Vollwert-PC für Ultramobile

Die gute Leistung und die innovativen Features des laut Hersteller OQO weltkleinsten Vista-PC erkauft man sich durch einen unangenehm hohen Preis.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/22

     

Das ziemlich vernichtende Urteil, das aus unserem letzten Test eines Vertreters der Produktkategorie Ultra-Mobile PC (UMPC) hervorging, droht dem brandneuen e2 von OQO nicht. Während der letzten Februar getestete UMPC mit einem schmalbrüstigen 900-MHz-Prozessor und mageren 256 MB RAM auskommen musste und zur Texteingabe bloss die Wahl zwischen einer Onscreen-Tastatur auf dem Touchscreen und einem externen Bluetooth-Keyboard bot, ist der OQO e2 massiv besser für die Anforderungen des Gadget-affinen Techno-Nomaden gerüstet.


Fast volle PC-Power

Mit dem e2 bringt OQO bereits die dritte Generation seiner ultramobilen Taschencomputer auf den Markt. Die Firma aus San Francisco hat mit der Entwicklung des Konzepts bereits im Jahr 2000 begonnnen, an der WinHEC 2002 einen Proof-of-Concept vorgelegt und 2004 das erste Modell auf den Markt gebracht – also lange bevor Microsoft und Intel an der Cebit 2006 den «Origami» der Öffentlichkeit präsentierten. Dem neue­sten Modell merkt man denn auch an, dass viel Erfahrung dahintersteckt.


Der e2 ist mit einem ULV-Prozessor vom Typ C7M von Via ausgestattet, getaktet wahlweise mit 1,5 oder 1,6 GHz. Dazu kommen ein Gigabyte DDR2-SRAM, Busgeschwindigkeit 533 MHz und eine Harddisk mit bis zu 120 GB oder eine 32-GB-Solid-State-Disk. Diese Grundlage reicht aus, um Windows XP in der angepassten Tablet PC Edition oder Windows Vista mit ansprechender, wenn auch im Vergleich mit ausgewachsenen PC-Systemen nicht gerade berauschender Leistung auszuführen.



Unser Testgerät mit Windows Vista Ultimate, 1,6-GHz-CPU und 120-GB-Harddisk kam im Performance-Test von Passmark auf 80 Punkte. Im Vergleich zu einem XP-Notebook mit 1,8-GHz-Pentium-M und dediziertem Grafiksystem, das über 300 Punkte erzielte, erscheint dies gering – vom Quadcore-Microtower mit 930 Punkten ganz zu schweigen. Insbesondere die Grafik lässt zumindest den Testwerten nach zu wünschen übrig. Der dafür zuständige VIA-Chipsatz unterstützt zum Beispiel die Aero-Effekte von Windows Vista nicht. In der Praxis gestaltet sich die Arbeit mit dem e2 jedoch trotzdem recht flott, unangenehme Wartezeiten gibt es kaum. Der e2 ist definitiv ein vollwertiger PC und punkto Leistung in einer ganz anderen Klasse als die meist ziemlich lahmen PDAs und Smartphones angesiedelt.


Ein- und Ausgabe

Beim Hochschieben des Bildschirms erscheint die integrierte «Daumentastatur». Sie eignet sich zwar nicht gerade zum flüssigen Eintippen ganzer Romane, ist den noch mikroskopischeren Keyboards anderer UMPCs aber überlegen und auf jeden Fall besser zu bedienen als ein Onscreen-Keyboard. Dank der zuschaltbaren Beleuchtung lässt es sich sogar im Dunkeln angenehm mit dem e2 arbeiten.


Auf der Tastatur, die leider nur in einer auf Grossbritannien zugeschnittenen QWERTY-Variante zu haben ist, immerhin aber ein Pfund- und ein Euro-Symbol bietet, findet sich sogar ein separater Ziffernblock. Er emuliert in einer zweiten Ebene auch die Funktionstasten F1 bis F12. Überhaupt ist jede Taste doppelt belegt: Die Zweitfunktion, meist Sonderzeichen oder Befehle wie Printscreen und Anpassung der Lautstärke, lässt sich über die «FN»-Taste abrufen.



Zwischen den Buchstabentasten und dem Ziffernblock ist der Trackstick untergebracht, mit dem sich der Mauszeiger überraschend präzis positionieren lässt. Die linke und rechte Maustaste sind in Form separater Tasten am linken Rand der Tastatur realisiert. Die Bedienung ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, geht aber nach kurzer Einarbeitungszeit absolut problemlos vonstatten.


Ein echtes Plus sind die beiden «Touchscroller» rechts unten neben dem Bildschirm: Damit lässt sich der Inhalt des aktiven Fensters bequem horizontal und vertikal scrollen.
Der TFT-Bildschirm ist mit seiner 5-Zoll-Diagonale noch kleiner, als es die UMPC-Spezifikation maximal erlaubt. Er ist aber gestochen scharf und stellt die Windows-Oberfläche mit 800 x 480 Pixel gut lesbar dar. Wer Texte und Symbole dennoch zu klein findet, kann die Darstellung mit Hilfe der beiden Zoomtasten links unten auf der Tastatur in mehreren Stufen vergrössern und verkleinern.


Der e2 erlaubt ausserdem, die Auflösung auf interpolierte 1000x600 oder 1200x720 Pixel einzustellen – dann muss allerdings entweder kleiner gezoomt oder ständig hin- und hergescrollt werden.
Der Bildschirm ist als kapazitiver Touchscreen ausgelegt, so dass sich der e2 auch im zusammengeschobenen Zustand per Stifteingabe bedienen lässt. Dazu wird allerdings ein spezieller Stylus benötigt, der laut Hersteller nur bei den XP-Modellen zur Grundausstattung gehört. Unserem Testgerät lag der Stift trotzdem
bei – der e2 bietet damit sämtliche Features eines Tablet PC.


Anschlüsse und Verbindungen

Der untere Gehäuserand beherbergt neben einem kleinen Lüftungsgitterchen sämtliche Anschlüsse zur Verbindung des e2 mit der Aussenwelt. Ein externes Display mit einer Maximalauflösung von 1920x1200 Pixel lässt sich entweder an den HDMI-Port oder, über den mitgelieferten VGA/Ethernet-Adapter, an den mittig angebrachten Docking-Connector anschliessen. Dort kommt zum Aufladen der Batterie auch der Stecker des Netzteils oder das Kabel zur optional erhältlichen Docking Station hin. Ganz links ist der Audio-Ausgang angebracht, auf der rechten Seite ein USB-2-Port. Slots für Speicherkarten oder einen PC-Card oder Expresscard/34-Steckplatz sucht man am e2 indes vergebens.


Der e2 beherrscht auch die kabellose Kommunikation. Dazu sind ein Bluetooth-Funkteil und ein WiFi-Adapter mit Atheros-Chip an Bord, der 802.11a, b und g beherrscht. Der schnelle 802.11n-Standard wird nicht unterstützt. Auch einen GPS-Empfänger bietet der e2 nicht. Der Hersteller hat beim aktuellen Modell zudem auch auf einen Mobilfunkteil verzichet, hat aber soeben eine neue Variante angekündigt, die mit GPRS, UMTS und HSDPA aufwartet.



Auf der linken Seite oberhalb des Einschaltknopfs scheint sich auf den ersten Blick das Fenster für eine Infrarot-Schnittstelle zu befinden. Dem ist aber nicht so: Es handelt sich um eine Taste, mit der sich die Batterie entriegeln lässt. Die Standardbatterie leistet 4500 mAh und reicht laut Hersteller für 3 Stunden Betrieb. Wie üblich liegt die tatsächliche Lebensdauer deutlich darunter und hängt stark von der Nutzungsart ab. Als Zubehör ist eine stärkere Batterie mit doppelter Kapazität erhältlich.


Die als Zubehör erhältliche Docking Station bietet zwei USB-2-Ports an der Rück- und einen an der Vorderseite, VGA- und HDMI-Anschlüsse, einen Audio-Ausgang und einen Ethernet-Port sowie den obligaten Anschluss fürs Netzteil. Darüber hinaus enthält sie einen Dual-Layer-DVD-Brenner – und sie dient als Ständer für den e2, der das Gerät in bequemer Betrachtungsstellung hält. Im Lieferumfang befindet sich auch ein HDMI-DVI-Adapter zum Anschluss externer Monitore.


Wer braucht so etwas?

Kein Zweifel, im Gegensatz zum bereits früher getesteten UMPC der ersten Generation ist der OQO e2 keine Spassbremse. Mit dem laut Hersteller weltkleinsten Vista-PC lässt es sich unterwegs ganz gut arbeiten. Die Hardware bietet für Office und andere Produktivitätsanwendungen genügend Power, und die Connectivity lässt, abgesehen vom fehlenden Mobilfunkteil, kaum zu wünschen übrig. Zuhause oder im Büro wird der e2 mit Docking Station, zusätzlichem Display und externer USB-Tastatur und -Maus zum vollwertigen PC.



Dennoch stellt sich wie bei allen UMPCs auch beim e2 die prinzipielle Frage nach der Zielgruppe. Für die typischen Tablet-PC-Anwendungen im professionellen Einsatz ist der Bildschirm zu klein. Der Geschäftsmann auf Powerpoint-Tournee hat wohl sowieso schon ein Notebook, und sein Aktenkoffer bietet genug Platz zu dessen Transport. Der bedeutendste Faktor, der gegen eine baldige Massenverbreitung von UMPCs spricht, ist aber nach wie vor der Preis.

Auf deutsch gesagt: Die Dinger sind sündhaft teuer. Und der e2 gehört in der getesteten Konfiguration zu den teureren UMPCs: Das Vista-Modell mit 120er-Harddisk kostet beim Schweizer Spezialhändler Comlight 2649 Franken. Für die Docking Station kommen nochmals 519 Franken hinzu, die Batterie mit doppelter Kapazität kostet 259 Franken, und selbst der Digitalstift schlägt mit 39 Franken zu Buche.

(ubi)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER