Editorial

Etwas mehr Respekt könnte helfen


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/12

     

Neu ist die Problematik ja nicht. Bereits im November 2007 meldete die «Neue Zürcher Zeitung» einen Einbruch bei den Studierendenzahlen im Fach Informatik. Zwischen 2001 und 2006 sei die Zahl der Studienanfänger landesweit um 60 Prozent eingebrochen, im Fach Wirtschaftsinformatik gar um 70 Prozent. Trotzdem ging vor kurzem ein Aufschrei durch die Medien, als eine Studie der Stiftung IT-Berufsbildung Schweiz und des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT) offenbarte, dass unserem kleinen Land bis in sieben Jahren rund 32’000 ICT-Fachkräfte fehlen werden (mehr dazu in der News auf Seite 7). Vorausgesetzt, es läuft alles so weiter wie bisher.

Da fragt man sich zu Recht, was in den letzten drei Jahren unternommen wurde. Schon in besagtem Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» kam nämlich der damalige Präsident von ICTswitzerland, Stefan Arn, zum Schluss, der einzige Ausweg aus dieser beunruhigenden Situation sei, die Ausbildung zu verbessern. Ich jedenfalls würde da noch mindestens eine weitere Möglichkeit sehen.


Zugegeben, als ich 2002 mit dem Studium der Wirtschaftsinformatik begonnen hatte, waren die Übungsgruppen noch gepackt voll. Wollte man sicherstellen, dass die eigenen Fragen auch beantwortet werden konnten, musste man auf die unbeliebten Gruppen zu den Randzeiten ausweichen, wo man lieber geschlafen (morgens) oder gearbeitet hätte (abends).

Jedenfalls hätte der ausgetrocknete Arbeitsmarkt bei meinem Studienabschluss 2008 ideal zum Einstieg sein sollen. Rein theoretisch hätten sich die verzweifelt nach IT-Arbeitskräften suchenden Unternehmen um mich streiten sollen. Mein Eindruck war aber ein ganz anderer. Ich erinnere mich an eine Recruiting-Veranstaltung der Credit Suisse, wo den anwesenden Hochschulabgängern eindringlich erklärt wurde, man solle jetzt ja nicht erwarten, bei der CS einzusteigen, um dann direkt um die Welt jetten zu können (wollte ich ja gar nicht). Und zu meinem CV konnten sie auch keine Verbesserungstips geben – obwohl das als Teil der Veranstaltung angekündigt war und wir aufgrund unseres eingereichten CV zu der Veranstaltung eingeladen wurden. Immerhin haben wir – oder zumindest die Schnellsten von uns – am Schluss einen Fussball zur damals in der Schweiz und in Österreich stattfindenden Fussball-EM erhalten. Bei IBM nämlich machte man sich nicht einmal die Mühe, mir für meine Bewerbung eine Eingangsbestätigung zu verschicken, geschweige denn, sich überhaupt bei mir zu melden. Und nicht dass Sie jetzt denken, ich sei eine schlechte Studentin gewesen, immerhin habe ich mit «magna cum laude» abgeschlossen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Würde man den Hochschulabgängern etwas mehr Respekt entgegenbringen, könnte man bestimmt den einen oder anderen überzeugen, beim eigenen Unternehmen einzusteigen (und nicht stattdessen Schreiberling bei Swiss IT Media zu werden). Ob sich das die zuständigen Personalverantwortlichen schon mal überlegt haben, wage ich zu bezweifeln.

Immerhin haben nun die Stiftung IT-Berufsbildung Schweiz und das BBT zusammen mit der neuen nationalen Organisation der Arbeit (OdA) ICT-Berufsbildung Schweiz ein Massnahmenpaket angekündigt. Hoffentlich hilft das, die fehlenden 32’000 ICT-Fachkräfte zu generieren. Alternativ könnte man ja den Kanton Obwalden (Bevölkerungsstand am 31. Dezember 2009: 35’032) zu einer Umschulung überreden.
(tsi)


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