Bis 2017 braucht die Schweizer Wirtschaft 72‘000 zusätzliche Fachleute. Wirtschaftlicher Aufschwung, technologische Veränderung und viele zu Pensionierende führen zu diesem Resultat. Rund 20‘000 Neuabsolvent/-innen werden in dieser Zeit ihre Ausbildung abschliessen. Weitere 20‘000 wandern aus dem Ausland zu, geht man vom Durchschnitt aller Wirtschaftszweige aus. 32‘000 aber bleiben ungedeckt. Mehr zu „importieren“ wird schwierig sein, da Bevölkerung und Politik kaum Verständnis dafür haben und immer argumentieren, die Informatik solle zuerst die eigenen Hausaufgaben machen. Mit 3.4 Lernenden auf 100 Informatiker/-innen ist die Ausbildungsquote deutlich unter dem Berufsmittel von 5.4. Wollen wir volkswirtschaftlich betrachtet nicht am eigenen Stuhlbein sägen und Aufträge exportieren, bleibt nur die Erhöhung des Ausbildungsbeitrages übrig.
Ausbildung von ICT-Lehrlingen wird zum Erfolg für alle Beteiligten
Lernende sind an zwei Tagen in der Berufsschule und erwerben dort die beruflichen Kompetenzen und das Allgemeinwissen, damit sie diese dann im Betrieb in betrieblicher Praxis umsetzen können. Rund 1500 der 2440 Lektionen, die in den vier Jahren anfallen, sind dem Beruf gewidmet. Applikationsentwickler/-innen geniessen so gegen 900 Lektionen Datenbank-, Programmier- und Projektmanagement-Unterricht. Bei Systemtechniker/-innen liegt das Schwergewicht in der Netz- und Serverwelt. Engagierte Lernende können in dieser Zeit sehr viel lernen.
Dank handlungsorientiertem Unterricht mit Aufgabenstellungen aus dem praktischen Umfeld führen sie diese Aufgaben auch konkret durch. Sie erlernen das Grundkonzept und üben es an einem Produkt. Zum Beispiel Modul 239 (einen Internet-Server in Betrieb nehmen): Es wird ein Linux- oder Windows-Server aufgebaut, die nötige Software installiert und das Zusammenspiel der Websites behandelt. Und mit dem Kompetenznachweis (der Modulprüfung) wird belegt, dass man das kann. Wie gut, sagt die Note.
In den drei Arbeitstagen im Betrieb kann sich das Unternehmen auf diese Kompetenzen stützen. Da in der Regel die Schwerpunkt-Ausbildung im Interesse der Betriebe in den ersten zwei Lehrjahren durchgenommen wird, können die Lernenden bald nach Lehrstart zunehmend komplexe Arbeiten übernehmen und beachtliche Resultate erreichen. Das bedingt jedoch Vorgesetzte, die Lehrlinge wie Assistenten/-innen zur Seite nehmen, ihnen etwas zumuten und gemeinsam mit diesen von Auftrag zu Auftrag und von Projekt zu Projekt arbeiten. Und natürlich kontrollieren und die Lernenden zu hoher Qualität und Effizienz anspornen.
Der fachliche Input, die Geduld in der ersten Zeit einer neuen Aufgabe, wird bald mehrfach zurückbezahlt. Es ist das Ziel des Konzeptes der dualen Berufsbildung, dass Lernende einer 4-jährigen Lehre im 3. Lehrjahr rund 60 Prozent des Leistungsbeitrages einer Fachperson erbringen und im 4. Lehrjahr auf 80 Prozent kommen. Ist ja logisch, dass sie nach der Lehre für 100 Prozent bezahlt werden möchten – und nur zu oft schon über 80‘000 Franken bekommen…
Praktische Beispiele
Grundsätzlich gibt es in jedem Beruf einen Modell-Lehrgang, respektive bestehen verbindliche Einsatzschwerpunkte. Die Schwerpunkte der ICT-Berufe umfassen die Tätigkeiten des Ausbildungsschwerpunktes. Supporter befassen sich mit dem Benutzer- und technischen Support, respektive Betrieb im Client- und Netzwerkumfeld. Der Einsatzschwerpunkt der Systemtechniker entspricht zuerst demjenigen der Supporter, um dann in die komplexere Serverwelt vorzudringen. Bei den Applikationsentwicklern steht Programmieren und die Datenbankentwicklung im Zentrum, wobei prozedurales oder objektorientiertes Programmieren in Frage kommen – es muss nicht beides sein. Informatikpraktiker/-innen sind im Client- und Benutzersupport tätig.
Lehrlingsprojekt: Entwicklung der Homepage von ICT-Berufsbildung SchweizEs war klar, dass die Homepage von ICT-Berufsbildung Schweiz von Lernenden gemacht werden sollte. Und so geschah es auch. Ein Grafiker hat das CI/CD entwickelt und das Grundlayout für die Seite. Ein Applikationsentwickler-Lehrling hat das Grundgerüst auf der Basis von Typo3 aufgebaut und Mediamatik-Lernende des 1. und 2. Lehrjahres haben die weitere Arbeit geleistet. Sie haben die Menüstruktur aufgebaut, Bilder bearbeitet, Filme gemacht, Texte aufbereitet und integriert, Clips und grafische Darstellungen entwickelt, etc. Natürlich unter Anleitung – was gelernte Mediamatiker/-innen dann selbständig machen könnten.
Stand der Luzerner Lehrmeistervereinigung an den i-days
Ein anderes Beispiel: Franca Rast, Lehrtochter beim Verein zur Förderung der ICT-Berufsbildung Luzern, hat im letzten Lehrjahr den Auftrag bekommen, einen grossen Stand an den i-days im Verkehrshaus zu konzipieren, Firmenvertreter/-innen dafür zu engagieren, Standpersonal zu instruieren und vor allem neue Prospekte zu entwickeln. Sie entwickelte ein Konzept einschliesslich 3D-Standansicht und beschrifteten Plakaten, nahm an den Projektsitzungen im Verkehrshaus teil, wo alle Aussteller (in der Regel Profis) ihre Konzepte präsentierten, Fragen über Anlieferung etc. diskutierten und die dreitägige Messe vorbereiteten. Sie hat es sehr erfolgreich getan. Inzwischen hat Franca Rast ihre Lehre auch sehr gut abgeschlossen.
Lehrlingsprojekt „Automatisiertes Testen am Bancomaten“Diebold Selbstbedienungssysteme (Schweiz) GmbH bildet Lernende des Schwerpunkts Applikationsentwicklung aus. Dass Gusti Aeppli seinem Lernenden etwas zumutet, belegt er mit dem an einen Lernenden im 1. Lehrjahr erteilten Auftrag und mit der Idee, ein Teilprojekt den Mitarbeitenden, den Eltern und dem Software-Abteilungsleiter aus Wien zu präsentieren. Den Rückmeldungen zufolge hat das Dave Senn, inzwischen im 2. Lehrjahr, prächtig gemacht. Die Firma plant übrigens, sein Produkt in den umliegenden Niederlassungen länderübergreifend einzusetzen.
Schweizermeister in der Netzwerktechnik
Tobias Meier hat seine Lehre im 2009 bei der Firma Letec AG, Schaffhausen, abgeschlossen. Er ist Systemtechniker. Tobias Meier gewann die Schweizermeisterschaft 2009 mit dem sensationellen Resultat von 96 Prozent und gewann damit den Smart, der ihm am Tag der Berufsbildung von Bundesrätin Doris Leuthard übergeben worden ist. Tobias hat schon in seiner Lehre wirklich als Systemtechniker arbeiten dürfen. Er wurde stark gefördert mit dem Resultat, dass er hohe Kompetenzen erreicht hat. So hohe, dass er seinem Bruder bei der Vorbereitung auf die WM 2009 als Coach beistehen konnte und sich nun für die WM 2011 in London qualifiziert hat. Tobias kann man kaum eine Systemtechnik-Aufgabe vorlegen, die er nicht erfolgreich managt – egal, ob das noch so komplexe Cisco-Geräte sind (die andere an der Schweizermeisterschaft komischerweise kaum anzurühren wagten) oder welche andere Aufgabe es umfasst. Wir wünschen ihm eine erfolgreiche Vorbereitung auf die WM und hoffen mit ihm auf gute Resultate.
Alfred Breu, Fachgruppe Lehr- und Praktikumsbetriebe