Von Workspace bis Web-Meeting
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/12
Der Markt für Kollaborativ-Software ist relativ stabil, wie unsere aktuelle Marktübersicht zeigt: Bei vielen Anbietern hat sich in den letzten 12 bis 24 Monaten allenfalls die Versionsnummer verändert, was geringfügige Verbesserungen mit sich bringt. Sensationelle Neuerungen sind selten. So hat beispielsweise Adarvo in der aktuellen Version 3.2 seiner Themeware neben Verbesserungen an der Benutzerführung Neuerungen wie starke Authentifizierung mit SuisseID, SMS oder Token, einen integrierten HTML-Editor, zusätzliche Felder bei Elementen und kontextabhängige Schlagworte eingeführt.
Beim deutschen Produkt BSCW, das ursprünglich aus dem Fraunhofer-Institut FIT stammt, wurde mit Version 4.5 eine vollständig überarbeitete Benutzerschnittstelle mit neuer Portalseite, Wiki-Integration, integriertem Suchfeld, Tooltips und automatischer Anpassung des Layouts an das Browser-Fenster lanciert.
Keinen Fortschritt gibt es dagegen bei der einst hochgelobten und prämierten Schweizer Peer-to-Peer-Lösung von Collanos – auf der Website steht die Java-Software Workplace zwar nach wie vor zum Download bereit, die angebotene Version 1.4.0.2 stammt aber vom Februar 2008 und wurde seither offenbar nicht mehr weiterentwickelt. Zusammen mit der Einstellung von Groove scheint sich die Peer-to-Peer-Ära bei Kollaborativlösungen langsam dem Ende zuzuneigen.
Auch der Klassiker Basecamp wurde allenfalls im Detail nachgebessert, grosse Neuerungen sind nicht zu verzeichnen, ähnlich wie bei Weboffice – dort hat sich funktional seit der Übernahme des Betreibers Webex durch Cisco ebenfalls wenig getan.
Einige der angefragten Hersteller aber warten mit neuen Angeboten auf – und die Tendenz geht in Richtung Cloud beziehungsweise SaaS. Ein Beispiel ist IBM: Auf die Anfrage nach einer Kollaborationslösung für KMU brachte IBM neu statt wie bisher Websphere Portal Express den neuen Online-Dienst Lotus Live Engage ins Spiel, der unter dem Motto «Web Conferencing meets Online Social Networking» stark auf Web 2.0 ausgerichtet ist und interessante, sonst kaum anzutreffende Möglichkeiten wie Formulare für Umfragen und Feedback samt dynamischer Darstellung der Anworten und Charts zur Visualisierung bietet.
Gegenteilig verhält sich EMC: Das Unternehmen möchte offenbar nicht mehr das ältere, auch als SaaS-Lösung erhältliche und auf Workspaces fokussierte Produkt eRoom propagieren, sondern die modernere Lösung Centerstage, die ebenfalls aus der Documentum-Familie stammt und mit Integration von Social-Media-Werkzeugen wie Wikis, Blogs und RSS-Feeds aufwartet und unter anderem eine ausgefeilte Suchfunktion bietet.
In der Microsoft-Welt ist die frühere Peer-to-Peer-Software Groove weggefallen, dafür bieten die Redmonder nun kleineren Unternehmen, die keinen eigenen Sharepoint-Server betreiben wollen, eine Suite von Online-Diensten, die mit wenigen Ausnahmen alle Grundelemente einer umfassenden Kollaborationslösung enthält.
Neu in die Übersicht aufgenommen haben wir den schon länger bestehenden, Wiki-fokussierten US-Online-Dienst Centraldesktop, der sich als «Social Technology Platform» versteht, in diversen Varianten verfügbar ist und neben den herkömmlichen Arbeitsräumen zur Dokumentenverwaltung auch die Zusammenarbeit mit Wikis, Blogs und Social-Media-Tools unterstützt.
Ein weiterer neuer Player ist Adobe mit der seit kurzem verfügbaren definitiven Ausgabe von Acrobat.com samt kostenpflichtigen Premium-Accounts mit erweiterten Möglichkeiten. Unter einer eleganten, Flash-basierten Oberfläche finden sich Workspace-zentrierte Funktionen zur Dokumentenverwaltung, ergänzt durch recht gelungene Online-Anwendungen für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation. Was fehlt, ist eine integrierte Kontakt-, Aufgaben- und Terminverwaltung, und auch fortgeschrittene Document-Management-Funktionen wie Versionierung bietet Acrobat.com nicht. Dafür ist der Dienst Acrobat Connectnow integriert, der Webkonferenzen mit Whiteboard, Screensharing, Instant Messaging und Audio-/Videochats ermöglicht.