Wege zur flachen Röhrenqualität
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/20
Nach den Arbeitsplätzen erobern die flachen Flüssigkristallbildschirme jetzt auch langsam die Wohnzimmer. Obwohl, für bewegte TV-Bilder sind die LCDs bisher nur bedingt geeignet. Und auch die Plasmatechnologie ist verhältnismässig aufwendig und damit teuer. Der flache Bildschirm hat aber allen Mängeln zum Trotz Sex-Appeal. Anders ist es nicht zu erklären, dass Konsumenten derzeit ihre guten alten Röhrenfernseher für Tausende von Franken gegen qualitativ eindeutig schlechtere Flachbildschirme eintauschen. Ob sich die heutigen LC- und Plasma-Technologien langfristig behaupten können, ist allerdings fraglich. Denn bereits stehen andere Techniken bereit, die billigere und leistungsfähigere Flachbildschirme versprechen: Nach den OLED-Displays (Organic Light Emitting Diodes),
die im Handybereich bereits eingesetzt werden, stehen jetzt auch Nanoröhrenbildschirme an der Schwelle zur Marktreife, und Canon will den Markt mit SED (Surface-conducting Electron-emitter Display) erobern, einer Flachbildschirmvariante der traditionellen Röhrentechnik.
Organische Leuchtdioden werden heute vor allem auch wegen ihres geringen Stromverbrauchs bereits in einigen Handys und MP3-Playern eingesetzt, und schon bald sollen sie auch in Fernsehern und PC-Bildschirmen für ein farbechtes und vor allem auch schlierenfreies Bild sorgen. Die Technik beruht auf organischen Verbindungen, die Licht aussenden, wenn sie unter Spannung dazu angeregt werden. Dazu sind im Prinzip nur drei dünne, transparente Schichten nötig, die übereinander zwischen einer Kathode und einer Anode aufgebracht werden. Direkt auf einer metallischen Kathode liegt die Elektronenleitungsschicht, von der unter Spannung negativ geladene Elektronen zur Anode wandern. Diese Schicht besteht aus durchsichtigen Metalloxiden. Direkt an der transparenten Anode liegt auf der anderen Seite des Displays die so genannte Löcherleitungsschicht aus organischem Material. Von dieser wandern unter Spannung positiv geladene Ladungslöcher zur Kathode. Im Sandwich zwischen der Elektronenleitungsschicht und der Löcherleitungsschicht befindet sich die gleichfalls organische Emitterschicht. In ihr befinden sich die lichtemittierenden Moleküle. Diese Moleküle Strahlen Licht mit einer bestimmten Farbe aus, wenn sich die Elektronen und die Ladungslöcher in ihnen neutralisieren.
Hauptproblem der OLED-Entwickler war bisher die begrenzte Lebenszeit der lichtemittierenden Moleküle. Die organischen Verbindungen sind chemisch nicht sehr stabil und zersetzen sich relativ schnell, so dass Bildschirme schon nach wenigen Monaten merklich an Helligkeit und Farbqualität einbüssen. In den letzten Monaten wurden aber einige aufsehenerregende Fortschritte erzielt. So hat etwa die deutsche Novaled einen roten Emitter hergestellt, der während mehr als 100'000 Stunden eine Helligkeit von 500 Candelas pro Quadratmeter liefern soll. Zum Vergleich: Damit ein Bildschirm
5 Jahre gebraucht werden kann, ist eine Lebenszeit von rund 15'000 Stunden notwendig. Die englische Cambridge Display Technology hat mit einer anderen Emitterart gar eine voraussichtliche Lebensdauer von 250'000 Stunden erzielt. Damit übertrifft sie gar klar die Lebensdauer heutiger LCD und Plasmabildschirme, die im Bereich von etwa 50'000 Stunden liegen.
Eine eigentliche Revolution sowohl in Sachen Lebenszeit und vor allem auch beim Preis könnten Nanoröhrenbildschirme bedeuten. Im Frühjahr stellte der US-Hersteller Motorola einen ersten Prototypen eines sogenannten NED (Nano Emissive Display) vor. Mit einem 5-Zoll-Ausschnitt zeigten die Amerikaner, dass sie mit ihrer Technik imstande sind, einen
42-Zoll-Bildschirm in HDTV-Auflösung (High Definition TV) mit 1280 mal 720 Pixeln herzustellen. Das Display ist dabei nur 3,3 Millimeter dick. Möglich wird dies, weil Motorola einen Weg gefunden hat, die nur wenige Nanometer (Millionstel Millimeter) grossen Kohlenstoffröhren direkt auf einem Glassubstrat wachsen zu lassen. Dadurch können der Herstellungsprozess wesentlich besser kontrolliert und die gewünschten Eigenschaften gezielter verändert werden.
Die Bildqualität des jetzt gezeigten Prototypen soll derjenigen von herkömmlichen Röhrenbildschirmen entsprechen, da die gleichen Phosphorverbindungen für die Farberzeugung verwendet werden. Diese Phosphore werden durch Elektronen angeregt, die von den Nanoröhren unter Spannung ausgesendet werden. Aber nicht nur in Sachen Farbqualität verspricht der Nanoröhrenbildschirm viel. Auch die Antwortzeiten und der Betrachtungswinkel entsprechen oder übertreffen laut Motorola diejenigen der CRT-Bildschirme (Cathode Ray Tube) und sind damit wesentlich besser als bei LCD. Als weiteren Vorteil führen die Amerikaner die chemische Stabilität der Nanoröhren und damit die lange Lebensdauer der Bildschirme an. Und auch in Sachen Preis versprechen die Nanoröhren einiges. Nach heutigen Massstäben rechnet man für einen 40-Zoll-Bildschirm mit Produktionskosten von gerade einmal 400 Dollar. Um der NED-Technik breit zum Durchbruch zu verhelfen, muss Motorola nun aber erst einmal die hauptsächlich asiatischen Displayhersteller überzeugen.
SED und traditionelle Röhrentechnik (CRT) im Vergleich
OLED und Nanoröhren sind Technologien, mit denen sich heute die Forschungsabteilungen praktisch aller Hersteller auseinandersetzen. Demgegenüber geht Canon einen eigenen Weg. SED (Surface-conductiong Electron-emitter Display) heisst die Technik der Japaner, die in Zusammenarbeit mit Toshiba entwickelt wurde. Sie ist im wesentlichen eine Flachbild-Weiterentwicklung der traditionellen CRT-Technik.
Statt nur einer Elektronenquelle pro Farbe, deren Strahl durch ein Magnetfeld über den Phosphor-Pixel-Array des Bildschirms dirigiert wird, verfügt bei SED jedes Pixel über seine eigene Elektronenquelle, die direkt hinter dem Bildpunkt positioniert ist. Weil der Strahl dadurch nicht mehr abgelenkt werden muss, fällt der Tiefenbedarf der bisherigen CRT-Technik weg.
Die Elektronenquellen für jeden Farbpunkt entstehen, indem das Elektronen-ausstossende Material, das auf einem Glassubstrat aufgebracht ist, durch sehr kleine, nur wenige Nanometer breite Schlitze unterbrochen wird. Legt man nun eine Spannung über die ganze Fläche des Materials an, treten an den Schlitzen Elektronen aus. Ein zweites Spannungsfeld zwischen Elektronenemitter und den Phosphorpixeln beschleunigt die Elektronen dann in Richtung der Phosphor-Bildpunkte. So lassen sich die bekannten Vorteile CRT-Technik auf eine Dicke von wenigen Zentimetern zusammenpressen. Zudem verbrauchen SED laut Canon auch wesentlich weniger Strom als Plasmabildschirme oder LCD. Gegenüber OLED-Bildschirmen dürften sie in Sachen Sparsamkeit aber den Kürzeren ziehen. Die leuchtenden Polymere brauchen weder eine Hintergrundbeleuchtung (LCD) noch ein Magnetfeld (SED).
Canon begann bereits 1986 mit der SED-Entwicklung. 1999 schloss man sich schliesslich mit Toshiba zusammen. Jetzt sind die Partner dabei, mit einem Joint Venture die Massenproduktion aufzunehmen. Bereits im ersten Halbjahr 2006 sollen die ersten Bildschirme über den Ladentisch gehen. Entscheidend für den Erfolg dürfte neben der besseren Bildqualität der Preis werden. Analysten gehen gegenwärtig davon aus, dass SED bei ihrer Markteinführung ähnlich viel kosten werden wie LCD. Wenn aber künftige OLED-Bildschirme oder etwa Motorolas Nanoröhren-Display wesentlich günstiger werden, dürfte es für die doch recht aufwendige SED-Technik schwierig werden.