Gesucht: Der ideale Internetzugang
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/33
Bald benutzen alle KMU, die Computer haben, das Internet" - dies das Fazit einer Telefonumfrage, die im Auftrag der Task Force KMU des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco, Teil des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, vor kurzem durchgeführt wurde. Die selbe Studie weist überdies nach, dass heute weniger als ein Fünftel der Schweizer KMU nicht mit Computern ausgestattet sind. Im Vergleich zu anderen Ländern gehört die Schweiz mit einer Internetdurchdringung von 65 Prozent im KMU-Segment zu den Spitzenreitern; nur wenige europäische Länder wie Irland mit 70 Prozent übertreffen unsere Quote noch.
Ob zur Kommunikation innerhalb und ausserhalb des Unternehmens mit E-Mail, zur Informationsbeschaffung auf dem Web oder für E-Business-Zwecke wie eigene Website oder Online-Shop: Internetzugang ist heute für die allermeisten Firmen ein absolutes Muss, auch wenn das eigentliche E-Commerce-Volumen aller KMU zusammengenommen erst einige hundert Millionen Franken ausmacht. Das ist wenig im Vergleich mit den 2,7 Milliarden, die KMU allein 2002 für ihre Internetinfrastruktur ausgeben.
Für kleinere Betriebe hielten die Internet-Provider vor nicht allzulanger Zeit bloss eine wirtschaftlich tragbare Variante bereit: Dialup-Access via ISDN, praktisch überall verfügbar, rasch installiert, mit günstigen ISDN-Terminal-Adaptern implementiert und mit Kanalbündelung auch beim einfachsten Normalanschluss mit zwei B-Kanälen 128 Kilobit pro Sekunde schnell.
Die unkomplizierte Inbetriebnahme eines ISDN-Zugangs dürfte, zusammen mit dem bisherigen Fehlen praktikabler Alternativen und dem für die traditionellen Anwendungen E-Mail und Websurfen relativ geringen Datenvolumen, massgeblich für die nach wie vor hohe Bedeutung des Dialup-Access sein: Über 60 Prozent der KMU-Internetnutzer verfügen über ISDN; gerade mal 20 Prozent nutzen eine Standleitung.
Das Datenvolumen jedoch wächst, und es wird weiter wachsen: Noch vor ein, zwei Jahren war es üblich, dass in einer kleinen Firma nur gerade ein PC ans Internet angeschlossen war - die Mitarbeiter mussten ihre Mail- und Surf-Aktivitäten an einer zentralen "Internetstation" erledigen; ihr eigener Arbeitsplatz war nicht vernetzt. Heute genügt dies offenbar nicht mehr: 2002 haben laut Umfrage bei 40 Prozent der Internet-nutzenden KMU mehr als die Hälfte der Mitarbeiter einen eigenen Internetzugang; nur noch 11 Prozent der befragten Unternehmen bieten ihren Angestellten ausschliesslich die zentrale Variante an.
Wenn mehr Mitarbeiter mailen und surfen, fallen automatisch mehr Datenverkehr und damit höhere Verbindungsgebühren an, und gleichzeitig erhöhen sich die Anforderungen an die Verfügbarkeit und Stabilität der Verbindung. Erst recht gilt dies, wenn ein eigener Mail- oder Webserver betrieben werden soll. Dann hält eine Wählverbindung überhaupt nicht mehr mit: Ein permanenter Link zwischen Firmen-LAN und Internet wird nötig. Gut, dass zu diesem Zweck heute neben der traditionellen, mit hohen Installationskosten verbundenen "Mietleitung" verschiedene Technologien zur Verfügung stehen: SDSL, ADSL und Cable.
Giuseppe Giordano, Geschäftsführer beim KMU-orientierten Basler Provider Magnet.ch, sieht Dialup-Access heute nur noch für Privatanwendungen und "Kleinstunternehmungen, die Internetkosten von weniger als 40 Franken pro Monat haben", sowie als Backup für ADSL und andere Standleitungsvarianten.
Neben SDSL, in der Vergangenheit vor allem von KMU-spezialisierten Providern wie Green-Vorgänger agri.ch aktiv propagiert, macht derzeit die ADSL-Technologie am meisten von sich reden. Eine erste Palette von ADSL-Angeboten richtete sich vornehmlich an die anspruchsvolle Privatkundschaft. Die Zielgruppe zum Beispiel von Bluewin waren Surfer mit starkem Appetit auf Streaming und Download von Multimedia-Inhalten - eine User-Kategorie, die offenbar weit dünner gesät ist, als die Anbieter sich erhofften.
Nun haben die ADSL-fähigen Provider die Geschäftskunden im Visier: Von der Technologie her genügt ADSL den Anforderungen der meisten KMU durchaus. Was bei den bisherigen ADSL-Angeboten auf Sparflamme kochte, waren professionelle Supportleistungen und garantierte Reaktionszeiten bei Problemen und Ausfällen. Ausfälle kamen in der allerersten Zeit häufig vor, wie auch Raphael Ott von Swisscom Fixnet, dem letzten Endes für alle ADSL-Angebote zuständigen Letzte-Meile-Monopolisten, zugibt: "In der Startphase ergaben sich Probleme beim Einrichten der Zentralen und des DSLAM, dies führte zu einigen Ausfällen des Service und zu einem schlechten Ruf von ADSL. Diese Schwierigkeiten sind nun behoben."
Die Verbesserungen bei Swisscom ermöglichen neue, Business-orientierte Angebote mit einem Service, der bis anhin der traditionellen Mietleitung vorbehalten war. Drei Beispiele: Green.ch offeriert ab Dezember 2002 "ADSLBusiness" mit 512 Kilobit Upstream-Rate, priorisierter Aufschaltung, Priorität beim Support und einer garantierten Reaktionszeit von maximal acht Stunden während der Supportzeiten - laut Green-Chef Guido Honegger sind "mit dem neuen Angebot auch SLA und Interventionszeit kein Thema mehr". Die Preise für ADSLBusiness von Green.ch fangen bei 199 Franken pro Monat für die 512/512 kBit-Variante an.
Auch Swisscom selbst bringt mit Start an der Orbit ein neues ADSL-basiertes Paket für Geschäftskunden auf den Markt, und zwar nicht unter der Privatkundenmarke Bluewin, sondern unter dem Business-Label IP-Plus: "IP-Plus DSL" bietet für 269 Franken pro Monat plus 1500 Franken einmalige Einrichtungskosten 512 Kilobit Down- und 128 Kilobit Upstream und acht IP-Adressen. Im Preis inbegriffen sind die Miete für einen Cisco-Router vom Typ 805, das komplette Management der Verbindung sowie Serviceleistungen und Störungsannahme rund um die Uhr. Das ebenfalls und schon bisher erhältliche Angebot IP-Plus Light beruht dagegen auf HDSL und stellt eine symmetrische Verbindung mit 256 kBit/s samt Router und Managed Service zur Verfügung.
Ein drittes Beispiel für die neue ADSL-Generation ist "Sunrise Business ADSL Premium", wie das Swisscom-Angebot ebenfalls als Managed Service inklusive Router und Firewall sowie Supportgarantien konzipiert; die "Light"-Variante überlässt im Gegensatz dazu Konfiguration und Betrieb des Routers dem Kunden. Die Premium-Preise: ab 299 Franken pro Monat (256/128 kBit/s); Installation 1250 Franken. Die 449-fränkige 512/512-Kilobit-Variante garantiert darüber hinaus maximal 18 Stunden Downtime pro Jahr und maximal acht Stunden Reaktionszeit; bei den niedrigeren Speeds muss man sich mit dem traditionell ADSL-üblichen "best effort"-Modus zufriedengeben.
Mit "Hispeed" bietet die gesamtschweizerisch für die meisten Kabel-TV-Netze zuständige Cablecom (neben ihrer Business-orientierten Palette "Topnet Global IT" mit Managed Services und Bandbreiten zwischen 1 und 1000 Megabit) seit längerem eine der günstigsten und unkompliziertesten Internetanbindungen für den Privatgebrauch an: Kabelmodem einstecken (Miete im Abonnement inbegriffen), mit dem Netzwerkanschluss des PC verbinden, IP-Angaben konfigurieren, und los geht's. Laut Theresia Büsser, Leiterin Corporate Communications, eignen sich die Hispeed-Produkte auch bestens für kleine Unternehmen mit bis zu 10 Arbeitsplätzen: "Das Kabelmodem zeichnet sich durch eine hohe Zuverlässigkeit aus. Gerade bei geschäftskritischen Applikationen im Web ist dies von zentraler Bedeutung."
Demgegenüber vermerken die Anbieter von ADSL- und SDSL-Access diverse Nachteile der Internetanbindung via TV-Kabel: Zuallererst muss vor Ort überhaupt ein Internet-fähiger Kabelanschluss vorhanden sein. MagNet-CEO Giordano: "Dieses Medium ist nur in den Ballungsgebieten vorhanden." In vielen Büroräumen gibt es zudem im Gegensatz zur Privatwohnung keinen TV-Anschluss. Monika Walser Pressesprecherin von Sunrise Corporate Communications: "Man darf nicht vergessen, dass weniger als ein Viertel der Haushalte CATV-tauglich sind; bei ADSL sind es über 96 Prozent."
Raphael Ott von Swisscom Fixnet gesteht der Cable-Technologie zwar grundsätzlich Business-Tauglichkeit zu, aber er sieht Sicherheitsprobleme: "Alle Benutzer eines Kabelstranges sitzen auf der gleichen Leitung und können sich mit geeigneten Mitteln sehen. Die von den Kabel-Providern verwendete Verschlüsselung entspricht teilweise nicht mehr den heutigen Sicherheitsstandards."
Die parallele Nutzung der Gesamtkapazität des örtlichen Kabelstranges führt laut Giordano überdies dazu, dass "die Bandbreitenbündelung viel stärker ins Gewicht fällt als bei ADSL" - mit anderen Worten: Wenn in der gleichen Strasse viele Cable-User sitzen, die womöglich noch gleichzeitig Internetradio hören und massenweise MP3-Files downloaden, verringert sich die Bandbreite stark, die dem einzelnen Kunden zur Verfügung steht. Auch Strebel von Swisscom Fixnet stösst ins gleiche Horn: "Ein Nachteil von Cable wird wahrscheinlich die von der Technik her nicht gegebene Möglichkeit einer garantierten Leistung sein."
Wie Giordano andererseits erwähnt, spielt dieser Aspekt jedoch auch bei ADSL eine gewisse Rolle, zumal "aufgrund des Preiszerfalls ein hohes Overbooking getätigt wird", mit anderen Worten: Gewisse Provider schalten, um möglichst niedrige Preise anbieten zu können, mehr Kunden auf ihre ADSL-Kapazität als eigentlich ratsam wäre. Ausserdem stellt ADSL, so Giordano weiter, im Gegensatz zu SDSL und konventionellen Mietleitungen, keine Point-to-Point-Verbindung zwischen Kunde und Provider her; die Verbindung läuft über verschiedene Zentralen, was ein gewisses Sicherheitsrisiko nach sich zieht.
Das KMU hat die Qual der Wahl - die Frage, welche Technologie sich für welchen Einsatzzweck eignet, steht hoch im Kurs. Es ist aber eigentlich die falsche Frage: Nicht die zugrundeliegende Technik, sondern die Qualität der Verbindung ist massgeblich. Diese hängt nicht zuletzt auch von der Qualität des Providers und seiner Dienstleistungen ab. Raphael Ott, Swisscom Fixnet: "Man muss sich auf das Angebot der Provider fokusssieren und nicht die eingesetzte Technologie in den Vordergrund stellen. Die Betreuung, der Support und das 'Päckchen', das der Provider schnürt, sind die wichtigsten Kriterien." Vor allem im KMU-Bereich sind, so Monika Walser, die erforderlichen Kenntnisse zum reibungslosen Betrieb einer geschäftskritischen Internetanbindung meist nicht vorhanden: "Der Trend geht klar in Richtung Managed Services. Die wenigsten KMU besitzen genügend Know-how im Router- und Firewall-Bereich."
Punkto Päckchen lag vor allem bei ADSL-Providern in der Vergangenheit einiges im Argen; erst die neuen Produkte, die derzeit lanciert werden, bringen ein Business-taugliches Service-Level - aber auch dieses muss sich in der Praxis erst beweisen.
Obwohl Service und Support die Hauptrolle spielen sollten, lassen sich bezüglich Mitarbeiterzahl und Einsatzgebiet einige Richtlinien für die Wahl der Technologie formulieren:
ISDN-Dialup: Privat, Kleinunternehmen mit Internetkosten unter 40 Franken pro Monat, Backup für ADSL/SDSL.
ADSL: KMU bis 15 Mitarbeiter (Varianten 256 und 512 kBit/s), KMU ab 15 Mitarbeiter (1 und 2 Mbit/s), Backup für SDSL. Bei geringer Internetnutzung (Mailen/Surfen) für Firmen bis zu 100 Mitarbeiter.
SDSL: Unternehmen, für die Internetzugang von vitalem Interesse ist, die eigene Server betreiben und/oder grosse Datenmengen sowohl empfangen als auch versenden müssen.
Cable: Kleine Unternehmen mit bis zu 10 Arbeitsplätzen (Hispeed-Produkte). Giordano nennt ferner eine Reihe von Kriterien, die beim Entscheid ADSL versus SDSL eine Rolle spielen:
- Wird der Internetzugang für geschäftskritische Anwendungen wie E-Procurement und E-Commerce verwendet?
- Ist die Tätigkeit des Unternehmens stark mit dem Internet verknüpft?
- Ist höchste Verfügbarkeit nötig?
- Sind Security und Privacy ein Muss?
- Ist die Upstream-Geschwindigkeit wichtig?
Wenn diese Punkte im Anforderungskatalog weit oben stehen, "ist ADSL nicht zu empfehlen", stellt der Magnet-Geschäftsführer fest; dasselbe dürfte für die Hispeed-Produkte der Cablecom gelten. Deutlich positiver äussert sich Guido Honegger: "Mietleitungen nur, wenn mehr als 2 Megabit Geschwindigkeit nötig ist. Ansonsten immer ADSL."
Auch wenn es Honegger anders sieht und bei KMU vor allem die Kostenfrage in den Vordergrund rückt: Die Mietleitung, ob SDSL oder eine herkömmliche Standleitung, zum Beispiel eine "Private Line" von Swisscom, kostet zwar sowohl bei der Installation als auch im Betrieb wesentlich mehr, bietet dafür aber symmetrische Datenübertragung, garantierte Bandbreite und vergleichsweise sichere, individuell geschaltete Point-to-Point-Verbindung zwischen Anwender und Provider. Giordano dazu: "Wenn das Unternehmen vom Internet lebt beziehungsweise dank dem Internet massgeblich Umsatz generieren oder Kosten einsparen kann, ist die herkömmliche Standleitung durchaus noch relevant."
Das Fazit: Die Branchenexperten sind keineswegs einer Meinung. Bei der Evaluation einer permanenten Internetanbindung spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle: Kosten, gewünschte beziehungsweise benötigte Verfügbarkeit, vorhandenes Know-how, Relevanz des Internet-Access für den Geschäftserfolg sowie die Service- und Supportleistungen des Providers - ganz abgesehen davon, dass auch die "Chemie" zwischen Kunde und Anbieter stimmen sollte.
Zudem in der Print-Ausgabe: Technologien für den Internetanschluss im Überblick