Virtualisierung wird Mainstream
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/15
In den letzten Monaten hat sich Virtualisierung von Computern mittels Software auf x86 von einer Randgruppen-Technologie zu einem Mainstream-Thema gemausert. Dank neuer Technologien und Produkte ist sie nicht mehr nur für Software-Entwickler, Anti-Virus-Spezialisten und einige grosse Rechenzentren interessant, sondern macht sich so ziemlich überall breit, wo sie bisher noch nicht war – sogar auf dem heimischen Desktop. Die Gründe sind vielfältig:
- Dank stetig wachsender Rechenleistung, Multicore-Prozessoren mit integrierter Virtualisierungsunterstützung (AMD-V,
Intel-VT) und Technologien wie Para- (Xen) oder Betriebssystemvirtualisierung (Virtuozzo, Solaris Zones) sind die Performance-Unterschiede zwischen nativem und virtualisiertem Betrieb vernachlässigbar respektive kaum noch vorhanden.
Die verschiedenen Produkte zur Virtualisierung unterscheiden sich nicht nur preislich oder bei den Betriebssystemen, die sie als Wirt respektive Gast unterstützen. Es gibt eine Vielzahl von Unterschieden, was eine intensive Evaluierung der Produkte erfordert.
Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Produkte in unserer Übersicht ist die Art, wie sie virtualisieren.
- Bei der Betriebssystemvirtualisierung wird nicht die Hardware abstrahiert und den Gästen eine bestimmte Umgebung simuliert, sondern das Gastsystem aufgeteilt. Dabei teilen sich alle Gastsysteme den Kernel des Wirts und erhalten nur eine isolierte Umgebung, die vom Wirtssystem respektive den anderen Gästen abgeschottet ist. Dies hat zur Folge, dass man bei einem Linux-Wirt nur andere Linux-Distributionen als Gast verwenden kann. Zudem stehen den Gastsystemen einige Funktionen nicht zur Verfügung (beispielsweise bei Linux das Laden von Kernel-Modulen). Dafür läuft das Gastsystem mit voller Geschwindigkeit.
Eine weiterer grosser Unterschied der Software-Virtualisierungsprodukte sind die von ihnen unterstützen Wirtssysteme. Während die meisten von ihnen ein voll ausgewachsenes Betriebssystem wie Windows, Linux oder MacOS X voraussetzen, das für den Zugriff auf die Hardware sorgt, gibt es einige Produkte, die vermeintlich direkt auf der nackten Hardware arbeiten. Bare Metal Virtualization nennt sich dies und ist vor allem durch Vmware ESX bekannt. Dabei ist je nach Implementierung in der Tat kein vollständiges Wirtssystem erforderlich. Im Falle von Vmware ESX wird aber zuerst ein abgespeckter Linux-Kernel gebootet, der dann erst den Vmware-Kernel lädt, der auch als Virtual Machine Monitor amtet und die virtuellen Umgebungen verwaltet. Da man aber nicht den sonstigen Ballast eines voll ausgewachsenen Betriebssystems mit sich herumschleppen braucht, lässt sich so einiges an Leistung herausholen. Allerdings muss man sich diese durch eine verringerte Hardware-Kompatibilität erkaufen.
Der dritte wichtige Punkt, der über den Einsatzbereich einer Virtualisierungssoftware entscheidet, ist die Umgebung, die sie ihren Gästen bereitstellt. Während man bei der Betriebssystemvirtualisierung das Wirtssystem samt Original-Hardware nutzt (ohne aber direkt zugreifen zu können), bieten die Hardware- respektive Paravirtualisierer sehr unterschiedliche Umgebungen. Diese unterscheiden sich nicht nur bezüglich der Netzwerkgeräte oder Chipsätze, die emuliert werden, sondern auch der unterstützten Hardware. So bringt vor allem Virtualisierungssoftware für Desktops Support für Audio-Subsysteme und USB mit. Dagegen findet man Unterstützung für 64-Bit-Instruktionen (AMD64, Intel 64) oder mehrere Prozessoren nur bei den Server-Produkten. Hier das richtige Produkt zu finden, ist nur mit einem detaillierten Anforderungsprofil möglich.
Doch was hilft die beste Virtualisierungssoftware, wenn ihre Verwaltung und die ihrer Gäste in grossen Umgebungen nur mit sehr grossem Aufwand zu bewältigen ist? Neben zentralen Konsolen zur Überwachung, Erstellung und Verwaltung von virtuellen Maschinen und einer möglichst weitgehenden Automatisierung dieser Aufgaben sind meist auch Lösungen für High Availability, Load Balancing oder Storage respektive Backup gefragt. Diese werden in der Regel nicht von der Virtualisierungssoftware selber, sondern von Zusatzwerkzeugen bereitgestellt, die je nach Hersteller in kleinerem oder grösserem Masse vorhanden sind.
Bei Open-Source-Produkten wie Xen und OpenVZ muss man genauso wenig wie bei den anderen proprietären Produkten mit der Kommandozeile und selbst gebauten Shellscripts zur Verwaltung leben. Meist steht ein kommerzieller Anbieter oder gleich mehrere dahinter, die passende Verwaltungswerkzeuge mit unterschiedlichem Funktionsumfang anbieten. Xen wird beispielsweise nebst der Herstellerfirma XenSource gleich von mehreren Linux-Distributoren beackert, die die Virtualisierungssoftware in ihre Management-Lösungen integrieren respektive separate Management-Software entwickeln.
Marktübersicht Software-Virtualisierung