sind Sie in guter Gesellschaft. Cloud, privat, public, on Demand, Utility Computing, Grid, SOA, SaaS, PaaS, IaaS, XaaS; selbst die IT-Manager von Grossunternehmen, bei denen das Jonglieren mit wolkigen Management-Buzzwords zu den unverzichtbaren Kernkompetenzen gehört, haben ob der Marketing-getriebenen Begriffsschwemme offensichtlich den Überblick verloren. In einer IDC-Studie geben jedenfalls gleichzeitig 50 Prozent an, noch keine Dienste aus der Wolke zu nutzen, obwohl bereits 60 Prozent Cloud Computing betreiben.
Auf einmal wieder Technik
Das Wirrwarr steckt schon im Ausdruck selber. Wie soll die Umschreibung des Undefinierten in den Diagrammen der Netzwerktechniker in den Köpfen der Anwender zu einem klaren Begriff mutieren? Etwas offenbart das Wort – so wolkig sein Inhalt auch sein mag – allerdings sehr wohl: Es geht um Technik. Mit Cloud wird auf einmal wieder die Technik zum Kaufgrund hochstilisiert, nachdem Anbieter und Beraterheerscharen seit dem Platzen der E-Commerce-Blase gepredigt hatten, dass die Lösung des Geschäftsproblems – notabene die Effizienz- und Produktivitätssteigerung – das alleine entscheidende Kriterium für den Technologieeinsatz sei. Diese 180-Grad-Wende macht unweigerlich stutzig.
An der Produktivitätsgrenze
Bei genauerem Hinsehen offenbart sie eine tiefe Krise, in welche die IT-Industrie schlittert: Der Produktivitätsgewinn durch den Computereinsatz stösst in der westlichen Welt in vielen Firmen an seine Grenzen. Ein neues Betriebssystem, ein neuer PC oder eine neue Office-Version machen die Arbeit nur noch unwesentlich schneller. Die zusätzlichen Funktionalitäten sind hübsch, aber nicht notwendig, und neue Technologien wie RFID bringen im Vergleich zu etablierten Techniken je länger je mehr Probleme denn messbare Vorteile. Um nicht langsam aber sicher in einen Schrumpfmodus zu kippen, müssen die Anbieter also den eigenen Anteil an der Wertschöpfungskette vergrössern. Und weil dies mit den bisherigen Outsourcing-Angeboten mehr schlecht als recht geklappt hat, versucht man jetzt den Betrieb der Informatik in Form von Cloud-Services scheibenweise zu übernehmen.
Nutzen gegen Risiko
Das erklärt auch die Marketing-Macht, mit der die Anwender in die Cloud getrieben werden. Wer nicht mitmacht, wird untergehen, so der Tenor, der in seiner Absolutheit an längst vergangene E-Boom-Zeiten erinnert. Der geneigte Firmenverantwortliche weiss, dass dem nicht so ist. Mit Ausnahme der Grossbanken sind die IT-Kosten in den meisten Betrieben dafür im Verhältnis schlicht zu klein. Internetdienste können im Einzelnen sehr wohl Sinn machen. Das entscheidende Kriterium sollte aber der Geschäftsnutzen sein. Und der muss markant sein, denn mit der Cloud vergrössern sich auch die Risiken. So ist es beispielsweise um die Internetsicherheit schlecht bestellt. Die steigende Anzahl von Provider- und Netzwerkausfällen in den letzten Monaten kommt nicht von ungefähr. Die Security-Technologien sind mit modernen Schadprogrammen à la Stuxnet schlicht und ergreifend überfordert.
Abhängigkeit und Instabilität
Wenn die Finanz-, anschliessende Wirtschaftskrise und derzeitige Schuldenkrise oder auch die Umwälzungen in der arabischen Welt eines klar machen, dann die wachsende Instabilität einer immer stärker vernetzten Welt. Daher lohnt es nicht, die eigenen Abhängigkeiten nur wegen ein paar Fränkli zu vergrössern. Zumal sich das Eingesparte sowieso schnell in Luft auflöst, wenn die sich zwangsläufig herausbildenden Cloud-Monopolisten beginnen, den Abhängigkeitsobolus einzufordern.
Dr. Daniel Meierhans beschäftigt sich als Technologie- und Wissenschaftsjournalist mit dem ICT-Einsatz in Unternehmen.
In seiner regelmässigen Kolumne wirft er einen kritischen Blick auf die Schwerpunkt-Themen des Swiss IT Magazine.
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