Dünne Klienten für jedes Gewicht

Zwölf Hersteller, Dutzende von Modellen, drei Betriebssysteme: Der Thin-Client-Markt bietet für jeden Einsatz das geeignete Gerät.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/01

     

Thin Clients sind besser, sagen die Proponenten des Server-based Computing. Die günstigeren Anschaffungskosten – es gibt sie ab rund dreihundert Franken – sind nur ein Argument. Vereinfachte Verwaltung, geringere Softwarekosten und mehr Sicherheit tragen Löwenanteil zum Gesamtkostenvorteil einer korrekt implementierten Thin-Client-Umgebung bei.


Was ist ein Thin Client?

Die grobe Definition: Ein Thin Client ist ein diskloses Ein/Ausgabegerät, das mit einer serverbasierten IT-Infrastruktur verbunden wird. In einer reinen Thin-Client-Umgebung laufen alle Anwendungen inklusive der Web-Browser auf dem Server, die Daten werden ebenso zentral abgelegt. Der Thin Client selbst übermittelt Tasta­­-
tur- und Mausevents an die server­seitigen Anwendungen und präsentiert deren Output auf dem Monitor. Im Unterschied zum «dummen Terminal» aus der Steinzeit der Informatik verfügt ein moderner Thin Client jedoch über genügend Grafikleistung zur Darstellung moderner Desktop-Oberflächen, ausserdem unterstützt er auch die Ein- und Ausgabe von Audio per Mikrofon und Lautsprecher. Je nach Typ, Konfiguration und Bedarf lassen sich Anwendungen allenfalls auch direkt auf dem Thin Client statt serverseitig fahren. Thin-Client-Hersteller der reinen Schule wie Sun bezeichnen ihre Produkte deshalb oft als «Ultra-Thin Clients». Zur Grundausstattung gehört Firmware, die den Zugriff auf die serverbasierten Applikationen erlaubt: Praktisch alle verfügbaren Modelle kommen mit integrierten Clients für Microsoft Terminal Server (via RDP-Protokoll) und Citrix Metaframe (via ICA). Vor allem die Linux-basierten Thin Clients sind zudem mit einem X11-Windowserver zur Integration in eine Unix-basierte Infrastruktur ausgestattet.


Proprietär, CE, XP oder Linux?

Auch wenn ein Thin Client nicht über viel «Intelligenz» verfügt, ein Betriebssystem braucht er doch. Schliesslich hat er ausser dem lokalen Datenspeicher alles, was ein PC braucht – Maus, Tastatur, Bildschirm, mindestens USB- und meist auch serielle und parallele Schnittstellen; Einzelne bieten einen PCI-Slot. Beim herkömmlichen PC richtet sich die Wahl des Betriebssystems weitgehend nach der Unterstützung für bestimmte Anwendungen. Anders der Thin Client: Das Betriebssystem bestimmt auch die Einsatzmöglichkeiten – vor allem dann, wenn neben rein serverbasierten auch lokale Anwendungen gefragt sind. Das aktuelle Angebot lässt sich in vier Kategorien einteilen:


• Ultra-Thin Clients mit proprietärem Betriebs­system: Neben Sun mit den zwei Modellen Sun Ray 170 und 1g, die prinzipiell zusammen mit der Sun-Ray-Serversoftware zum Einsatz kommen, bleibt Wyse der einzige nennenswerte Hersteller von Ultra-Thin-Clients. Die Modelle S10, 1200LE und 1125 SE arbeiten mit dem herstel­lereigenen Wyse Thin OS, das auch unter dem Namen Blazer bekannt ist. Wyse macht geltend, das schlanke Spezial-OS lasse RDP- und ICA-Sessions mehrfach schneller ablaufen als Betriebssysteme mit vollständigeren Möglichkeiten. Hackern mache es zudem das Leben schwer, weil das Blazer-API nicht öffentlich sei.


• Windows-CE-Terminals mit lokalem Browser: Diese Geräte sind die meistverkauften Thin Clients; fast alle Hersteller haben mehrere Modelle im Programm. Die Windows-CE-Firmware, in Version 4.2 oder 5 in der Firmware des Geräts implementiert, enthält unter anderem den Internet Explorer. Damit eignet sich diese Geräte­kategorie für Anwender, die häufig surfen oder mit Web-basierten An­­wendungen arbeiten – der Browser muss hier nicht vom Server geladen werden. Gleichzeitig bringt der Prozessor eines Windows-CE-Terminals im allgemeinen genug Leistung, um lokal eine Terminal-Emulation zu fahren – diverse Modelle sind in der Grundausstattung oder optional mit einem Paket wie TeemTalk oder PowerTerm ausgerüstet und eignen sich in Mainframe-Umgebungen als Ersatz für ein herkömmliches Terminal.


• Thin Clients mit Windows XP Embedded (XPe): Im Gegensatz zum abgespeckten Windows CE bietet die Embedded-Variante von Windows XP praktisch alle Features des aktuellen Desktop-Betriebs­systems. Dazu gehören insbesondere eine Java Virtual Machine und volle Unterstützung des Windows-API. Was Viren und Würmer betrifft, sind XPe-Terminals damit anfälliger als proprietäre oder CE-Geräte. Ein XPe-Terminal bietet dafür die Möglichkeit, Windows- und Java-Anwendungen lokal zu betreiben. XPe-Geräte sind demzufolge mit vergleichsweise starken Prozessoren ausgestattet – für High-End-Anwendungen reicht die Power aber dennoch nicht; Bild­bearbeitung, Games & Co. bleiben dem klassischen Desktop vorbehalten. Das Einsatzgebiet solcher Geräte liegt vielmehr dort, wo Standardanwendungen wie Office oder kundenspezifische Applika­tionen wie ein Produktkatalog auch ohne ständige Netzwerkverbindung genutzt werden sollen – alle anderen Thin Clients sind völlig nutzlos, wenn das Netzwerk mal ausfällt.


• Linux Terminals: Das flexibel konfigurierbare Open-Source-Betriebssystem lässt sich vom simplen Terminal bis zum leistungsfähigen Nahezu-PC für alle Varianten des serverbased Computing einsetzen. Linux eignet sich mit seiner von Grund auf Internet-freundlichen Architektur besonders auch für Web-zentrierte Umgebungen und Anwendungen auf Web-Services-Basis. Mit Ausnahme von ChipPC, Sun und NComputing bieten alle Hersteller Linux-basierte Thin Clients an.
Es gibt noch eine fünfte Möglichkeit, zu Thin Clients zu kommen: Standard-PCs werden in Thin Clients verwandelt. Dazu gibt es verschiedene Verfahren – die simpelste Variante ist der Netzwerk-Boot, unterstützt durch zentrale Konfiguration und Administrationssoftware wie 2x Thin­ClientServer (www.2x.com). Zwei Hersteller gehen weiter und offe-rieren eine Hardwarelösung – beim PC Stick von Rangee wird statt des Harddisk-Kabels ein Dongle auf die IDE-Schnittstelle gesteckt, das die Thin-Client-Firmware enthält; IGEL bietet eine PCI/PC-Card-Kombo mit vergleichbarer Funktionalität an. Eines gilt es bei der Thin-Client-Wahl zu bedenken: Das Betriebs­system, das auf dem Thin Client selbst läuft, hat mit dem Server-Betriebssystem überhaupt nichts zu tun. Wenn die Anwendungen unter Windows Terminal Server oder Citrix Metaframe laufen, sieht der User an einem Linux-basierten Thin Client genau den gleichen Windows-Desktop wie an einem Windows-CE- oder XPe-Client – sofern, wie in fast allen Fällen, das Linux-basierte Gerät mit einem RDP- beziehungsweise ICA-Client ausgestattet ist.







Unsere Tabelle zeigt die wichtigsten in der Schweiz aktiven Hersteller von Thin-Client-Hardware in einer groben Übersicht. Wir haben darauf verzichet, die einzelnen Modellvarianten aufzuführen – die Angaben beziehen sich stets auf die Gesamtpalette und weisen nach, ob ein bestimmter Hersteller Geräte mit einem bestimmten Feature im Programm hat. Der Grund: Nahezu alle Anbieter offerieren eine Vielzahl von Thin Clients aus verschiedenen Kategorien.
Beim Marktführer Wyse allein gibt es vierzehn Modelle – die gesamte Palette würde mehrere Seiten füllen. Manche Hersteller bieten auch Geräte mit integriertem Bildschirm an. Beim dänischen Hersteller Nexterminal, der ausschliesslich Geräte mit der hauseigenen Linux-Variante NexterminalOS anbietet, gibt es ausserdem den Notebook-Formfaktor. Besonders klein sind die Thin Clients von ChipPC – diese Firma hat sich ganz Windows CE verschrieben und offeriert die miniaturisierte Xtreme-PC-Serie mit Abmessungen von rund 80x160x35 Millimetern.
Ein besonderes Zuckerstückchen von ChipPC ist der Jack-PC: Der komplette Thin Client ist hier in einer Steckdose für die Wandmontage eingebaut. Der Ethernet-Anschluss erfolgt unterputz und versorgt den Client via PoE (Power over Ethernet) auch gleich mit Strom; an der Vorderseite finden sich Anschlüsse für Monitor, Audio, Tastatur und weitere USB-Geräte.




Die wichtigsten Thin-Client-Anbieter und ihre Produkte im Vergleich


Sever-based für die kleinste Hütte

Der typische PC ist gerade mal zu 10 bis 15 Prozent ausgelastet. Die sonst brachliegende Rechenkapazität lässt sich mit der SBC-Lösung OfficeStation des US-Herstellers NComputing nutzen: Durch die Installation der Software wird ein herkömmlicher PC ohne Veränderung der Hardware oder Installation eines neuen Betriebssystems zum Terminal Server, der bis zu zehn Thin Clients vom Typ NStation L100 bedient – gewissermassen «Server-based Computing ohne Server». Der zum Terminal Server umgenutzte PC kann unter Windows 2000 Pro, Windows XP oder Windows Server laufen. Eine Linux-Version mit derzeit noch eingeschränkter Funktionalität ist ebenfalls erhältlich. Das zugrundeliegende propritäre Protokoll nennt sich UTMA (Ultra-Thin Multi Access) und nutzt die Tatsache, dass sich die meisten Windows-Applikationen auf einem PC mehrfach starten lassen – jede Instanz bedient einen Client. Lizenzrechtliche Abklärungen überlässt NComputing dem Anwender. Dieser muss sich selbst darum kümmern, ob zum Beispiel genügend Lizenzen für eine mehrfache Nutzung von Word oder Excel vorliegen. Als juristisch sicherste Variante empfiehlt der Hersteller, OfficeStation unter Linux mit Open-Source-Anwendungen zu betreiben. NComputing positioniert OfficeStation als günstige Alternative insbesondere für Kleinunternehmen und Schulen.

(ubi)


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