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iPhones für Servicetechniker

Seit rund acht Jahren rapportieren die Servicetechniker von Océ Schweiz mit PDAs. Nun geht der Printing-Spezialist noch einen Schritt weiter und führt das iPhone 4 ein.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/12

     

Um die 100 Millionen iPhones wird Apple gemäss aktuellen Analystenschätzungen im kommenden Jahr verkaufen. Bereits heute gibt es kaum ein Meeting mehr, an dem nicht mindestens eine Person ein iPhone bei sich hat. Trotzdem, so richtig in die Unternehmen geschafft hat es Apple mit seinem Smartphone noch nicht. Es gibt wenige Firmen, die iPhones nicht nur als Telefon, portablen Kalender und E-Mail-Bearbeitungsgerät, sondern als wirkliches Arbeitsinstrument einsetzen.


Die Schweizer Niederlassung des weltweit tätigen Printing-Spezialisten Océ zeigt, wie es gehen könnte. Das Unternehmen arbeitet derzeit an der Einführung des iPhone 4. Die rund 90 Servicetechniker von Océ Schweiz werden in Zukunft nicht mehr mit den PDAs der Marke Palm Treo arbeiten, sondern ihre Aufträge via iPhone erhalten und bearbeiten.



2002: PDA statt Papier

Bis vor acht Jahren sah die Welt der Servicetechniker von Océ noch so aus: Sie erhielten aus dem Callcenter per Telefon eine Störungsmeldung samt Auftrag und begaben sich zum Kunden. Dort angekommen, wurde der Auftrag erledigt und ein Handrapport ausgefüllt und unterzeichnet. Diese Rapporte wurden gesammelt und ans Callcenter geschickt, das die Daten dann in das System einlas, in dem man zuvor den Auftrag erfasst hatte.


«Mir passte dieser Prozessablauf nicht», erklärt Bernhard Bürki, Services Director und Mitglied der Geschäftsleitung von Océ (Schweiz). Der ganze Prozess lief aus seiner Sicht nicht effizient genug ab. Deshalb suchte er Anfang 2002 nach Lösungen, um ihn zu vereinfachen und durchgängig zu digitalisieren. Eine Lösung wäre der Laptop-Einsatz gewesen, da die Geräte bei Service-Einsätzen ohnehin vermehrt zum Einsatz kamen. Allerdings benötige man auch heute noch nicht in jedem Fall ein Laptop. «Nicht aus dem Arbeitsalltag eines Servicetechnikers wegzudenken sind hingegen die Mobiltelefone», so Bürki. Also entschied man sich gegen Laptops und für einen PDA. Eingeführt wurde schliesslich der Treo von Handspring, heute Palm.


So funktioniert das Kommunikations- und Rapportierungssystem der Servicetechniker von Océ bis heute: Im Hintergrund läuft ein Customer-Relationship-Management-System (CRM) namens AS400. Daraus werden XML-Files erstellt, die auf einen für das System dedizierten Server kommen und von da aus vom Callcenter und von den Technikern mit den Treo-Geräten abgerufen und laufend synchronisiert werden (weitere technische Details folgen im Abschnitt «Software made in Switzerland»).




2010: iPhone 4 statt Palm Treo

«Die Treo-Lösung und das Palm OS haben sich sehr bewährt», erklärt Bürki. Man habe eigentlich nie Probleme gehabt. Doch nun sei die Zeit gekommen, um zu wechseln. «Wir finden praktisch keine Hardware mehr, die unsere Lösung unterstützt», erklärt Fridolin Lienhard, Projektleiter und Leiter des Callcenters, das 1:1 mit der Lösung arbeitet. Gemäss ihm gibt es noch genau ein Gerät, auf dem die Applikation läuft. «Das darf so natürlich nicht sein, damit ist unser gesamter Serviceablauf akut gefährdet», meint Bürki. Deshalb startete man die Suche nach Alternativen.


Die Suche begann bereits vor zwei Jahren, mit der Lancierung des iPhone 3G. Bürki und sein Team machten sich damals Gedanken, ob ein iPhone als Treo-Nachfolger geeignet wäre, begruben die Idee dann aber wieder. In diesem Frühjahr, mit dem Erscheinen erster Gerüchte zu einem neuen iPhone, keimten die Gedanken dann neu auf und noch vor der offiziellen Ankündigung des iPhone 4 im Juni beschloss Océ, noch in diesem Jahr eine iPhone-basierende Lösung einzuführen.


Wieso iPhones und nicht Blackberrys oder Windows-Phones? «Unser Management und unsere Sales-Verantwortlichen arbeiten schon länger mit dem 3GS-Modell und die Erfahrungen damit sind durchwegs positiv. Die Geräte sind sehr bedienerfreundlich, unheimlich stabil, es gibt fast keine Ausfälle, keine Abstürze mit Apps und auch die Sicherheit können wir, dank CNA-Profilen, sicherstellen», erklärt Projektleiter Lienhard. Microsoft sei zum Zeitpunkt des Projektstarts noch zu wenig weit gewesen und Blackberry sei gar nie ein Thema gewesen, meint Lienhard, auch aus Kosten- und Lizenzgründen. Über Android-Geräte habe man ebenfalls kurz diskutiert, sei dann aber zum Schluss gekommen, dass das System und die Geräte noch nicht auf das geschäftliche Umfeld zugeschnitten seien.



Empfangsprobleme sorgten für Verunsicherung

Es ist allgemein bekannt, dass der Marktstart des neuen iPhone 4 alles andere als einfach verlief – Stichworte Empfangsprobleme und Lieferengpässe. Was bedeutete das für Océ? «Wir wurden davon natürlich auch überrascht und verunsichert», erklärt Bürki. Eigentlich plante das Unternehmen, die neuen Smartphones bereits im Sommer in Betrieb zu nehmen. Nun wird es Dezember. Bürki: «Wir wollten nicht auf gut Glück 90 Geräte bestellen, warteten also erst einmal ab und gerieten somit rund zwei Monate ins Hintertreffen.»


Bezüglich der Empfangsprobleme hat Océ unterschiedliche Erfahrungen gemacht. «Meiner Meinung nach ist das iPhone 4 bezüglich Empfang nicht so gut wie seine Vorgängermodelle», meint Bürki. An Orten, an denen er früher hervorragenden Empfang gehabt habe, sei das heute nicht mehr der Fall. Nichtsdestotrotz wird man das neue iPhone einführen, denn man könne damit ja auch arbeiten, wenn der Empfang nicht hundertprozentig sei.


Auch der Akku des iPhone war ein Thema. Er halte beim neuesten iPhone aber deutlich länger, versichern die beiden Projektverantwortlichen von Océ. Ausserdem werden die Techniker ein spezielles Set erhalten, um die Handys auch unterwegs im Auto aufladen zu können. Apropos Auto: Eine grosse Knacknuss gibt es noch. Océ will keine «nackten» iPhones abgeben und sucht aktuell noch eine passende Schutzhülle, was laut Projektleiter Lienhard nicht ganz einfach ist: «Es gibt wenig durchgängiges, also Hüllen, die auch mit einer Freisprechanlage und Halterung im Auto kompatibel sind.»




Software made in Switzerland

Soweit zur Hardware und wieso sich Océ für ein iPhone entschied. Das Gerät macht aber nur einen kleinen Teil des Projekts und auch des Projektbudgets aus. Den grössten Teil verschlingt die Software-Lösung, die mit der Einführung der neuen Endgeräte angepasst werden muss und ein Update erfährt. Entwickelt hat die Lösung die Schweizer Firma Sparkzone, die sich auf kundenspezifische Lösungen für ein mobiles Workflow-Management, insbesondere für den technischen Aussendienst, spezialisiert hat.


Das System, auf das Océ setzt beziehungsweise setzen wird, heisst Closejob 2.0. Es läuft auf allen Geräten und Systemen, die einen Browser haben, der HTML5, CSS3 und Javascript beherrscht. Das System besteht im Fall von Océ aus dem neuen iPhone 4 und einer verteilten Software. Verteilt heisst, dass ein Teil der Software lokal auf dem Smartphone läuft und ein anderer zentral auf einem Server. Die gesamte Applikation läuft im Browser des iPhone und speichert alle wichtigen Daten direkt in den Cache des Geräts, dorthin also, wo die Anwendung sich zuvor selber installiert hat. Diese Daten werden vom Gerät, wenn eine Online-Verbindung besteht, mit dem Server synchronisiert. Dafür zuständig ist eine professionelle Software des US-Unternehmens Pendragon.


Das iPhone 4 wird, im Gegensatz zum Treo, übrigens viel mehr Aufgaben übernehmen können, die bisher vom Server erledigt wurden. Das ermöglicht ein erweitertes, eigenständiges Arbeiten ohne direkte Server-Verbindung, was für Océ sehr wichtig ist, sind die Servicetechniker doch oft in Gebäuden oder Kellern, wo der Mobilfunkempfang nicht immer gewährleistet ist.


Derzeit laufen noch letzte Arbeiten an der neuen Software, Ende November will man laut Projektleiter Lienhard mit ersten Tests beginnen. Diese sollen rund 14 Tage andauern. Noch im Dezember will man dann live gehen. Betreut werden wird das System zum einen von Atos Origin, das seit einem Jahr für die IT von Océ Schweiz zuständig ist, sowie durch den Entwicklungspartner Sparkzone. Die interne IT-Abteilung von zwei Personen, die das ganze Projekt eigenständig aufgegleist und betreut hat, kann sich dann neuen Aufgaben widmen.




Nichts gesperrt, fast alles offen

Mit der Einführung eines neuen Gerätes wie dem iPhone 4, das eindeutig für den Massenmarkt und weniger für Unternehmen hergestellt wurde, stellt sich natürlich auch die Frage nach der Sicherheit. Oder auch nicht: Laut Lienhard ist das Gerät, im Zusammenspiel mit so genannten CNA-Profilen, die man gemeinsam mit Swisscom für jeden einzelnen Servicetechniker erstellt, sehr sicher. In einem CNA-Profil werden Geräte, User Accounts und Nummern sowie Rollen gespeichert. «Damit bietet uns das iPhone 4 gegenüber dem Treo sogar noch einige zusätzliche Möglichkeiten, zum Beispiel Zugriff auf geschützte Océ-Webseiten und beispielsweise auf die Océ Knowledge Database», erklärt Lienhard.


Die neuen iPhones sind zu Beginn völlig offen, man kann damit also (fast) tun und lassen, was man will. «Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter das iPhone 4 aktiv nutzen und sich mit der neuen Technologie auseinandersetzen», so Bürki. Deshalb hat man das Gerät nicht von Vornherein gesperrt, was auch möglich gewesen wäre. «Natürlich werden wir am Anfang sehr genau verfolgen, was unsere Mitarbeiter für Datenvolumen anhäufen», erklärt Services Director Bürki. Sollten sie die Limiten der speziellen Swisscom-Datenabos, die das gelegentliche Surfen durchaus erlauben, deutlich überschreiten, werde man Gespräche suchen und das Ganze dann im schlimmsten Fall beschränken müssen. Soweit werde es aber bestimmt nicht kommen, meinen die Projektverantwortlichen von Océ.


Eine weitere Einschränkung gibt es noch: Océ verbietet es, die iPhones zu cracken. Allerdings wird die Überwachung schwer sein, hat man doch keine Software-Lösung, die einen dabei unterstützt. Man wird die Geräte im Rahmen der regelmässigen Techniker-Meetings kontrollieren.



Erwartungsfrohe Mitarbeiter

Noch wartet man bei Océ auf die neuen iPhone 4. Die Geräte sind bestellt und werden bald geliefert. Dann wird man auch die Mitarbeiter zu ersten Schulungen einladen können, denn die Applikation wurde in Sachen Look and Feel natürlich stark an das neue iPhone angepasst (Screenshots auf Seite 36). Sorgen, dass es deswegen zu Problemen kommen könnte, gibt es nicht. Damals, bei der Einführung des Treo, seien die Bedenken und Ängste der Mitarbeiter um ein Vielfaches grösser gewesen, gerade bei den älteren Mitarbeitenden. Der jetzt bevorstehende Wechsel werde im Vergleich dazu viel einfacher ablaufen, meint Bürki. Die Mitarbeiter seien alle sehr neugierig, offen, positiv und würden bislang keinerlei Berührungsängste zeigen, im Gegenteil. Über den Wechsel informiert hat man die Mitarbeiter übrigens schon sehr früh, kurz nach Projektstart. «Ich musste meinen Leuten unbedingt und möglichst früh erklären, wie’s weitergeht und dass wir bald wieder State-of-the-Art sind. Denn wenn man mit einem mittlerweile zirka drei Jahre alten Endgerät arbeiten muss, das teilweise nicht einmal mehr repariert werden kann, entstehen natürlich Fragen», erklärt Bürki.


Die definitive Umstellung von Treo auf iPhone 4 wird nach aktuellem Plan wie erwähnt im Dezember erfolgen und zwar an einem Freitag. Damit sollen die Techniker übers Wochenende bereits etwas Zeit erhalten, sich ungezwungen mit den neuen Geräten auseinanderzusetzen und erste Erfahrungen zu machen. «Die Umstellung an sich wird noch eine kleine Herausforderung, wir werden das aber sicher gut über die Bühne bringen», meint Lienhard. Danach gilt es nur noch, die 90 alten Treos fachmännisch zu löschen und entweder zu entsorgen oder an Liebhaber oder Sammler weiterzuverkaufen.



(mv)


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