Editorial

XP-Kopierschutz: Endlich Nägel mit Köpfen?

Die Redmonder wollten den Raubkopierern endlich einen Strich durch die Rechnung machen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/30

     

Vor rund einem Jahr bescherte uns Microsoft Windows XP. In den Medien sorgten aber nicht die neuen Funktionen des Betriebssystems für Schlagzeilen, sonderndie Zwangsaktivierung. Das Ziel dieser Massnahme war klar: Die Redmonder wollten den Raubkopierern endlich einen Strich durch die Rechnung machen.



Doch wie immer, wenn es um Kopierschutzmassnahmen geht, liessen Gegenmitteln von der Crackergemeinde nicht lange auf sich warten. Primär drei Varianten von illegalen XP-Installationen dürften heute verbreitet sein:




1. Versionen, die für den Unternehmenseinsatz konzipiert wurden und keiner Aktivierung bedürfen.



2. XP-Betriebssysteme, deren Aktivierungsmechanismus über einen Crack ausgehebelt wurden.



3. Windows XPs, für die mit einem sogenannten Keygenerator gültige CD-Keys erstellt wurden und die sich dann ganz offiziell frei schalten lassen. Alle drei Varianten standen beim XP-Start letzten Herbst innert wenigen Wochen zur Verfügung und sind noch heute im Netz zu finden.



Bereits damals wunderte es mich doch sehr, als wie wenig wirksam sich die Antipirateriemassnahmen des Softwarekonzerns in der Praxis erwiesen. Ich habe mir diese Vorkehrungen bedeutend wirkungsvoller vorgestellt.



Gleichwohl scheint der Kopierschutz doch bei unzähligen Gelegenheitskopierern seine Pflicht erfüllt zu haben, übertrafen die XP-Verkaufszahlen jene früherer Windows-Versionen doch deutlich, wie Microsoft Ende 2001 nicht ohne Stolz vermeldete.



Dennoch müssen die verschiedenen Löcher in der Aktivierung die Verantwortlichen in Redmond massiv unter den Nägeln gebrannt haben. Denn mit dem in diesen Tagen erscheinenden ersten Service Pack wird neben den klassischen Bugfixes und neuen Features erstmals auch die Kopierschutzthematik adressiert (siehe Artikel Seite 12). Wird das Update installiert, wird die Rechtmässigkeit der Keys überprüft und "überbrückte" Aktivierungsmechanismen werden wieder funktionstüchtig gemacht.



Unter dem Strich ist das Service Pack die konsequente Fortsetzung der Antipirateriemassnahmen und als solche durchaus wünschenswert. Wünschenswert wäre es allerdings auch, wenn Microsoft die durch zusätzliche Lizenzeinnahmen erzielten Gewinne auch einmal an die Kunden weitergeben würde. Was wäre das für eine Schlagzeile: "Erfolgreiche Kopierschutzmassnahme ermöglicht 10prozentige Preissenkung". Immerhin wird landauf landab immer wieder argumentiert, die Raubkopiererei sei mitunter für die hohen Softwarepreise verantwortlich.



Ehrlich gesagt, glaube ich leider nicht, dass wir ähnliches in absehbarer Zeit sehen werden. Zum einen ist Microsoft primär an der Maximierung des Unternehmensgewinns interessiert, zum anderen dürften die SP1-Massnahmen zu wenig greifen. Es sei denn, das Update würde ein wirklich katastrophales Windows-Leck stopfen, womit der Einsatz des Service Pack auf jedem Rechner unausweichlich wäre. Denn wer mit einer gehackten XP-Version arbeitet, ist angesichts der zahlreichen Medienberichte hinlänglich gewarnt und wird eine Installation meiden wie der Teufel das Weihwasser.

(rd)


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