Der Fotograf als Softwaremotiv
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/03
Ich habe es bereits zu Beginn meines Aperture-Testberichts in der letzten InfoWeek-Ausgabe (IW 2006/02 Seite 17) konstatiert: Die Softwareindustrie hat die professionellen Fotografen im Zuge der Ablösung der analogen Fotografie durch Digitaltechnik zum lohnenden Kundensegement erkoren.
Nachdem besonders diejenigen Foto-Profis, die statt komprimierter JPEG-Bilder die Rohdaten vom Kamerasensor bevorzugen, sich bisher mit selbstgebastelten Multiprogramm-Workflows zufriedengeben mussten, versprechen One-Stop-Lösungen wie Apples Aperture und Adobes Lightroom-Projekt nun die nahtlose Erfassung, Organisation, Bearbeitung und Weitergabe aller Bilder unabhängig vom Ursprungsformat. Gleichzeitig will die neue Fotosoftware-Generation dem Fotografen mit einer von analogen Arbeiten her vertrauten Arbeitsumgebung schmeicheln, statt ihm computertechnische Begriffe aufzunötigen.
Adobe unterteilt dabei den Lightroom-Arbeitsraum in die gewohnten Bereiche Bibliothek, Entwickeln, Diaschau und Druck. Bei Apple funktioniert die Softwarelupe wie eine Glaslupe in der realen Welt.
Auch optisch geben die neuen Pakete einiges mehr her als die technokratischen Oberflächen bisheriger Bildverwaltungssoftware. So etwas wie den Fullscreen-Modus von Aperture sucht man selbst im neuen iView Media Pro 3.0, das ebenfalls mit einem virtuellen Leuchttisch wirbt, vergebens. Andere bisherige Lösungen zeigen zwar in Teilbereichen höchst innovative Ansätze, versagen aber anderswo: Lightzone (www.lightcrafts.com) analysiert die Helligkeitszonen des Bildes nach der Lehre von Ansel Adams und bietet Tools zur separaten Korrektur einzelner, frei definierbarer Bildbereiche - dafür ist dann aber der Image-Browser eher dürftig ausgestattet und vom Erscheinungsbild her eine Qual für geschmacklich empfindsame Menschen.
Auch bei Adobe und Apple ist allerdings nicht alles im Lot: Lightroom liegt erst in einer Betaversion vor, die zwar insgesamt ziemlich stabil läuft, die Geduld des Benutzers aber zum Teil über Gebühr strapaziert. So ist der schneckenlangsame Bildimport für grössere Bestände derzeit schlicht untauglich. Ausserdem ist das Programm bisher nur fürs Mac OS zu haben, eine Windows-Version folgt später. Ganz offensichtlich ist Adobe der Fotoprofi-Bereich auch auf der Mac-Plattform zu wichtig, als das der Bildbearbeitungsspezialist dieses Teilfeld kampflos Apple überlassen würde. Da besetzt man es vorerst lieber einmal mit unvollständiger Software.
Aperture andererseits wirkt zwar komplett und durchdacht, läuft aber sowieso nur auf dem Mac und bedingt zwingend Hardware der neuesten (und gleichzeitig letzten) mit Power-CPUs ausgerüsteten Generation. Dass sich das Paket auf den älteren Apple-Maschinen nicht einmal mehr installieren lässt, ist mehr als nur ärgerlich
Das Fazit: Die Softwarewelt wird für den Fotografen besser und vielfältiger, aufs Eldorado muss er aber nach wie vor warten.